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Wu-Tang Clan - The saga continues

Wu-Tang Clan- The saga continues

36 Chambers / eOne / SPV
VÖ: 13.10.2017

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Zurück in den Kammern

Ist der Wu-Tang Clan noch relevant? Die berüchtigte Frage nach dem R-Wort ist eigentlich zu elendig, um sie als Aufhänger für eine Rezension zu nutzen, doch wenn solch ein das Genre und ganze Generationen prägendes Kollektiv 24 Jahre nach seinem Debüt noch Alben veröffentlicht, ist es schwer, da herumzukommen. Vor allem auch, da die Hiphop-Szene oft wenig verzeihend für Stillstand ist, musste sich der Rezensent schon von einigen vielleicht etwas zu sehr im Zeitgeist verankerten Rap-Fans als "zurückgeblieben" bezeichnen lassen, weil er im Jahr 2017 noch Oldschool hört. Nun sitzt er also vor dem insgesamt siebten, unter dem Klan-Namen releasten Studioalbum der legendären East-Coast-Truppe, das einst den Gangstern der Westküste seinen von Kung-Fu-Metaphorik und spiritueller Mystik durchsetzten Conscious-Rap entgegensetzte und das trotz interner Streitigkeiten und des Todes von Kernmitglied Ol' Dirty Bastard weiterhin Bestand hat.

Fairerweise muss man sagen, dass "The saga continues" inoffiziell kein wirkliches Klan-Album ist. Regie führte hier nicht Mastermind Robert Diggs alias RZA, sondern Mathematics, ein vor allem für die späteren Jahre prägender Wu-Tang-Hausproduzent. Sein Werk enthält alle altbekannten Trademarks: Staubtrockene Flows in Kombination mit sich nie in den Vordergrund drängelnden Beats aus stumpfen Kickdrums, dezenten Basslinien und alten Film- und Soulsamples, alles durchzogen von einer immer kohärenten Retro-Ästhetik. Das Resultat veranlasst Kool Savas hörende Baggypants-Träger dazu, von der Rettung des "echten" Hiphop zu fabulieren, während die Trapkids Lachkicks über das albern wirkende Comic-Cover schieben und sich wundern, warum hier über Shaolinmönche und nicht über Xanny Bars und Supreme gerappt wird. Recht haben sie irgendwo beide, denn "The saga continues" ist ein komplett aus der Zeit gefallenes Relikt, dass sich Innovationsarmut und Trendverweigerung so sehr auf die Fahnen geschrieben hat wie lange nichts mehr im Genre.

In seinen besten Momenten erinnert das Album auch qualitativ an die Großtaten der Neunziger, was vor allem daran liegt, dass einige Klan-Mitglieder hier in herausragender Form sind. Allen voran geht der sehr präsente und offenbar nicht gealterte Method Man, der auf der düster-souligen Leadsingle "People say" mal eben einen der besten Rapparts des Jahres dropt und das mit Streichern, Bläsern und Xylophon sehr detailliert arrangierte Highlight "If time is money" komplett alleine tragen kann. Ghostface Killah bringt mit seiner distinktiven Stimme und der gewohnt charismatischen Wildheit Schärfe in den klaustrophobischen Standout-Track "Pearl Harbour", während auch Raekwon im bassgetriebenen "Fast and furious" überzeugt. Im Reggae-durchtränkten "Black-Lives-Matter"-Manifest "Why why why" darf dann schließlich auch Wu-Tang-Chef Diggs beweisen, dass er nicht nur ein Ausnahmeproduzent, sondern auch ein fantastischer, energetischer Rapper mit einzigartigem Flow ist. Auch lyrisch geht er hier ausreichend differenziert mit der Thematik um, zeigt er sich zu Beginn mit Zeilen wie "If I put my fist through the face of a racist / Smack 'em tasteless" noch unglaublich wütend, während er im zweiten Verse die schwarze Bevölkerung selbst ins Gericht nimmt.

Bedauerlicherweise kann "The saga continues" sein Niveau nicht konstant halten. "G'd up" und "My only one" enthalten merkwürdig holprige, dem Ansatz des Albums widersprechende Anbiederungen an kontemporäre R'n'B-Standards, ersteres sogar mit hier komplett unnötigem Autotune, während letzteres noch nicht mal der bissige Cappadonna-Part aus seinem Schmalz befreien kann. Auch ist nicht jeder Rapper zu jeder Zeit ganz auf der Höhe, Inspectah Decks obligatorischer Martin-Shkreli-Diss in "Lesson learn'd" wirkt gezwungen und saftlos, GZAs einziger Kurzauftritt in "If what you say is true" fast schon wie eine Parodie. Wenn Meth in "Frozen" "Music is life, I ain't into fashion or ice / I ain't into chain snitchin', ain't into smackin' a wife" rappt, ist das in Zeiten, in denen gefühlt jeder zweite Rap-Newcomer ein mutmaßlicher Vergewaltiger ist, zwar eine durchaus wichtige Botschaft, doch zu oft erhebt der Klan hier den moralischen Zeigefinger und verfällt in zusammenhangloses Phrasengedresche. Am deutlichsten zeigt sich das in den Skits "Message" und "Family", wobei letzteres mit seiner Kritik am modernen Feminismus und dem Predigen eines traditionellen Familienbildes eine zu kontroverse Ansicht enthält, um sie so kommentar- und kontextlos auf dem Album zu platzieren.

