Rat & Co - Third law

Smooch / Membran
VÖ: 25.08.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Odyssee im Albtraum
Als Astronaut Dave Bowman in Stanley Kubricks "2001 – A space odyssey" den rebellierenden Supercomputer HAL 9000 nach und nach abschaltet, fängt dieser an, das Kinderlied "Daisy Bell" zu singen. Es ist eine monumentale Szene der Sci-Fi-Geschichte, da sich hier das Verhältnis von Mensch und Maschine umkehrt. HAL scheint im Angesicht seines drohenden Endes aufrichtige Emotionen wie Angst zu verspüren, während Bowman als sein gewissensloser Mörder dargestellt wird. Schön und gut, aber warum ist dieser cineastische Exkurs in die Spät-60er an dieser Stelle relevant? Zum einen, weil "Third law", das bereits dritte Album von Rat & Co, direkten Bezug auf diese Szene nimmt, indem der Song "Noslo" einen "Daisy Bell" singenden Computer samplet. Zum anderen aber auch, weil das australische Trio auch hier mit dem Kontrast von Natur und Technik spielt und die Übergänge zwischen diesen so gegensätzlich wirkenden Entitäten verschwimmen lässt.
Dieses Konzept ist nichts Neues für das Kollektiv um Joshua Delaney, der als Bassist unter anderem bereits mit Landsmann Nick Murphy alias Chet Faker gearbeitet hat. Schon auf dem ebenfalls großartigen Vorgänger "Binary" kombinierten Rat & Co elektronische Arrangements mit einem Bandansatz und auf "Third law" denken sie ihre Ideen konsequent weiter, verweben Ambient-Teppiche und von instrumentalem HipHop beeinflusste Beats mit organischen Drums und Gitarrenfiguren. Der Opener "A place called home" setzt zaghafte Pianotupfer in Kontrast zu entmenscht klingenden Vocal-Fragmenten und entwirft ein leises Bedrohungsszenario, das im Folgenden weiter ausformuliert wird. "A.I" klingt wie Alt-J durch einen Albtraumfilter geschickt, das aggressive Sample eines mittelöstlichen Saiteninstruments bricht über den Hörer herein und Klangschichten stapeln sich, bis ein unheilvoller Ritualgesang schließlich die Oberhand gewinnt.
"Soldiers" bietet mit Harmony Byrnes traumhafter Stimme einen kurzen Erlösungsmoment, der durch "Rumble", den wohl intensivsten Track der Platte, wieder jäh unterbrochen wird. Dunkle Ambient-Flächen und nervöse Beats schnüren die Kehle zu, der Alb hat auf der Brust des Hörers Platz genommen und macht keine Anstalten, diesen jemals wieder zu räumen. In der ersten Hälfte ist "Third law" ein Album, auf dem die Düsternis regiert, was es umso wirkungsvoller macht, wenn nach dem auf einem Trap-Beat aufgebauten "I'm not dead" plötzlich das Licht hereingelassen wird. "West en" ist ein an Explosions In The Sky und Konsorten erinnerndes Post-Rock-Stück, das mit Synthies, echten Drums und optimistischen Gitarrenlicks den zuvor eiskalten Raum mit Wärme erfüllt. In "Control" klingt Delaneys Stimme trotz Autotune zum ersten Mal menschlich und nahbar, während das abschließende "There is no help" mit seiner mystischen, natürlichen Schönheit sogar kurz Sigur Rós ins Gedächtnis ruft.
Durch "Onsen boy" zieht sich unvermittelt eine Slide-Gitarre und markiert den Moment, an dem sich das Kopfkino endgültig gewandelt hat. "Third law" erzeugt Bilder einer leeren, möglicherweise postapokalyptischen Welt, doch was zu Beginn noch angsteinflößend erschien, wirkt spätestens jetzt deutlich hoffnungsvoller. Auf jeden Albtraum folgt ein Erwachen und jedes Ende ist immer auch der Beginn von etwas Neuem. Womit wir auch wieder bei Kubricks Meisterwerk wären, das damals ein ganzes Genre zäsiert und die Tür für eine neue, intelligente Form von Science-Fiction geöffnet hat. Einen solchen Status wird "Third law" vermutlich nicht erreichen, eine wichtige Botschaft vermitteln Rat & Co hier dennoch: Die Zusammenkunft von Mensch und Maschine ist nicht zwingend etwas, das einem schlaflose Nächte bereiten muss.
Highlights
- A.I.
- Rumble
- West en
- There is no help
Tracklist
- A place called home
- A.I.
- Soldiers
- Rumble
- Error
- I'm not dead
- West en
- Noslo
- Nerd Lock
- Vail
- Control
- Onsen boy
- There is no help
Gesamtspielzeit: 40:44 min.
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