Nimo - K¡K¡

385idéal / Urban / Low Spirit / Universal
VÖ: 16.06.2017
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Nah am Ready-made
Keine Ahnung, ob Nimo tatsächlich Marcel Duchamp kennt. Der Franzose hielt der Kunstwelt den Spiegel vor, indem er gewöhnliche Gegenstände kraft seines Namens als Kunst deklarierte. "Fountain" – ein vormals herkömmliches Pinkelbecken – ist wohl das bekannteste Erzeugnis dieser Herangehensweise. Jaja, der Vergleich hinkt jetzt natürlich schon, weil allein das Musikmachen ein schöpferischer Akt ist und Komposition sowie Text nicht einfach rumstehen oder -liegen. Dennoch tut der junge Rapper sehr viel dafür, um seinen neuesten Streich "K¡K¡" eigenmächtig zum Kunstwerk zu erklären. Es scheint für ihn eine unsichtbare Grenze zwischen den Künstlern auf der einen und den Rappern auf der anderen Seite zu geben. Zumindest weist Nimo, der vor einem Jahr mit seinem Digital-Release "Habeebeee" durch die Decke ging, in einigen Interviews auf den Kunstgehalt seines Outputs hin. Ein Album ist kein Urinal, aber unter der Schwemme an Trap-Rap, die aktuell über Deutschland hereinbricht, ist es vielleicht notwendig, so ein Statement vom Stapel zu lassen. Eine CD hat ja auch viel von einem Alltagsgegenstand oder verweilt wenigstens als Gegenstand des Alltags in Regalen.
Sonstige artifizielle Kniffe beginnen schon mit dem Titel. "K¡K¡" entpuppt sich als ein Begriff, den es eigentlich gar nicht gibt. Es sind Zeichen, die das Gefühl eines Moments oder einer Zeile einfangen. Ähnliches hat auch 385idéal-Gründer Abdi vom Frankfurter Rap-Duo Celo & Abdi in petto. Er nutzt seit Jahren den Ausdruck "stöff", ohne dass ein Sinn dahinter zu vermuten wäre. Es zeugt von Selbstvertrauen, sein Debüt mit etwas prinzipiell Sinnenentleertem zu überschreiben. Diese Kunstfreiheit und die damit einhergehende Abgrenzung vom reinen Rapper-Dasein führt "Michelangelo" dann brachial aus. Inklusive Anleihen an den Mixtape-Hit "Nie wieder", Autotune und stabiler Namen-Wiederholungs-Hook entwirft Nimo den prototypischen Trap-Banger. Die ehemalige Trendrichtung, die mittlerweile ein ganzes Genre zu dominieren scheint, bildet die musikalische Grundlage für alles Nachstehende. Die Beeinflussung durch Afro-Trap und französische Artists ist unüberhörbar. Das ist aber nicht weiter wild, weil es dazu führt, dass das Album um einiges stimmiger wirkt als die vorige Veröffentlichung. Trotz der oftmals rohen Sprache, die einen Hiphop-Hörer heutzutage aber eh kaum noch juckt, vermittelt Nimo eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass er überhaupt diesen Weg beschreiten kann. Mit den Erfolgsstufen auf der Karriereleiter kommen bekanntlich die Neider. Denen gibt das Flow-Talent auf "LFR" mit verschmitztem Lächeln warme Worte auf den Weg.
