Steffi - World of the waking state
Ostgut / Rough Trade
VÖ: 22.09.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Sound in Sinnlichkeit
Über Steffi Doms zu schreiben, ohne das Berghain zu erwähnen, ist schwer. Seit Jahren residiert die gebürtige Niederländerin im Berliner Techno-Tempel und hat sich so eine stetig wachsende Fangemeinde verdient. Unabhängig von der gestiegenen Popularität des Clubs und damit einhergehenden Begleiterscheinungen ist Doms ihrem Stil in all den Jahren treu geblieben: Ihre Mixes leben von großer Liebe zur Ursuppe des Techno. Wer den Sound eines TB-303-Synthesizers kennt, weiß, was gemeint ist. Steffi ist jedoch nicht nur DJ, sondern auch Komponistin und Sounddesignerin. Ihr neues Album "World of the waking state" macht genau da weiter, wo 2014 "Power of anonymity" aufgehört hat.
Stumpfes Vierviertel-Gewummer sucht man deshalb vergebens. Die zehn Tracks ähneln einander hinsichtlich ihres Grundprinzips. Meist genügen Doms wenige Elemente, um ihre Klanglandschaften zu errichten: Das Fundament besteht stets aus subtil changierenden Drumloops und altmodisch wummernden Basslines, was zeigt, dass Steffi Detroit nicht nur vom Hörensagen kennt. Purer Minimalismus ist jedoch nicht ihre Sache – Melodien sind nicht bloßes Beiwerk, sondern im Zentrum ihrer Kompositionen. Die Musikerin bedient sich typischer House-Harmonien und kontrastiert sie mit stetig dahinwabernden Pads, ohne das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Tracks wie "Bounces of nature" und "The meaning of memory" sind wie gemacht für sich langsam aufbauende Mixes, da sie sich fast unmerklich verdichten.
Was mit Verdichtung gemeint ist, zeigt "All living things" in beeindruckender Manier. Ein nackter Sinus-Bass bildet den Ausgangspunkt, danach gesellen sich in bedächtigem Tempo Drums, Synthies und Flächen hinzu. Der grundlegende Puls bleibt jedoch bestehen, was in Zeiten der aufmerksamkeitsdefizitären EDM eine echte Wohltat ist. Hier gibt es keine Breakdowns oder Drops, sondern Sound in Sinnlichkeit. Wenn ein Techno-Release nicht nur im Club, sondern auch auf Kopfhörern vorzüglich funktioniert, ist das immer ein gutes Zeichen. So offenbart beispielsweise "Schools of thought", welch feines Gespür Steffi für Details besitzt. Nur durch minimale Filter-Spielereien gelingt ihr das Kunststück, klaustrophobische Gefühle hervorzurufen.
Doms weiß auch genau, was das Attribut "deep" bedeutet: Wenn im Titeltrack Acid und Trance kollidieren, entsteht aus sich verhakenden Bausteinen ein faszinierendes Ganzes. Für Menschen, die sich hemmungslos austoben wollen, bietet Steffis zweites Soloalbum wenig Material. Jene, die den Prozess dem Ergebnis vorziehen, bekommen mit "World of the waking state" ein aufregendes Stück Klangbaukunst. Techno mag nicht mehr die gesamtgesellschaftliche Strahlkraft wie einst besitzen, solange es aber DJs wie Steffi gibt, bleibt das Genre relevant. Die Suche nach Neuem lebt vom Bewusstsein für das Bestehende. Umso besser, wenn das Ganze mit Stil vollzogen wird.
Highlights
- All living things
- Schools of thought
- World of the waking state
- Bounces of nature
Tracklist
- Different entities
- Continuum of the mind
- All living things
- The meaning of memory
- Schools of thought
- World of the waking state
- Kokkie
- Mental events
- Bounces of nature
- Cease to exist
Gesamtspielzeit: 57:00 min.
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