Marika Hackman - I'm not your man

Caroline / Universal
VÖ: 02.06.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Ohne Gurke, bitte!
Schon in den letzten Zügen ihrer Tour zu "We slept at last" kam Marika Hackman wohl der Gedanke, zu wenig von sich preisgegeben zu haben. Das mag vielleicht seltsam klingen, saßen Folk und ihre zarte, warme Stimme doch bei aller dargebotenen Introvertiertheit gefühlt neben einem auf dem Sofa. Aber die junge Frau aus dem britischen Hampshire hat noch mehr in der Hinterhand als Vergleiche mit Laura Marling & Co. Da kam der eigene Anspruch, auf dem Folge-Album zwingend anders klingen zu wollen zwecks künstlerischer Emanzipation und Existenzberechtigung gerade recht. Und so spielen auf "I'm not your man" folgende Aspekte eine mal mehr, mal weniger überraschende Rolle: Gurke, Sex, Nirvana und Zigaretten.
Hackmans Devise für diese Platte lautete: "Fuck it, I'll just let it flow." Der beste Beleg dafür, und eine gar nicht mal so schlechte Audio-Zusammenfassung des Albums, bietet gleich der Opener "Boyfriend": Ruhige Parts, groovender Bass, dengelnde Gitarren, Grunge-Riff im Refrain, Schellenkranzgeklapper, Backing-Vocals und der Spaß am Texten. Das äußert sich im Lachen der ersten Sekunden und der nachfolgenden Geschichte: Hackman hüpft mit einer Frau ins Bett, deren Freund zählt den Seitensprung jedoch nicht als Fremdgehen, weil Hackman ja selbst weiblich ist. "No one takes us seriously just because I wear a dress." Das Single-Cover – ein Ausschnitt des Album-Artworks von Künstler Tristan Pigott – zeigt eine Gurke und davor platziert zwei abgeschnittene Scheiben. Fallus, ick hör Dir trapsen.
Hackman bewerkstelligt diesen multifunktionalen Start nicht alleine. Wann immer "I'm not your man" eine Band-Besetzung benötigte – sehr oft! –, sind The Big Moon als Unterstützung zur Stelle. Die 25-Jährige wird wissentlich und willentlich zur Frontfrau, und das steht ihr außerordentlich gut. Sie wirkt gelöster und freiherziger. Dass Hackman in "Good intentions" die Millenials thematisiert, die zum Schein den gesichtswahrenden Daumen heben, aber innerlich todunglücklich sind, das hätte sicher auch Kurt Cobain gefallen. Nirvanas Gitarrensound bricht als Einfluss klarer heraus als es etwa in "Open wide" auf ihrem Debüt noch der Fall war. Den Weg dorthin bereitete nicht der vage Grunge-Shuffle von "Round we go", sondern "Violet", Hackmans erster Track für "I'm not your man".
Der Titel entwickelt aus einer ruhigen Erzählung über eine lesbische Liebe heraus mit Bass und "I love your mouth"-Rufen eine raue Zügellosigkeit. Im nachfolgenden "Cigarette" wird am deutlichsten, dass die Britin nicht mit dem Folk gebrochen, ihr Sound- und Textportfolio aber erweitert hat. The Big Moon sind eine Bereicherung, helfen nicht nur instrumental aus, sondern bilden zudem den Background-Chor im "Eastbound train" und stehen beim Bettlakenkampf "Time's been reckless" als Ein- und Anzähler bereit. Dazu gesellen sich Ratsche, mexikanische Bläser und Western-Mood in "Apple tree", das warpaintige "Blahblahblah" und zwei wunderbare Hommagen für Frauen: Die dunkle Dream-Pop-Sehnsucht "Gina's world" beherbergt unter dem unheilvollem Basslauf eine der schönsten Zeilen des Albums: "Get in the car and let's just fucking run / We just murdered the sun." Während Ginas Rolle noch nicht komplett definiert ist, lässt "My lover Cindy" wenig Spielraum. Zwar beschreibt sich Hackman als "lousy lover", verspricht aber auch "I'll suck you dry, I will." Trocken ist hier sonst nur der Humor.
Highlights
- Boyfriend
- Gina's world
- My lover Cindy
- Blahblahblah
Tracklist
- Boyfriend
- Good intentions
- Gina's world
- My lover Cindy
- Round we go
- Violet
- Cigarette
- Time's been reckless
- Apple tree
- So long
- Eastbound train
- Blahblahblah
- I'd rather be with them
Gesamtspielzeit: 48:41 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Takenot.tk Postings: 2186 Registriert seit 13.06.2013 |
2017-06-21 09:09:57 Uhr
Ich mag den Opener, aber der Gesamtsound sagt mir leider nicht so zu wie auf dem Debüt und den drei(?) EPs vorher.Neben der Instrumentierung stört mich vor allem ein wenig, dass sie einen Effekt den ich eigentlich bei ihr so toll findet - nämlich das "sich-nicht-auf-eine-Tonart-festlege-und-zwischen-Dur-und-Moll-schwanken" - nun für meinen Geschmack zu oft, quasi in jedem Lied. Dadurch wird aus einem willkommenen Überraschungseffekt eine gewisse Beliebigkeit... Bin allerdings trotzdem gespannt wie sie das Live umsetzt und wie sie dann evtl. auch die alten Songs mit Band spielt. Live hat sie noch mal eine fesselndere Aura. |
Oliver |
2017-06-21 08:56:06 Uhr
Nicht so tief bisher. Die Textteile "l m a fcking pig" fand ich dann doch eher etwas irritierend und kindisch. |
Cindy |
2017-06-20 18:31:10 Uhr
@Oliver: wie tief denn?Geil, fechtende Lesben, die auch noch attraktiv sind. Mal reinhoeren… https://www.youtube.com/watch?v=jnjk_NGiihw |
Oliver |
2017-06-17 22:23:42 Uhr
Find ich auch gut, werd ich mal tiefer reinhören. Sie sieht übrigens im Video aus wie Scarlett Cobain 😄 |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34219 Registriert seit 07.06.2013 |
2017-06-17 16:20:59 Uhr
Oh das gefällt mir auf Anhieb. |
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Referenzen
The Big Moon; Miya Folick; Courtney Barnett; Girl Ray; Nirvana; Mitski; The Staves; Hole; Gengahr; Dream Wife; Cherry Glazerr; Palehound; Lucy Dacus; Laura Marling; Emily Jane White; Julia Jacklin; Torres; Nadine Shah; Big Thief; Adult Mom; Cate Le Bon; Belle Mare; Hinds; Blondie; Diet Cig; Angel Olsen; Sharon Van Etten; Hop Along; Pumarosa; Warpaint; Waxahatchee; Honeyblood; Black Honey; Pixies; Garbage; Japanese Breakfast; Gavin Rossdale; Bush; Radiohead
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