Die extrem konsequente Rückwärtsgewandtheit des Wu-Tang Clans 2017 ist ein durchaus nachvollziehbarer Schritt in Anbetracht dessen, dass der mit Neuerungsversuchen spielende Vorgänger "A better tomorrow" ein ganz schön konfuses Durcheinander war. So ist "The saga continues" ein stimmiges, top produziertes und im besten Fall den 90er-Geist perfekt einfangendes, jedoch auch etwas unambitioniertes und generisches Werk – dabei haben A Tribe Called Quest im letzten Jahr noch so eindrucksvoll bewiesen, dass eine virtuose Mischung aus alt und neu möglich sein kann, wenn man dazu gewillt ist. Und dennoch müssen und dürfen sich weder der Wu-Tang Clan noch seine Fans Vorwürfe als zurückgebliebene Rap-Opas gefallen lassen, da es sowieso eine der enormen Selbstreferenzialität des Genres geschuldete Unart ist, dass mit Oldschool-Ästhetik so hart ins Gericht gegangen wird, während diverse Indiebands ihre 80er-Vorbilder ohne eigene Ideen kopieren dürfen und dafür überall gefeiert werden. Solche Meta-Kriterien, was sich jetzt worauf genau bezieht, sind nämlich auch komplett egal, solange die Musik beim Hörer ankommt, mitnimmt und begeistert – und genau das tut sie hier zumindest über weite Teile. Relevanz my ass.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • If time is money (feat. Method Man)
  • Pearl Harbour (feat. Ghostface Killah, Method Man, RZA & Sean Price)
  • People say (feat. Method Man, Raekwon, Inspectah Deck, Masta Killa & Redman)
  • Why why why (feat. RZA & Swnkah)

Tracklist

  1. Wu Tang the saga continues intro (feat. RZA)
  2. Lesson learn'd (feat. Inspectah Deck & Redman)
  3. Fast and furious (feat. Hue Hef & Raekwon)
  4. Famous fighters (Skit)
  5. If time is money (Fly navigation) (feat. Method Man)
  6. Frozen (feat. Method Man, Killah Priest & Chris Rivers)
  7. Berto and the fiend (Skit) (feat. Ghostface Killah)
  8. Pearl Harbour (feat. Ghostface Killah, Method Man, RZA & Sean Price)
  9. People say (feat. Method Man, Raekwon, Inspectah Deck, Masta Killa & Redman)
  10. Family (Skit)
  11. Why why why (feat. RZA & Swnkah)
  12. G'd up (feat. Method Man, R-Mean & Mzee Jones)
  13. If what you say is true (feat. Cappadonna, GZA, Masta Killa & Streetlife)
  14. Saga (Skit) (feat. RZA)
  15. Hood go bang! (feat. Redman & Method Man)
  16. My only one (feat. Ghostface Killah, RZA, Cappadonna & Steven Latorre)
  17. Message
  18. The saga continues outro (feat. RZA)

Gesamtspielzeit: 51:41 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2017-10-25 22:12:19 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Der Herumtoller
2017-08-25 19:29:44 Uhr
Toll!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2017-08-25 18:22:15 Uhr - Newsbeitrag
Hallo zusammen,



von den Slums in Shaolin aus eroberte er die Welt: Der Wu-Tang Clan hat Generationen beeinflusst und ist genreübergreifend eine der bedeutendsten Bands der Musikgeschichte. Drei Jahre nach dem letzten Album „A Better Tomorrow“ erscheint „Wu-Tang: The Saga Continues“ am 13.10.2017 über 36 Chambers ALC / eOne / SPV.



Produziert von Kreativ-Mastermind RZA und dem langjährigen Wu-Tang-DJ Mathematics, kann man sich auf 10 brandneue Tracks plus Skits sowie Vocal Parts von RZA, Method Man, Raekwon, Ghostface Killah, Inspektah Deck, Masta Killa, ODB, Redman, Sean Price und weiteren freuen. Die erste Single „People Say“ von Method Man, Raekwon, Inspektah Deck, Masta Killa und Redman erscheint heute und wird Fans der ersten Stunde ein Lächeln ins Gesicht zaubern.



„Wu-Tang: The Saga Continues“ ist die erste Veröffentlichung auf 36 Chambers ALC, eines von RZA und Mustafa Shaikh gegründeten Lifestyle-Unternehmens, das innovativen Projekten aus den Bereichen Musik, Kunst, Fashion und Literatur eine Heimat bieten möchte. Über das Album sagt RZA: „For years, Math has had the idea of putting together a body of music using modern and legendary equipment such as ASR10 with vocal performances by Wu-Tang Clan members and other prominent MCs. With The Saga Continues he’s created a masterpiece. We at 36 Chambers ALC are honored to work with Mathematics and Wu-Tang Clan to put out a great piece of art.”



Seit nunmehr 24 Jahren sagen zwei Buchstaben alles: Wu. Das Neun-Mann-Kollektiv aus Staten Island hat den Weg für Hunderte weitere Bands und HipHop-Künstler geebnet. Klassiker und Platinalben wie das Banddebüt im Jahr 1993 oder Ghostface Killah´s „Supreme Clientele“ wechselten sich mit Veröffentlichungen ab, die selbst unter dem Radar der treuesten Fans blieben. Als Crew hat der Wu-Tang Clan über 10 Millionen Alben verkauft - Soloprojekte nicht mit eingerechnet.

https://play.spotify.com/album/53GitlE4SlOxdlTIaRoeja?play=true&utm_source=open&utm_medium=signup-test&utm_campaign=link
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