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Radiohead - OK computer OKNOTOK 1997 2017

Radiohead- OK computer OKNOTOK 1997 2017

XL / Beggars / Indigo
VÖ: 23.06.2017

Unsere Bewertung: 10/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Zero gravity

>Sing us a song, a song to keep us warm<

Ohne jeden Zweifel ist Radioheads "OK computer" eines der wichtigsten Alben der jüngeren Musikgeschichte. Dabei hat die 1997 veröffentlichte LP nicht unbedingt ein Genre geprägt, so wie "Nevermind" den Grunge oder "(What's the story) Morning glory?" den Britpop. Nein, "OK computer" ließ sich viel weniger kategorisieren, entzog sich jeder simplen Einordnung und wirkt gerade deswegen bis zum heutigen Tag noch frisch und reizvoll: Jeder der zwölf Songs entfaltet seine eigene Stimmung, mal krachig-exzessiv wie im politisch topaktuellen "Electioneering", mal hymnisch-verträumt wie im wunderschönen "Lucky". Und dazwischen war auch nahezu alles möglich. Letztlich kein Wunder also, dass dieses Album in sämtlichen Bestenlisten Spitzenpositionen belegt, oft allein auf weiter Flur, manchmal im knappen Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem kleinen Bruder "Kid A". Zum 20. Jubiläum legen Radiohead die Platte unter dem Titel "OK computer OKNOTOK 1997 2017" nun neu auf: Im ersten Teil finden sich alle ursprünglichen Songs remastered, im zweiten dann elf Nummern, die damals dem Rotstift zum Opfer gefallen sind, aber als wunderbarer Beweis dafür gelten können, auf welch grandiosem Niveau Yorke, Greenwood und Co. agierten. Das Ergebnis ist ein extrem harmonisches Ganzes.

>I am born again<

Den Auftakt macht mit "Airbag" einer der besten Opener überhaupt: Das Schlagzeug zittert nervös, während Gitarre und Bass ein eigenes Universum errichten, in dem Thom Yorkes Stimme schwerelos schwebt: "In an interstellar burst / I'm back to save the universe." "Paranoid android" klingt in der neuen Fassung noch irrsinniger, insbesondere da sich im Hintergrund immer wieder die verzerrte "Fitter happier"-Stimme aus dem reichhaltigen Klangdickicht schält. Das atmosphärische Quartett aus "Subterranean homesick alien", "Exit music (for a film)", "Let down" und "Karma police" sorgt dann wie eh und je für umfassende Gänsehaut, entführen die Briten mit ihren assoziativen Lyrics den Hörer hier doch in eine unwirkliche Traumlandschaft, der man sich bereitwillig hingibt. Die zweite Albumhälfte beginnt rockig: "Electioneering" gilt nach wie vor als schroffer Weckruf für alle Verschlafenen und "Climbing up the walls" leitet atmosphärisch dicht ins letzte Drittel über, wenn Radiohead wieder sämtlichen Gesetzen der Schwerkraft trotzen. "No surprises" bleibt eine der schönsten, berührendsten Balladen überhaupt, hinter der sich "Lucky" jedoch nicht verstecken muss: Störgeräusche wabern zu Beginn, Yorke bittet Sarah, sie möge ihn doch mit ihrer Liebe töten, nach drei Minuten dann der Bruch, raus ins All, aus einem ruhigen Schleicher wird ein Spacerock-Song. "The tourist" beschließt den ersten Teil auf gewohnt anmutige Art und Weise: "You ask me where the hell I'm going / At a thousand feet per second." Einmal mehr wird einem bewusst, welch ein Juwel dieses Album ist. Ganz egal ob neu gemastered oder in der Urfassung.

>We've been trying to reach you, Thom<

Richtig spannend wird es dann natürlich mit den Songs, die es damals nicht auf die Platte geschafft haben, hier aber das zweite Kapitel der Feierlichkeiten darstellen. Den Anfang macht "I promise", das marschiert wie der kleine Trommler zu Weihnachten, während sich Yorkes Stimme in die Höhe schraubt. Später mischen sich gesampelte Streicher hinzu und verdichten den traurigen Song zu einer bittersüßen Essenz. Auch "Man of war" hätte "OK computer" gut zu Gesicht gestanden, kommt hier und jetzt zu späten Ehren: Der pianogetragene Song schunkelt sich zunächst in Stimmung, der Bass brummt, Yorkes Organ hallt durch den Raum, sorgt mit den sägenden Gitarren dafür, dass sich eine intensive Spannung aufbaut. Wer solche Stücke als B-Seiten in der Hinterhand hat, der muss entweder etwas wahnsinnig falsch oder sehr, sehr richtig gemacht haben. Hier tendiert man klar zu letzterem. Kein Wunder also, dass auch das atemberaubende "Lift" den A-Seiten in nichts, aber auch gar nichts, nachsteht: Ein Song, so zart und wundervoll, dass er damals vom Album gestrichen wurde, weil die Angst von Seiten der Band groß war, hier möglicherweise zu erfolgreich, zu groß zu werden. Tja, dies hat ja prima geklappt.

>Distracted by irrelevance<

"Lull" benötigt nur zweieinhalb Minuten, um vollkommen zu vereinnehmen, auch wenn der Song streng genommen eher an das Material von "The bends" erinnert. Anschließend wird es etwas experimenteller: "Meeting in the aisle" funktioniert als beatgetriebenes Interlude, "Melatonin" treibt auf gleißenden Lichtbahnen dahin und "Polyethylene (Parts 1 & 2)" schüttelt seine anfängliche Schüchternheit rasch ab, mutiert zum kantigen Rocker. Das finale "How I made my millions" schwelgt in leichter Melancholie, im Zentrum der Nummer steht ein Klavier, Yorke klingt erstaunlich leise und auch der Rest der Gruppe hält sich vollkommen zurück: So stripped down hat man die Briten tatsächlich selten gehört. "OK computer OKNOTOK 1997 2017" wird insbesondere durch die Dreingabe der B-Seiten und Outtakes zum umfangreichen, extrem gelungenen Jubiläumspaket, zeigt Facetten und Stimmungen, die unbekannt waren, nimmt Abzweigungen, lässt den Hörer schwelgen. In Erinnungen, in Gedanken und in den Möglichkeiten dieses ... Jahrhundertalbums?

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • -

Tracklist

  • CD 1
    1. Airbag
    2. Paranoid android
    3. Subterranean homesick alien
    4. Exit music (for a film)
    5. Let down
    6. Karma police
    7. Fitter happier
    8. Electioneering
    9. Climbing up the walls
    10. No surprises
    11. Lucky
    12. The tourist
  • CD 2
    1. I promise
    2. Man of war
    3. Lift
    4. Lull
    5. Meeting in the aisle
    6. Melatonin
    7. A reminder
    8. Polyethylene (Parts 1 & 2)
    9. Pearly*
    10. Palo Alto
    11. How I made my millions

Gesamtspielzeit: 92:27 min.

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