Kadavar - Rough times

Nuclear Blast / Warner
VÖ: 29.09.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Bart, aber herzlich
Wenn man vom Rock'n'Roll leben möchte – und dazu haben sich Kadavar eingeschworen –, bleibt nichts anderes übrig, als ranzuklotzen. Dabei darf einem natürlich nicht die Puste ausgehen. Wie drei störrische Rennpferde preschen die Berliner voran, und das mittlerweile bereits seit sieben Jahren und vier Alben, ohne Pause. Das Ziel, den deutschen Retro-Rock-Olymp zu erklimmen, stets vor Augen. Klar, die Musik ist unangepasst und aus der Zeit gefallen. Von den Bärten, Schlaghosen und Plateauschuhen ganz zu schweigen, irgendwo zischen Berlin-Mitte-Hipster und Vintage-Rocker. Aber das gehört nun mal so.
"Wenn jemand aus einem einzigen Riff einen siebenminütigen Track macht und das als etwas Cooles verkauft, denke ich, dass er in Wahrheit einfach nur zu blöd ist, um ein gutes Lied zu schreiben", lauten die weisen Worte von Sänger und Gitarrist Lupus. Und das zeigt er auch auf "Rough times". Die zehn Tracks sind in ihrer Kompaktheit überraschend vielseitig und stets auf den Punkt gegart, von Schwergewichten wie "Into the wormhole" oder auch "Skeleton blues" bis hin zum melancholischen "The lost child". "Rough times" ist bisher eindeutig das ausgereifteste Werk des flotten Dreiers aus der Hauptstadt. Doch auch der Schweiß der vergangenen Monate tropft hier aus den vibrierenden Lautsprechern, der sich nicht nur bei den ekstatischen Live-Shows aus den Bärten der Protagonisten ergießt, sondern auch beim hemdsärmligen Sägen und Schrauben im überfälligen Neuköllner Kadavar-Headquarter im vergangenen Winter auf der Stirn glänzte.
Die geradlinige Single "Die baby die" ist nur ein Beispiel für kongeniales Songwriting aus der Feder von Christoph "Lupus" Lindemann, Christoph "Tiger" Bartelt und Simon "Dragon" Bouteloup. Lupus bringt sowohl die gewichtigen Riffs – wie im Opener demonstriert –, aber auch die allumfassenden Melodien, beispielsweise im Chorus von "Vampires". Im hypnotischen "Tribulation nation" hält sich Drummer Tiger bewusst zurück, während er stoisch auf die Kessel hämmert. Und überhaupt, wer braucht schon Becken – dafür bleibt mehr Platz für den Fuzz-Bass des französischen Neuzugangs Dragon. "Words of evil", vielleicht die minimal schwächste Nummer, ist immerhin ein geradliniger Space-Rocker à la Hawkwind, bei dem auch Lemmy wohlwollend aus dem Grab zuprosten würde. Cheers to that! Gegen Ende wird es luftig-sphärisch, wenn Stücke wie das retro-balladeske "The lost child" fast schon zerbrechlich und intim wirken – vor allem beim geklampft und gepfiffenen Outro. Was für ein Kontrast! "You found the best in me" ist derweil ein lauschiger und leicht bekiffter Hippie-Schunkler, bevor das mystische "A l'hombre du temps" mit Weltraumorgel und französischer Poesie das Album abrundet.
Spätestens seit ihrem letzten Album und Nuclear-Blast-Debüt "Berlin", welches auch formidable Charts-Platzierungen einholte, sind die Hauptstädter auch international eine Nummer in der Psychedelic- und Proto-Rock-Branche, wobei sie hierzulande noch immer als kuriose Randerscheinung wahrgenommen werden. Sie teilten sich bereits die Bühne mit Saint Vitus, Pentagram oder Sleep, spielen mittlerweile jedoch eigene Shows jenseits der 1000er-Grenze. Nachdem nach der Jahrtausendwende viele Stoner-Bands ihre Zuneigung zu immer doomigeren Riffs entdeckten, entschieden sich Kadavar zu einem melodischeren Ansatz und orientierten sich an New-Psych-Bands wie Graveyard oder Witchcraft – auch wenn sie nun zumindest in der ersten Hälfte von "Rough times" gehörig die Abrissbirne schwingen. Oder ist es doch nur eine gut getarnte Diskokugel?
Highlights
- Rough times
- Die baby die
- Vampires
- The lost child
Tracklist
- Rough times
- Into the wormhole
- Skeleton blues
- Die baby die
- Vampires
- Tribulation nation
- Words of evil
- The lost child
- You found the best in me
- A l'hombre du temps
Gesamtspielzeit: 44:53 min.
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Referenzen
Sleep; Pentagram; Saint Vitus; Black Sabbath; Windhand; Graveyard; Witchcraft; Hawkwind; Electric Wizard; Blues Pills; Mantar; Monolord; Kyuss; Queens Of The Stone Age; Masters Of Reality; Horisont; Greenleaf; The Vintage Caravan; Truckfighters; Mars Red Sky; Colour Haze; The Flying Eyes; The Sword; Stoned Jesus; All Them Witches; Brant Bjork; Red Fang; 1000mods; Black Mountain; Monster Magnet; Sasquatch; Nebula; Ufomammut; Conan; Naxatras; Wolfmother; Salem's Pot; DeWolff; Pontiak; Wolf People; Death Alley
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