Mine & Fatoni - Alle Liebe nachträglich

Caroline / Universal
VÖ: 13.10.2017
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Beziehungsarbeit
Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Sie kommt und geht von einem zum anderen. Connie Francis wusste Bescheid und besang den bittersüßen Deal des Lebens schon in den Sechzigern. 50 Jahre und ein paar musikalische Umwerfungen später nehmen sich Sängerin Mine und Everybody's-Darling-Rapper Fatoni dem unkontrollierbarsten Gefühl der Welt an. Dass die Absolventin der Pop-Akademie und der Münchner MC sich dieser so diffusen Beziehungssache widmen, ist kein Zufall. Beide wirken doch fast wie ein altes Ehepaar. Sie kennen sich, schätzen sich und gehen grundehrlich miteinander um. Als Mine für die Produktion eines Live-Albums und eines Konzertfilms ihre Lieblingskünstler nach Berlin einlädt, folgt diesem Ruf natürlich auch Fatoni. Er soll bei der Aufzeichnung des Abends eine Strophe verhauen haben und musste nochmal ran und nochmal ran und nochmal ran – bis es Mine passte. Wut, Ärger, Zerwürfnis? Eher nicht. Eine Beziehung zu führen, heißt schließlich zu arbeiten – an sich und an der Balance. Kleine Unstimmigkeiten werfen da niemanden aus dem Sattel. So ist dieses Konzept-Album von zwei Menschen, die sich derart gut aushalten, nur folgerichtig.
"Alle Liebe nachträglich" wurde vollends von Mine produziert und setzt Fatoni in die Rolle des männlichen Konterparts. Er mimt den Mann auf jeder Ebene der nahezu paartherapeutischen Maßnahmen. Dafür fährt der Rapper seine oftmals beißende Ironie auf ein Minimum zurück. Es schleicht sich die Vermutung ein, dass hier die Frau die Hosen anhat. Die häufigsten Worte, die in den ersten beiden Liedern fallen, sind "er", "sie" und "aua". Aus diesen drei Basis-Elementen ließen sich schon die größten Dramen der Welt stricken, also warum nicht albumlange Einblicke in den Mikrokosmos zwischenmenschlichen Wahnsinns? Dabei muss der Humor nicht ganzheitlich auf der Strecke bleiben. Endlich beschäftigt sich ein Song mit der heilsamen Kraft einer "Romcom". Jene durch und durch seichte Liebeskomödie, die alle kritischen Phasen überwindbar scheinen lässt und ein Happy-End vor den Abspann hämmert. Es ist eine Wohltat, mit anhören zu können, dass humorige Verständigungsprobleme zwischen Mann und Frau sich nicht ausschließlich in "Kennste-Kennste-Anekdoten" von Mario Barth erschöpfen müssen.
Mine und Fatoni hantieren mehr mit Nachvollzieh- und Nahbarkeit als mit abgedroschenen Klischees. Manchmal melancholisch wie im Titeltrack, durchweg überehrlich und immer detailverliebt, schnürt sich das Duo die komplette Bagage der Emotionen auf den Rücken. Wenn die mühsam abgesteckten Relationship-Goals zur Farce verkommen, können sich scheinbare Banalitäten des Alltags zum Spießrutenverlauf mausern. Im Grunde genießt dann jeder nur noch das Verdrängen. Der Wunsch nach Harmonie ist ein permanenter, selbst wenn alles um einen herum vor die Hunde geht. "Mehr" vertont solch ein Scheitern eigener Ansprüche in der Partnerschaft. Aber wofür gibt es "Schminke"? Sie setzt die rosarote Brille einfach auf jede Schramme, die Zweifel schürt. Solange die menschlichen Makel noch fröhlich wegakzeptiert werden können, ist die Situation wenig bedrohlich. Dabei gelingt es dem Song, leichtfüßig wie das Schweben auf der Wolke mit der besonderen Zahl zu bleiben.
Weil Liebe aber stets aufwühlend ist, kommen hier und da tragende Streicher und Orgelklänge zum Einsatz. Die Resonanzböden für die zehn Songs mit Realitätsgarantie sind ziemlich abwechslungsreich. In "Traummann" singt Mine kokett nach stimmigem Intro von der ständigen Versuchung, dem Optimierungswahn zu verfallen. Der derzeitige Lebensabschnittsgefährte kann schließlich immer und überall ein Update erfahren. Tinder und Co. machen es möglich, solange die eigene Silhouette anziehend genug wirkt. Dennoch hat ebenso das Herz ein Wörtchen mitzureden. Es gibt die Richtung vor und kotzt sich mit Fatoni am Mikrofon in "Fundament" so richtig aus. Der Autotune-Track "Tattoo" überspannt den Bogen der Experimentierfreudigkeit ein wenig zu stark. Der Abschluss "Erdbeeren ohne Grenzen" löst sich sogar aus dem thematischen Korsett der Zweisamkeit und wagt den Blick auf die gegenwärtige Musiklandschaft. Auch dort gibt es jede Menge zu tun. Mine und Fatoni bleiben mit Sicherheit dran.
Highlights
- Alle Liebe nachträglich
- Schminke
- Erdbeeren ohne Grenzen
Tracklist
- Romcom
- Aua (feat. Danger Dan)
- Mehr (feat. Tristan Brusch)
- Alle Liebe nachträglich
- Schminke
- Fundament
- Tattoo
- Traummann
- Mon cœur
- Erdbeeren ohne Grenzen
Gesamtspielzeit: 37:32 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
S.v.K. Postings: 231 Registriert seit 13.06.2013 |
2017-10-27 15:56:26 Uhr
Wahnsinnig gutes Album. Mit Sicherheit in den Top 10 2017. |
Fette Qualle |
2017-10-09 23:07:56 Uhr
whack mc |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27970 Registriert seit 08.01.2012 |
2017-10-04 20:55:22 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
yonathan |
2017-10-02 09:25:09 Uhr
hab bock drauf |
Sry Fatoni |
2017-10-01 14:31:36 Uhr
Sie ist zu gut für ihn |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Balbina; Phela; Fiva; Cäthe; Haller; Maeckes; Justus Jonas; Edgar Wasser; Antilopen Gang; Juse Ju; Retrogott; Audio88; Yassin; Fabian Römer; Maxim; Mister Me; Tristan Brusch; Nisse; Tüsn; Namika; Dota; Prag; Hildegard Knef; Lary; Alexa Feser; Sookee; Judith Holofernes; Naima Husseini; Miss Kenichi; Alin Coen Band; Desiree Klaeukens; Dear Reader; Enno Bunger; Felix Meyer; Bosse; Max Prosa; Miss Platnum; Liebe Minou; Joy Denalane; Anna Depenbusch; Cassandra Steen; Megaloh; Vist; Tua; Olson; Dagobert; Mia.; Soap & Skin
Bestellen bei Amazon
Threads im Plattentests.de-Forum
- Mine & Fatoni - Alle Liebe nachträglich (9 Beiträge / Letzter am 27.10.2017 - 15:56 Uhr)