Jason Isbell And The 400 Unit - The Nashville sound
Southeastern / Al!ve
VÖ: 16.06.2017
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Cowboy und Indie
Country balanciert ja immer zwischen Sentimentalität und Kitsch. Manchmal rutscht es in öde Cowboy-Klischees ab, wirkt unfassbar rückständig oder wiederholt immer die gleichen Muster. Wenn all das zusammenkommt, hat mam zum Beispiel eine Platte von Kid Rock. Im Idealfall werden hingegen Stereotypen gebrochen, Atmosphäre erzeugt und Vielfalt geboten, ohne die Wurzeln zu verleugnen. Ein solches Album hat Jason Isbell mit seiner Begleitband The 400 Unit gemacht. Mit "The Nashville sound" trägt es einen stolzen Titel und hat auch allen Grund dazu. Denn Isbell ist nicht nur ein Könner an der Gitarre, sondern auch ein verdammt guter Geschichtenerzähler und Beobachter. Wenn er schon im Opener lakonisch verkündet "Nobody here can dance like me / Everybody clapping on 1 and 3 / Am I the last of my kind?", steht fest: Hier ist man richtig. Dabei hat sich die Truppe zu diesem Zeitpunkt nicht einmal warmgespielt.
Denn das folgende "Cumberland Gap" legt die Messlatte sehr viel höher. Energisch kracht die Gitarre in den Song herein und spätestens wenn Isbell im Refrain "Maybe the Cumberland Gap just swallowed you whole!" herausbellt, ist einer der großen Hits des Jahres dingfest gemacht. Sowas würden Arcade Fire auch auf ihren Alben wieder unterbringen, wenn sie den Weg aus der Disco irgendwann finden. Hinter einem solchen Streich hechelt selbst Boss Springsteen seit Jahren hinterher. Kaum weniger intensiv ist die Western-Beobachtung "White man's world", die noch ein lärmiges Solo auffährt. "I'm a white man living in a white man's town / Take a shot of cocaine and burn it down." Nicht Dein übliches Veranda-Porch-Schaukelstuhl-Flair. Die Melodie von "Molotov" möchte man sich dann gleich einrahmen und an die Wand hängen, um sie jeden Tag vor sich zu haben.
Das sich über sieben Minuten spannende "Anxiety" ist ganz klar als Herzstück von "The Nashville sound" angelegt. Die erste Sekunden täuschen lärmigen Rock an, der Song fällt jedoch zunächst in bedächtiges Americana-Terrain. "Anxiety, why do you always get the best of me?", klagt Isbell an, während sich die Band um ihn herum in Position bringt. Ehrensache, dass sich im Mittelteil subtil Streicher hereinschleichen und das große Finale kurz vor Ende losbricht. Es muss jedoch nicht immer die dicke Sause sein. "The Nashville sound" fährt dazwischen ganz klassische Country-Folk-Kleinode wie "Tupelo" oder "Something to love" auf. Auch ein wunderschönes Duett wie "If we were vampires" entspringt dieser Herangehensweise. Es ist die Ausgewogenheit zwischen energischer Entschlossenheit und weisem Zurücklehnen, die Isbell und The 400 Unit hier perfektionieren und die Platte weit über den Genrestandard heben.
Zugegeben: Das muss erst einmal erkannt werden. Fast wäre die Platte unterm Plattentests.de-Radar vorbei gerauscht, weil sich der Rezensent aufs erste Ohr nicht so recht für "The Nashville sound" erwärmen wollte. Dann kam der Frühling, dann kamen langsam die Hits und schließlich auch die vorher so unauffälligen, unaufdringlichen Stücke des Albums. Diese Platte ist also kein hipper Longplayer, sie bietet keine grundlegend neuen Blickwinkel auf das olle Country-Genre und auch für Isbell ist es stilistisch weitgehend gewohntes Terrain. Aber die Seele in diesen Stücken, die sich mit der Zeit entfaltet, macht es zu seinem vielleicht besten Werk.
Highlights
- Cumberland Gap
- If we were vampires
- Anxiety
- Molotov
Tracklist
- Last of my kind
- Cumberland Gap
- Tupelo
- White man's world
- If we were vampires
- Anxiety
- Molotov
- Chaos and clothes
- Hope the high road
- Something to love
Gesamtspielzeit: 40:24 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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diggo Postings: 145 Registriert seit 02.09.2016 |
2017-06-07 22:03:47 Uhr
Ich rechne nicht damit, dass er "Southeastern" je toppen wird, aber die ersten Hörproben und Reviews zur neuen Platte lassen auf ein weiteres Meisterwerk hoffen. Ich kann den 16.6. kaum erwarten. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27172 Registriert seit 08.01.2012 |
2017-06-07 22:00:35 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Bruce Springsteen; Arcade Fire; Drive-By Truckers; Patterson Hood; Son Volt; Uncle Tupelo; Wilco; William Elliott Whitmore; Justin Townes Earle; Old 97's; Ryan Bingham; The Black Crowes; Neil Young; Sturgill Simpson; Black Country Communion; Centro-Matic; The Lumineers; The Dexateens; The Bottle Rockets; Whiskeytown; Mumford & Sons; Mighty Oaks; Hooray For The Riff Raff; Heartless Bastards; Jay Farrar; Grant Hart; Craig Finn; Little Green Cars; Ryan Adams; Richmond Fontaine; The Reverend Peyton's Big Damn Band; Gin Wigmore; Amy LaVere; Lydia Loveless; Magnolia Electric Co.; Lucero; Pistol Annies; The Jayhawks; Steve Earle; Johnny Cash; Amanda Shires; Lucinda Williams; The Hold Steady; Townes Van Zandt; Shooter Jennings; Warren Zevon
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