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Hypochristmutreefuzz - Hypopotomonstrosesquipedaliophobia

Hypochristmutreefuzz- Hypopotomonstrosesquipedaliophobia

Fons
VÖ: 11.08.2017

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Neues vom Noise

Einen an der Waffel statt belgischer Waffeln – so lautet das musikalische Resümee nach dem Hören des Albums dieses räudigen Quintetts aus Gent. Hypochristmutreefuzz, das ist ein kollektiver Wahnsinn, zusammengezimmert aus den mit Splittern versehenen Brettern Noiserock, HipHop und Elektro. Die hier von den Belgiern verwendeten Soundpfeiler würde wahrscheinlich freiwillig kein Architekt bei klarem Verstand durchwinken. Allerdings wollen diese audiophilen Abrissbirnen mit ihrem Debüt auch keinen gesunden Eindruck erwecken, sondern machen aus ihrer geistig verrotteten Verfassung keinen Hehl. Und fackeln dabei einen Flächenbrand ab, das jeden Crossover-Hybriden niederbrennt und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Wer vor dieser nach Tod und Verderben stinkenden Bretterbude demütig sein Haupt senkt, kann im verkohlten Parkett die eingeritzten Initialen von Butthole Surfers oder Mr. Bungle erkennen. Und kann sich fortan denken, in welcher Wohngemeinschaft sich Hypochristmutreefuzz pudelwohl fühlen. Schöngeister sollten der Band also schnellstmöglich Hausverbot erteilen.

Dabei lassen die Musiker noch nicht einmal mithilfe von übermäßigem Gitarreneinsatz oder gar Double-Bass-Terror die Muskeln spielen, sondern schicken unbedarfte Konsumenten vielmehr mittels hinterhältiger und unvermittelt zuschlagender Lärmhinterhalte zu Boden. Während der Beat in der Regel relativ gesittet und in einem überschaubaren Tempo nach vorne marschiert, sind es eher die flankierenden Störgeräusche, die jedem Geradeaushörer die Sinne vernebeln. Zwischen Distortion und Dystopie: Es dengelt, fiept, kreischt, klatscht, wispert, seufzt und scheppert, dass es eine wahre Freude ist.

"Hypopotomonstrosesquipedaliophobia" atmet im Geiste die Noise-Seltsamkeiten eines Captain Beefheart und hievt diese produktionstechnisch in die Jetztzeit. Die Belgier nutzen dabei eine Soundsprache, die sich im Feedback-Nebel verirren kann, aber auch von brutalen Beats Ordnungsklatschen in Reihe kassiert, etwa in "Gums smile blood". Dazwischen bringt bei "Hypochondria" ein geradezu samtig eingesungener Refrain etwas Linderung in die schäbige, von runtergepitchten Massenmörder-Vocals versehrte Tracklist. Keine Frage, das zerrt an den Nerven, ist düster und emotional harter Tobak – der allerdings süchtig macht.

Die Band um Chef-Weirdo und Front-Kreischer Ramses van den Eede gönnt sich und dem Publikum eine fein austarierte Mischung aus knochentrockenem Groove, gotischem Penny-Dreadful-Feeling, fiesesten Noise-Attacken und HipHop-Beats aus der Klapse. Das belgische Pendant zu Die Antwoord überspannt dabei zu keiner Sekunde den Bogen in eine der jeweils eingeschlagenen Richtungen, sondern bleibt immer auf den gerade aktuellen Sound fokussiert. Eine vergleichsweise chillig gesungene Nummer wie "One trick pony" mit Noise-Zugabe im Finale tanzt harmonisch und irre kichernd um Tracks mit Rapeinlagen wie "Clammy hands" oder das funky Ungetüm "Elephantiasis" herum.

Diese mit allen Konventionen brechende Chuzpe bescherte diesen musikalischen Intensivtätern sogar schon Schulterklopfer aus dem Feuilleton, etwa vom britischen Guardian. Doch keine Angst: Das ist keine Kunst und kann definitiv auch nicht weg. Selbst wenn sich die Band bei ihrer Namensrecherche frech bei einem Songtitel der Jazzer vom Misha Mengelberg Quartet bedient hat, stellt sich "Hypopotomonstrosesquipedaliophobia" in seinem Willen zum Experiment keinesfalls selbst ein Bein, sondern federt über eine Spielzeit von 38 Minuten durchgängig energetisch nach vorne. Chapeau!

(Oliver Windhorst)

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Highlights

  • Hypochondria
  • Elephantiasis
  • Clammy hands

Tracklist

  1. Finger
  2. Gums smile blood
  3. Hypochondria
  4. Chromakalim
  5. Music of spheres
  6. Elephantiasis
  7. Clammy hands
  8. Don't drown
  9. One trick pony
  10. The spitter

Gesamtspielzeit: 38:06 min.

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User Beitrag

Watchful_Eye

User

Postings: 2918

Registriert seit 13.06.2013

2017-08-08 03:23:14 Uhr
Der Name der Band ist vermutlich an ein altes Jazzstück angelehnt. Ich hab einen Song mit dem Titel auf dem Livealbum "Last Exit" von Eric Dolphy, wobei ich dazu sagen muss, dass es sich dabei um keinen Originaltrack von Dolphy handeln soll.

Zu der Musik muss ich mir noch eine Meinung bilden. ;)

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 33841

Registriert seit 07.06.2013

2017-08-07 20:08:24 Uhr
Haha, klingt geil. Und der Name! Und Der Albumname!
M. P.
2017-08-07 19:43:45 Uhr
supercalifragilisticexpialidocious

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27807

Registriert seit 08.01.2012

2017-08-06 20:46:38 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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