Robert Plant - Carry fire

Nonesuch / Warner
VÖ: 13.10.2017
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

The singer remains the same
Es heißt ja über Künstler im gesetzteren Alter, sie würden mehr oder weniger milde gestimmt auf ihr bisheriges Schaffen zurückblicken. Wobei der Begriff "Alterswerk" durchaus nicht immer positiv besetzt ist – allzu oft versuchen die Protagonisten so nachdrücklich wie vergeblich, das alte Feuer, die alte Magie noch einmal zum Leben zu erwecken. Robert Plant hat auf diese vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten des Musikgeschäfts schon immer gepfiffen. Ihm wird eine Fantastillion für die Zustimmung zu einer Reunion von Led Zeppelin geboten? Egal. "Stairway to Heaven" ist der Song, den wohl ziemlich jeder kennt, der nicht in den letzten 50 Jahren auf einem anderen Planeten gehaust hat? Mag sein, aber live spielen? Nicht für Geld und gute Worte. Und so geriet nun ausgerechnet Plants letztes Album "Lullaby and ...the ceaseless roar" nachgerade zu einem Triumphzug. Dass der Mann nebenher mit seiner Begleitband The Sensational Space Shifters eindrucksvoll zeigte, dass der Begriff "Weltmusik" wahrlich kein Schimpfwort sein muss, steht noch auf einem ganz anderen Blatt.
Das Schöne am hohen Rocker-Alter ist jedoch: Nichts und niemand kann noch irgendeinen Druck ausüben. Also macht Plant auch mit "Carry fire" ausschließlich das, wonach im der Sinn steht. Und das ist in Form des Openers "The May queen" ein nur vordergründig zurückhaltender Groover. Denn während der Zeppelin-Aficionado über die sicherlich nur zufällige Referenz an just diesen einen Song schmunzelt – genau, "If there's a bustle in the hedgerow..." – freut sich der Freund der letzten Alben über die Virtuosität der Band. Am Ende jedoch stellen alle Seiten fest, dass eben dieser Groove, so leise er auch sein mag, ohne Chance auf Befreiung gefangen genommen hat. Auch beim folgenden "New world..." geht der Blick zurück, diesmal in Richtung "Immigrant song". Nur dass die Immigranten eben hier die Eroberer sind, die ihrerseits Not und Elend verbreiten.
Richtig, der Brite kann auch im Alter von 69 Jahren noch zornig sein. Nur laut ist er vergleichsweise selten. Selbst das zickige "Carving up the world again... a wall and not a fence" besticht eben nicht durch krachende Gitarren, sondern gerade durch seine zurückhaltende Instrumentierung. Die größte Tat vollbringt Robert Plant allerdings nahezu im Alleingang. Oder sagen wir, genau dann, wenn The Sensational Space Shifters durch maximales Weglassen maximale Intensität erzielen. Ganz leise klimpert ein Klavier zu Beginn von "A way with words". Dumpf pocht ein Sample, der selbst einem schnöden Beat unendliche Melancholie verleiht. Und mit wie viel Weltschmerz, wie viel Trauer können bitte derart leise Zeilen gesungen werden, die vordergründig so banal klingen: "All we built but falling down / Holding you and hit the ground / I know / Blaming tears, the lonesome sound / Hopes and tears will burn the ground / I know."
Ach, es gibt noch so manche Großtat zu bejubeln. Zum Beispiel den Titeltrack, der so herrlich alle Register dieser Klänge zieht, die wir gemeinhin "orientalisch" nennen und die durchaus auch 1994 auf "No quarter" ihren Platz gefunden hätten. Oder aber die gelungene Coverversion von "Bluebirds over the mountain", die zu Beginn durch verzerrte Keyboard-Sounds verstört, aber nicht zuletzt durch den schönen Gasteinsatz der legendären Chrissie Hynde an Format gewinnt. Ganz stark auch der blubbernde Groove von "Keep it hid", der wie so ziemlich alle Songs jede Menge Luft lässt, um die feinen spielerischen Nuancen der Band herauszustellen. Wenn denn tatsächlich das einzige Manko einer Platte ist, dass man sie nicht bei der Hausarbeit nebenher hören kann, dann hat man als Künstler alles richtig gemacht. "Carry fire" ist mehr als ein Alterswerk. Es ist altersweise. Und dadurch schlicht brillant.
Highlights
- The May queen
- Carving up the world again... a wall and not a fence
- A way with words
- Carry fire
Tracklist
- The May queen
- New world...
- Season's song
- Dance with you tonight
- Carving up the world again... a wall and not a fence
- A way with words
- Carry fire
- Bones of saints
- Keep it hid
- Bluebirds over the mountain
- Heaven sent
Gesamtspielzeit: 49:05 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Perlchen |
2017-10-25 13:47:47 Uhr
Ich verneige mich respektvoll vor dem alten, verknorzelten Zeppelin- Rocker, der den aktuellen Grünschnäbeln eindrucksvoll aufzeigt wie Musik geht - Highlights müssen nicht explizit erwähnt werden, das "Album" ist das Highlight - einfach nur herrlich, dieses grandiose Album! |
Vincent 1 |
2017-10-25 08:21:13 Uhr
Für mich wird's immer besser.Eine 8,5 mind. - einfach grossartig!! |
Immigrant singing |
2017-10-23 19:19:39 Uhr
zwei durchgänge bisher und ja, auf jeden gut, besser als erwartet7/10, aber luft nach oben, mal die nächsten durchläufe abwarten |
Julius |
2017-10-19 19:32:27 Uhr
Wie immer großartig. Allerdings ein bisschen cheesy. |
Otto Lenk Postings: 793 Registriert seit 14.06.2013 |
2017-10-19 19:29:50 Uhr
Sehr gute Rezi. Sie wird dem Werk und den Musikern gerecht. |
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Referenzen
Led Zeppelin; Page & Plant; Bo Diddley; The Black Crowes; Chuck Berry; Howlin' Wolf; Little Walter; Jimmy Reed; Muddy Waters; Slim Harpo; Elmore James; Sonny Boy Williamson; Carl Perkins; John Lee Hooker; Lightnin' Hopkins; T-Bone Walker; Link Wray; Otis Rush; Robert Johnson; Willie Dixon; Massive Attack; Peter Gabriel; Fela Kuti; Kula Shaker; Memphis Slim; Big Joe Turner; Black Keys; Them; Family; Sufjan Stevens
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