Sowieso bleibt der autobiografische Anteil recht hoch und die Einordnung der momentanen Lebensumstände vorherrschendes Thema. Auf "Is so" mit Olexesh berichtet der Sohn iranischer Eltern, dass er kurz vor Tourstart beinahe weggeschlossen worden wäre: "Ach, vergiss Dein'n Termin, ich tanz' eh nicht an / Zwanzigtausend Kaution, hab' Gericht verschlafen." Die anschließenden ständigen Drohungen an die Staatsgewalt laufen unter: jugendlich unreflektiert. Solche Textstellen, die sich wie eine holprige Aufzählung lesen, werden durch Betonung, Stimmeinsatz und Slang-Vokabular zu einer flüssigen Botschaft. Dieses Spiel mit den Redensarten ist spätestens durch Haftbefehl massentauglich kultiviert worden. Neben dem Hauptprotagonisten greift auch nahezu jeder zum Mikrofon, der mit dem Camp um die Azzlackz in Verbindung steht. Dabei sticht zum einen besonders Hanybal hervor, der es sogar vollbringt, einfachste Haus-Maus-Reime mächtig klingen zu lassen. Zum anderen befördern Yung Hurn und Ufo361 den Weirdo-Charme des Tracks "Wie Falco", der wenig bis nichts mit dem verstorbenen Musikidol zu tun hat. Es geht mehr um den Stand bei Frauen. Das ist schon fast Dadaismus. Womit Marcel Duchamp ebenso einiges zu tun hatte. Nimo hat sich in Stellung gebracht und besticht zusätzlich knapp unter Joseph-Beuys-Level durch prägnante Kopfbedeckungen. Mode – noch so ein Kunstding.
Highlights
- Michelangelo
- Let's go amina (feat. Hanybal)
- LFR
- Wie Falco (feat. Yung Hurn, Ufo 361)
Tracklist
- Michelangelo
- Veni vidi siktim
- Rettung naht
- Let's go amina (feat. Hanybal)
- Heute mit mir
- Hoodie (ft. Soufian)
- LFR
- Hype (feat. Celo & Abdi)
- Warum hasst ihr mich
- Is so (feat. Olexesh)
- Battalion
- Nutte hier bin ich (feat. Haftbefehl
- Patte
- Hätte ich niemals gedacht
- Wie Falco (feat. Yung Hurn, Ufo361)
- Irgendwann
Gesamtspielzeit: 61:10 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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edegeiler (unangemeldet) |
2017-07-10 12:23:49 Uhr
Ich bin halt gay. |
edegeiler Postings: 3105 Registriert seit 02.04.2014 |
2017-07-05 22:54:53 Uhr
Schöne Rezi, Kompliment...wo hat plattentests denn auf einmal einen her, der weiß wovon er redet? Nur die Worte Dadaismus und Haus-Maus-Reime bitte in Zukunft in keinen Hiphop Besprechungen mehr bringen. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27973 Registriert seit 08.01.2012 |
2017-07-05 21:10:10 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Booba; MHD; Kaaris; PNL; Future; Kanye West; A$AP Ferg; Young Thug; Travis Scott; Drake; French Montana; Rae Sremmurd; 2 Chainz; Gucci Mane; Fler; RAF Camora; Bonez MC; Kontra K; Azzi Memo; Bausa; Capo; Soufian; Haftbefehl; Olexesh; Yung Hurn; Ufo 361; Shindy; Rin; Jean-Cyrille; Holy Modee; Ahzumjot; Haiyti; Joey Bargeld; Luciano; Mauli; Zuna; Azet; Miami Yacine; Nash; KMN Gang; Juicy Gay; Sierra Kidd; Hanybal; Azad; Chima Ede; Trettmann; LGoony; Crack Ignaz; Tua; Manuellsen; Takt32; Mister Mex; Sero; Ce$; Lü Rique; Hustensaft Jüngling; Massiv; Xatar; Schwesta Ewa; Celo & Abdi; Marvin Game; Jeyz; Eko Fresh; Kool Savas; Bushido; Sido; Deine Lieblingsrapper; Harris; B-Tight; Tony D; Frauenarzt; King Orgasmus One; Bass Sultan Hengzt; K.I.Z.; The Notorious B.I.G.; Tupac; N.W.A.; Eazy-E; Kool G Rap; Public Enemy; Ice Cube; Raekwon; AZ; Mobb Deep; Ice-T; OutKast; Master P; Mystikal; Nas; DMX; 50 Cent; Eminem