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Illegale Farben - Grau

Illegale Farben- Grau

Rookie / Indigo
VÖ: 13.10.2017

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Zappelduster

Gäbe es den Zappel-Philipp nicht schon seit Erscheinen des berühmt-berüchtigten "Struwwelpeter" im Jahre 1845 – mit seinerm unruhigen, unangepassten Manieren wäre das zapplige Männlein ein treffendes Sinnbild für die Musik der Wave-Punk-Truppe Illegale Farben. Klammheimlich lässt der Vierer aus Köln nun sein zweites Album nicht nur auf all jene los, deren Tanz- und Pogo-Schuhwerk noch heute die Narben der Abnutzung aus den Tagen des tollen selbstbetitelten Debütalbums trägt. Nicht einmal anderthalb Jahre ist es her, dass einen während der Playlist-Beschallung im trauten Heim diverse, musikrezeptorisch gesehen höchst unterschiedlich gepolte Gäste immer wieder auf ein und den selben Song namens "Schwarz" ansprachen. Um den herum man noch so viele tolle Songs in Listen scharen konnte – angesichts dieses Hits zwecklos.

Diese Episode zeigt auch: Illegale Farben sprechen mit ihrem Sound längst nicht nur Indie- oder Punkhörer an, sondern hätten gewiss das Potenzial, die an stilistischer Diversität nicht gerade reiche Speerspitze des deutschsprachigen Rock ein wenig aufzumischen. Doch was macht die Band? Liefert eine beinahe räudig daherkommende, leicht verschrobene Platte wie "Grau" ab, die aufs erste Ohr vieles bietet – aber eher keine Instant-Pop-Hits. Nein, Illegale Farben leiten ihre persönliche Grauzone mit "Marsch ins Verderben" ein, baden in Sarkasmus und garnieren den Opener gar mit einer wehmütigen Flöte.

Da soll man mal nicht verwirrt sein. Überhaupt braucht es ein paar Anläufe, bis man das recht kratzbürstige, unscheinbare erste Albumdrittel zu schätzen lernt. Vielleicht auch, weil im Mittelteil zackig-kratzige Post-Punk-Stücke wie "Ein kurzer Augenblick" und "Die große Stille" lauern und mit einem Knall die Aufmerksamkeit für sich beanspruchen, bevor "Kein Problem" mit kühlen Gitarrenlicks und stoischem Schlagzeug gegen jedweden Muskelkrampf im Oberschenkel arbeitet und kurz vor dem krachigen Finale die unkonventionelle Sozialkritik-Keule schwingt: "Wenig Leute haben viel / Viele Leute wollen Wurst." So ist das wohl. So ist das.

Mehr Luft zum Atmen heben sich Illegale Farben mit Ausnahme des schönen "Was passiert", dem "Schwarz" von "Grau" sozusagen, für den tollen Schlussteil ihres Zweitlings auf. "Problemzone Mensch" bringt endlich die harmoniegetüchten Achtzigerjahre-Wave-Gitarren zurück, bevor die erste Auskopplung "Frequenz" neben ihres nachhaltigen Refrains anmutig Interpol-Riffs zitiert, damit eine feine, wohlig-melancholische Atmosphäre heraufbeschwört und tatsächlich vor allem eines macht: Mut. "Wir fallen nach unten in den Schatten / Bis die Sonne dann aufgeht", meint im Sinne der Kölner: taumeln, aufstehen, weitertanzen. Sicherlich nicht die unspannendste Alltags-Schleife.

Und dann, ja, dann können die Kölner es tatsächlich doch noch: mit "Moor" einen Song schreiben, der mehr als drei Minuten dauert. Der seine vier Minuten braucht, unaufgeregt und schleppend daherkommt und doch ausschließlich Magenhaken verteilt. Der nicht feinsinnig beobachten braucht um Finger in Wunden zu legen, dass es mehr Kriege denn je gibt, die unweit der eigenen Komfortzone wiederum nicht stattfinden, und dass sich Politik und Gesellschaft in einem längst erkalteten Humanismus suhlen, viel mehr Schein als Sein. Und dass sich weltweit Tendenzen auftun, die vielleicht niemand ausreichend Ernst nimmt. "Alles wiederholt sich / Alles dreht im Kreis / Alles große Worte / Und so viel schöne Tote." Das ist aufwühlender, aufrüttelnder Zynismus, über den sich auch der "Struwwelpeter" diebisch gefreut hätte.

