Ghostpoet - Dark days & canapés

PIAS / Rough Trade
VÖ: 18.08.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Grumpy Rap
Nein, Obaro Ejimiwe sieht sich vermutlich auch auf seinem vierten Album "Dark days & canapés" nicht als Rapper. Die Berufsbezeichnung passt hier sowieso mehr denn je nicht. Ejimiwe ist ein Künstler ist Ghostpoet ist Dichter ist Denker. Stillstand? Bringt Ejimiwe nicht voran. Deswegen folgt der nächste konsequente Schritt im Sound: Auf "Dark days & canapés" herrscht vor allem das dichte Klangbild einer Band vor. Synthesizer dürfen für einzelne Spuren und Effekte ran, die Beats übernimmt aber fast durchgängig ein Schlagzeug. Was nicht heißt, dass auf diesem Album auf einmal der Frohsinn um sich schlägt. Denn Ejimiwe zieht diese organischen Momente ebenfalls in die bekannte Dunkelheit seines künstlerischen Schaffens.
In "Many moods at midnight" verstärkt den Rhythmus ein Klavier, das sich aber zu keiner Melodie durchringen kann. Der ganze Song profitiert unglaublich von diesem neuen Ansatz. Bereits in der frühen Phase der Entstehung dieses Albums holte sich Ejimiwe den Produzenten und Musiker Leo Abrahams dazu, der wiederum bereits mit Brian Eno und Jon Hopkins zusammengearbeitet hat. Und tatsächlich hat der Sound von Ghostpoet durch diese Personalie eine neue Tiefe bekommen, viele Songs entwickeln über die Zeit weitere Schichten, um sich vom klassischen Ansatz im Aufbau zu lösen. In "Freakshow" übernimmt eine Gitarre die führende Position innerhalb der Instrumentierung, während der Bass in den Strophen einen unterschwelligen Groove in das Stück schleust. Doch es bleiben über das gesamte Album vor allem die Drums, die den Takt angeben und den deutlichsten Eindruck von Ejimiwes neuem Ansatz hinterlassen.
Dabei hat er sich selbst bei seinen Texten mehr dem Konkreten zugewandt. Die Assoziationsketten laufen weiterhin, doch in "Blind as a bat …" nimmt die Geschichte sehr greifbare Formen an. Ein Kontakt zerbricht, eine Person verzweifelt an sich selbst. Der "Immigrant boogie" holt Politisches auf das Album, vielleicht deutlicher als in jedem anderen Song von Ejimiwe bisher. Schließlich sorgte nur der Zufall der Geburt dafür, dass es niemand von uns ist, der für ein besseres und friedliches Leben auf einem kleinen und schäbigen Boot über das Mittelmeer schippern muss. Dementsprechend branden die Instrumente am Ende des Songs nochmal auf. Ejimiwes Themen bleiben die dunklen Gedanken, die in der Nacht die Köpfe der Menschen heimsuchen. Grumpy Rap vom ersten bis zum letzten Song. Aber die Welt gibt im Augenblick kein besseres Bild ab.
Denn Ejimiwe ist Realist, wenn er sich selbst als Künstler und nicht als Rapper verortet sehen will. Natürlich macht Ghostpoet vor allem HipHop, UK-Rap eben. Doch mit 34 Jahren dürfte sich Ejimiwe diesen Zuschreibungen längst entwachsen fühlen. Was er ja sowieso schon immer war. Doch mit "Dark days & canapés" wahrscheinlich noch mehr. Denn kaum jemand entwickelt seinen eigenen Sound, seine eigene Vision so konsequent, so zuverlässig weiter wie Ejimiwe. Da sind Zuschreibungen sowieso egal. Hier schafft ein Künstler ein Werk, hier schafft Ghostpoet sein Werk. Das muss reichen. Das wird reichen.
Highlights
- Many moods at midnight
- Freakshow
- End times
Tracklist
- One more sip
- Many moods at midnight
- Trouble + me
- (We're) Dominoes
- Freakshow
- Dopamine if I do
- Live>leave
- Karoshi
- Blind as a bat ...
- Immigrant boogie
- Woe is meee
- End times
Gesamtspielzeit: 44:34 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Ilu Postings: 308 Registriert seit 13.06.2013 |
2017-12-01 16:48:38 Uhr
Die 8,5 von vor zwei Monaten sehe ich aktuell auch nicht mehr. Das kann dann doch nicht ganz an die überragenden "Peanut Butter ..." und "Shedding Skin" anknüpfen, eher auf einem Niveau mit dem Zweitling. |
Loketrourak Postings: 2645 Registriert seit 26.06.2013 |
2017-11-30 13:09:27 Uhr
Ich finde "Dark Days..." auf Strecke etwas eintönig. |
Ilu Postings: 308 Registriert seit 13.06.2013 |
2017-09-05 00:06:31 Uhr
Wieder ein ganz und gar hervorragendes Album. Einer der am konstantesten abliefernden Künstler der letzten Jahre, ich sehe die Alben so:Peanut Butter Blues & Melancholy Jam - 9/10 Some Say I So I Say Light - 7/10 Shedding Skin - 9/10 Dark Days & Canapés - aktuell Richtung 8,5/10 |
Ach du liebe Zeit |
2017-08-08 11:18:46 Uhr
"Denn kaum jemand entwickelt seinen eigenen Sound, seine eigene Vision so konsequent, so zuverlässig weiter wie Ejimiwe."Was für ein unsäglicher Quatsch. Warum wird sowas gedruckt? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28017 Registriert seit 08.01.2012 |
2017-08-06 20:46:06 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
DELS; SBTRKT; King Midas Sound; Tricky; Massive Attack; Portishead; James Blake; Jamie Woon; Katy B; Shabazz Palaces; Sound Of Rum; Mr Beatnick; The Streets; Dizzee Rascal; Wretch 32; Wiley; Gonjasufi; Teebs; Baths; Taylor McFerrin; Roots Manuva; Spoek Mathambo; Sotu The Traveller; Pursuit Grooves; 8bitch; Cris Prolific; Grooveman Spot; The Child Of Lov; Floating Points; Ty; Elaquent; Fulgeance; Letherette; Baloji; Ramadanman; Illum Sphere; Om Unit; Pedestrian; Full Crate; Shigeto; Paul White; Theophilus London; Analogue Monsta; Speech Debelle; Gil Scott-Heron
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