Cults - Offering

Sinderlyn / Cargo
VÖ: 06.10.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Queen of hearts
Manchmal stimmt einfach alles. So wie im Sommer 2011, als die beiden Ex-Filmstudenten Madeline Follin und Brian Oblivion unvermittelt ein Debütalbum in die Welt warfen, das mit seiner naiven, sonnigen Süßlichkeit so perfekt in den Moment passte, dass man versucht war, seine Umgebung nach Kameras und neurotischen Brillenträgern abzusuchen – nicht, dass man aus Versehen in die Produktion der nächsten Woody-Allen-Sommerromanze reingerutscht ist. Leider ist eine nicht unwesentliche Eigenschaft von Momenten, dass sie irgendwann vorbei sind, doch Cults war dieser Umstand offenbar mehr als bewusst. Weder mit dem direkten Nachfolger "Static" noch mit dem jetzt erscheinenden Drittling "Offering" haben sie versucht, die Wirkungskraft dieses einen Augenblicks wieder aufleben zu lassen, was ja ohnehin nicht möglich gewesen wäre. Vorbei ist die Zeit von Glockenspiel-Luftigkeit und 60er-Girlgroup-Einflüssen: Die New Yorker machen zwar noch immer zuckrigen Pop, doch sie sind mächtiger, schwerer und spürbar ambitionierter geworden. Pink Floyd auf einem Cults-Album? Vor sechs Jahren noch undenkbar, doch in der verrückten neuen Welt von 2017 ist wohl alles möglich.
So braucht der Opener und Titeltrack keine fünf Sekunden, um ein gewaltiges Synthie-Riff über den Hörer hereinbrechen zu lassen, das sich, begleitet von auf diesem Album merklich in den Hintergrund gerückten Gitarren, später in einem erhabenen Refrain auflöst. Einen ihrer besten Songs überhaupt gleich an den Anfang zu stellen, war ein kluger Schachzug von Cults, denn so lassen die beiden nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen, dass sie auch außerhalb ihrer Komfortzone noch großartige Musik machen können. Follin stellt dabei auch im dichtesteten Soundgeflecht noch den Fixpunkt dar, ihre wundervolle Stimme braucht keine sommerlich lockeren Arrangements, um Herzen wie Eis bei 30 Grad innerhalb von Nanosekunden schmelzen zu lassen – es ist sicher kein Zufall, dass sie in Fucked Ups Meisterstück "Queen of hearts" den weiblichen Konterpart zu Damien Abrahams Gekeife geben durfte. "I took your picture" huldigt dem New Wave, während "With my eyes closed" mit Vintage-Klängen und Schunkelpiano kokettiert. Pink Floyd sind sicher nicht die erste Referenz, jedoch auch kein Hirngespinst eines auf Namedropping versessenen Rezensenten – bezeichnet doch Oblivion selbst die Prog-Legenden als einen der Kerneinflüsse von "Offering".
Und so weit weg sind Gilmour und Co. bei den ungewohnt komplexen Songstrukturen und Arrangements dieses Albums nun auch wieder nicht. "Recovery" hat einen umwerfenden, melancholischen Refrain, zögert diesen mit unerwarteten Breaks aber immer wieder hinaus. Der bezaubernde Walzer "Natural state" verschwindet irgendwann in einem Dickicht aus Gitarren, Synthies und einer geisterhaft verzerrten Follin, während auch konventioneller scheinende Stücke wie "Right words" und "Talk in circles" immer genug Haken schlagen, um bewusst die Ausfahrt zum geradlinigen Hit zu verpassen. Bei aller klanglichen Tiefe wirkt "Offering" glücklicherweise nie überladen, Cults ordnen alle Details und Spielereien stets den Songs und den fast immer tollen Melodien unter und präsentieren als Resultat ihr stimmigstes, nachhaltigstes und schlicht bestes Album, das mit Sicherheit mehr als nur eine Momentaufnahme bleiben wird. Eine Sommerplatte im Oktober hätte ja nun auch wirklich niemand gebraucht.
Highlights
- Offering
- Recovery
- Natural state
- Talk in circles
Tracklist
- Offering
- I took your picture
- With my eyes closed
- Recovery
- Right words
- Good religion
- Natural state
- Nothing is written
- Talk in circles
- Clear from far away
- Gilded lily
Gesamtspielzeit: 41:24 min.
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