(Eric Meyer)

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Highlights

  • Was passiert
  • Problemzone Mensch
  • Frequenz
  • Moor

Tracklist

  1. Marsch ins Verderben
  2. Viel zu viel
  3. Sirenen
  4. Was passiert
  5. Die große Stille
  6. Ein kurzer Augenblick
  7. Kein Problem
  8. Schneeweiß
  9. Problemzone Mensch
  10. Frequenz
  11. Willkommen im Tunnel
  12. Moor

Gesamtspielzeit: 32:18 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-04-06 13:02:56 Uhr - Newsbeitrag
Liebe Redakteurinnen, liebe Redakteure,

pünktlich zur Frühjahrstour erscheint die neue Single "Angst ist die Mutter der schlechtesten Ideen" von Illegale Farben.

Video anschauen:

Irgendwie typisch, irgendwie anders, irgendwie typisch anders. Konstante Veränderung in der Wiederholung, so haben wir die fünf Kölner lieben gelernt.
Ein Song voller treibender Energie verknüpft den Konsumwahn König Ludwigs mit dem der Neuzeit, sowie die „German Angst“ mit der Hoffnungslosigkeit
modernen Lebens. Wir tanzen in den Abgrund!

eric

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 2794

Registriert seit 14.06.2013

2018-02-01 10:32:43 Uhr
Schöner Song natürlich. Wie auch "Frequenz" und "Problemzone Mensch". Insgesamt für mich aber etwas schwächer als das erste Album.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-01-31 20:13:15 Uhr - Newsbeitrag
Liebe Redakteurinnen, liebe Redakteure,

heute erschien das neue Video 'Was Passiert' der Kölner Band Illegale Farben! Außerdem gibt es neue Tourdaten im April zu vermelden.

Hier das Video anschauen:

Das Hadern mit der dieser Welt äußert sich bei jedem anders: Aufstand oder Abstumpfen? Raus aus dieser Realität in eine andere? Ob die dann besser ist? Das Absurde erscheint da als mindestens kleinstes Übel. Bleibt also noch ein „Quasi-Popsong“, so zumindest nennen ihn Illegale Farben, und veröffentlichen mit „Was passiert“ die dritten Single ihres jüngsten Albums Grau. Und was passiert eigentlich gerade? Das seht Ihr im Video!


____________________________________________________

'Was Passiert' Tour 2018 - präsentiert von Ox Fanzine/livegigs.de
13.04.18 Bielefeld, Potemkin
14.04.18 Bochum, Rotunde
20.04.18 Würzburg, Cairo
21.04.18 Bremen, Tower
26.04.18 Trier, Ex Haus
27.04.18 TBA
28.04.18 CH-Zürich, Minirock

Mondwaffel

Postings: 53

Registriert seit 12.01.2014

2017-10-19 08:37:59 Uhr
Schönes Album. Recht postpunkig, isoliert, kalt. Hat auch irgendwie eine ziemlich, abgedrehte NDW-Kante. Diese Hektik steht dem Album aber ganz gut. Gesang ist mir persönlich an manchen Stellen zu überdreht. Die Songs, in denen der Sänger da Kontrolle reinbringt ("Frequenz" oder "Moor"), gefallen mir deutlich besser.

Ich tue mich mit Musik aus Deutschland generell schwer im Moment, aber hier ist es geglückt. Bestes deutsprachriges Album für mich bisher in diesem Jahr. Sehe das Album auch vor "Ich vs. Wir".

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2017-10-18 22:26:29 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?
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