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Gerard - AAA

Gerard- AAA

Futuresfuture / Soulfood
VÖ: 23.06.2017

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Leicht Skinner

Gerard war mal MC. Also dieses Kürzel stand zumindest in seinem Künstlernamen. Schon bevor das viel beachtete Album "Blausicht" herauskam und der Österreicher berechtigterweise einen kleinen Hype erlebte, erschien der Verweis auf den Meister der Zeremonie ein bisschen deplatziert. Dieser richtige Realkeeper-Rap war nie das Ding des kunstbegeisterten Vokalisten, der nun über ein eigenes Label veröffentlicht, das sich nicht weniger auf die Fahne schreibt, als die Zukunft der Zukunft zu sein. Demnach ist "AAA" auf keiner Cloud-Rap-Wolke zu Hause, schreit nirgends den Turn Up herbei und erzählt mit Sicherheit nicht mit den Mitteln des Raps, wie Rap zu sein hat. Genauso wie der Vorgänger "Neue Welt" sind die Sound-Wort-Experimente sehr eigenbrötlerisch und mit einem gewissen Anspruch versehen, der zugleich abschreckt und anzieht. Zugänglichkeit und Szene-Standards stehen nicht auf Gerards Agenda. An kuriosen Reimketten und Sprechgeschwindigkeitsrekorden sollen sich bitte andere abrackern.

Eine Kopfstimme, die von Ordnung fabuliert, welche durch Chaos entstünde, bringt "AAA" in Stellung. Dieser kurze, verletzliche Auftakt zu einer Rap-Platte besitzt wahrscheinlich mehr Sensibilität für die menschliche Seele als seitenlange philosophische Abhandlungen. Selbst Casper, der im Zuge des Albums "Blausicht" öfter als stilistischer Nachbar benannt wurde, eröffnete sein gefühliges Opus-Magnum "XOXO" mit einem Knall. Gerard beginnt mit Introspektion auf halligen Claps. Am ehesten lässt sich der ewig selbstzweifelnde Maeckes als Vergleich heranziehen. Kein Wunder: Die zweite Platte als namentlicher MC, die auf den Titel "Blur" hörte, hat das Orsons-Mitglied produziert. Dann hören die Überschneidungen aber auch auf. Wo sich Maeckes an organischem Liedermacher-Klängen anschmiegt, biegt Gerard auf die elektronische Schiene und huldigt nicht nur mit dem Song "The Streets" dem Lebenswerk von Mike Skinner. Wien ist zwar nicht London, aber der authentische Sound zum Großstadt-Gefühl, den Skinner wie kaum ein anderer entworfen hat, blitzt ebenso auf "AAA" hervor. Für eine Offenlegung der Inspirationsquellen ist sich der Futuresfuture-Gründer nicht zu schade: "In meinem Kopf spielen die Geigen von 'It's too late' / Von The Streets, c'est la vie".

Jene Zeile ist stellvertretend für die eher feinsinnigen Darstellungen, an denen das Temperament einer Metropole mitunter abzuperlen scheint. Anstelle von Straßenjargon bedient sich Gerard beim Schulfranzösisch und musikalischen Deutungen. Die Schnoddrigkeit, mit welcher der UK-Rapper Skinner alles von der Kneipenschlägerei bis hin zum selbstzerstörerischen Rausch glaubhaft wegerzählte, findet bei der Wiener Interpretation nicht statt. Jeder Vers wirkt präzise erstellt. Der studierte Rechtswissenschaftler installiert seine Musik. Damit erscheint sein Output manchmal zu klug, zu durchdacht oder schlichtweg nicht ignorant genug. Die große Karriere blieb ihm nach "Blausicht" verwehrt. Jener Nachfolger "Neue Welt" eröffnete sich kurz und schloss sich recht schnell wieder. Das aktuelle Album führt die Werke zusammen und pendelt zwischen Melancholie und Club-Atmosphäre. Die kompromissloseren Elektro-Songs wie "Konichiwa" und "Moonbotica Mond" funktionieren für sich, weil sie einem das kurze Abschalten gestatten. Der Rap-Bezug dringt trotzdem regelmäßig an die Oberfläche. "Mehr" zitiert das DJ Khaled-Mantra "All I do is Win" oder deutscht das allseits bekannte "Forever. Forever? Forever ever. Forever ever?" von Outkast ein. Generell flimmern zwischen den abstrakten Lyrics ständig Referenzen und Verweise auf die Pop-Kultur hindurch. Wie lange transportiert Gerard seine Gedanken noch auf diesem Vermarktungsweg? Die CD hält er für ein ausgedientes Konzept. Mike Skinner ist momentan als Party-DJ unterwegs. Ob das was ist?

(Michael Rubach)

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Highlights

  • Chaos
  • Konichiwa
  • The Streets
  • Moonbotica Mond

Tracklist

  1. Chaos
  2. Mehr
  3. Konichiwa
  4. Play/skip (feat. Naked Cameo)
  5. Luftlöcher
  6. Fliege davon (feat. Schönbrunner Gloriettenstürmer)
  7. The Streets
  8. Wolken aus Gold
  9. Jetpacks
  10. Moonbotica Mond
  11. Eins zu Eins
  12. Frösche (feat. I Salute)

Gesamtspielzeit: 36:44 min.

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Armin

Plattentests.de-Chef

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Registriert seit 08.01.2012

2017-07-19 21:46:06 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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