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Torres - Three futures

Torres- Three futures

4AD / Matador / Rough Trade
VÖ: 29.09.2017

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Von Nerven, Kostümen und dem Zerren

Willkommen im Unterbewussten. Denn Mackenzie Scott, die unter dem Künstlernamen Torres arbeitet, hat sich für ihre Platte "Three futures" von Ursache und Wirkung verabschiedet. Die Prämisse für das dritte Album: Es sollte bloß nicht so wie das zweite Album "Sprinter" sein. Ist der 26-jährigen Songwriterin aus Tennessee gelungen. Denn "Three futures" hat vor allem tatsächlich etwas von drei verschiedenen Zukunftsentwürfen. In ihren zehn Songs finden sich Versatzstücke von Melodien und Rhythmen, alles befindet sich auf diesem Album in der steten Verwandlung. Da wäre zum Beispiel die Gitarre von Scott, die sie im Titeltrack durch so viele Effektgeräte jagt, dass sich ein paar Synthesizer im Hintergrund herbeifantasieren lassen. Und dann wären da die Texte, in denen sie munter ihre Identitäten wechselt. Die Themen: Irrungen und Wirrungen des Seins, stets in muntere Assoziationsketten eingefädelt.

"There is no unlit corner of the room I’m in", singt Scott in "Skim". Aber nur weil das Licht dort scheint, heißt es nicht, dass sich auf einmal Dinge zusammenfügen, dass sich ein Sinn ergeben muss. Scott hat sich für dieses Album tatsächlich nah an den Surrealismus begeben, sich Inspiration aus der Kunstrichtung geholt. Trotzdem zerfällt "Three futures" nicht, sondern funktioniert weiterhin nach den Gesetzmäßigkeiten des Indie-Rock. Ein "Helen in the woods" hätte sich im Katalog von PJ Harvey ebenso gut gemacht, alleine schon weil es an die komplette Dringlichkeit der britischen Sängerin erinnert. Scott kläfft in dem Song: "Helen, come out, come out! Wherever you are!" Dazu brechen Nasen, Mütter schreien. Hat ja niemand gesagt, dass sich dieses Album nicht stellenweise zu einem Albtraum entwickeln kann, weil die Assoziationskette genau hier durchläuft.

Mit all diesen Songs will Scott keinen Sinn stiften, es soll ein Album für die Sinne sein, wie sie selbst im Interview sagte. Als Künstlerin holt sie die Hörer in ihre eigene Blase, entkoppelt von der Realität. Überbleibsel aus amerikanischen Kurzgeschichten bleiben, garnieren den Weg in dieses Kunstwerk von einem Album. "My baby is nobody’s now", singt Scott – und genauso entzieht sich "Three futures" der Interpretation. In einer Zeit, in der alles nach Verstand und Sinn verlangt, schneidet Scott einfach den Faden ab. Und lässt den Hörer in einen Scherbenhaufen hinabsteigen, in dem sich die großen Erzähler der US-Literatur neben den Größen des Rock finden. Scott selbst findet ihre Stimme dabei zwischen Gesang, Gezank und Geschrei. Jede Ausdrucksform muss hier herhalten für jede Rolle. Und wenn wie in "Marble focus" sich kurz die Wolken verziehen, die Sonne hervorkommt und Scott ihrer Gitarre einfach mal die schönste Melodie des Jahres abringt, ist das ein kleines Stück Glück auf diesem Album.

Das alles macht "Three futures" mitnichten zu einem einfachen Album. Ein Hit findet sich unter keinem der zehn Songs. Stattdessen verdichtet sich die Sache mit jedem Durchlauf. Störgeräusche und verzerrte Gitarren locken in die Unsicherheit. Alles soll am Nervenkostüm zerren, um am Ende doch zu umgarnen und umarmen. Die wenigen Referenzen beschreiben Scotts Sound nur unzulänglich, denn dafür ist dieses Album zu eigenständig, zu störrisch, zu stur. Auf "Three futures" will eine Künstlerin unbedingt ihren Weg gehen. Und drückt sich mit Gitarre und Stimme aus. In aller Schönheit und in aller Hässlichkeit. Es wird dramatisch, es wird ernüchternd. Das ganze Spektrum eben. Und Scott deckt es als Torres ab. Mit allen Identitäten, Fragen und Antworten, die es so geben könnte. Schlaflose Nächte stehen bevor. Sie werden zauberhaft sein. Auf ins Unterbewusstsein!

(Björn Bischoff)

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Highlights

  • Skim
  • Three futures
  • Helen in the woods
  • Concrete Ganesha

Tracklist

  1. Tongue slap your brains out
  2. Skim
  3. Three futures
  4. Righteous woman
  5. Greener stretch
  6. Helen in the woods
  7. Bad baby pie
  8. Marble focus
  9. Concrete Ganesha
  10. To be given a body

Gesamtspielzeit: 46:06 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Crossfield

Postings: 26

Registriert seit 29.11.2017

2017-12-24 16:19:19 Uhr
Ein ganz großartiges Album - einerseits wünscht man Mackenzie Scott eine größere Bühne, andererseits würde ich die sehr intime Atmosphäre ihrer letzten Konzerte (war im November in Berlin dabei) sehr vermissen. Meine Highlights: "Skim" und die beiden abschließenden Tracks, das düster-dramatische "Concrete Ganesha" und das hypnotisierende "To Be Given a Body".

humbert humbert

Postings: 2406

Registriert seit 13.06.2013

2017-11-22 22:39:17 Uhr
Tatsächlich ein sehr tolles Album. Vor allem die letzen beiden Songs sind genial!

saihttam

Postings: 2359

Registriert seit 15.06.2013

2017-10-17 01:07:05 Uhr
Das scheint ein sehr gutes Album geworden zu sein. Wesentlich interessanter als der Vorgänger, der für mich in großen Teilen zu generischer Alt-Rock war. Die Arrangements wirken experimenteller und über die gesamte Laufzeit wird ein eigenartiger Trance-Zustand erschaffen, der eine immense Sogwirkung hat. Daa werde ich auf jeden Fall noch einige Male hören müssen.
Audiophilosoph
2017-09-27 20:49:05 Uhr
Oha, ein Album, welches auf meiner Einkaufsliste steht, wird Album der Woche bei Plattentests. Ich kann mich nicht erinnern, wann das schon einmal vorgekommen wäre.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2017-09-27 20:16:52 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

"Album der Woche".

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