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The Charlatans - Different days

The Charlatans- Different days

BMG / PIAS / Rough Trade
VÖ: 26.05.2017

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Labsal des widerspenstigen Lebens

Den vom widerspenstigen Leben hinterlassenen Furchen, den sich langsam schmerzhaft auftuenden Wunden haben The Charlatans stets versucht, einen süffigen, als Labsal funktionierenden Pop entgegenzusetzen. Mit ihren letzten Alben nahm die Band eine Umdeutung ihres Werkes vor: nicht Rave, nein, Tim Burgess und Kollegen erkennen hierin nur ein von den Modernisierungswellen ihrer Zeit übergestülptes Kleidchen, wie auch der 13. Longplayer "Different days" nahelegt. Dass die Band die eigene Geschichte in Richtung Pop uminterpretiert, hat auch damit zu tun, dass sich die Mitglieder als Überlebende sehen, starben während der bald drei Jahrzehnte überdauernden Karriere mit Keyboarder Rob Collins und Drummer Jon Brookes doch gleich zwei von ihnen. Die Tage waren anders, sind es heute und das zeigt bereits diese moderne, ausgewogene und differenzierte Produktion, die den Briten ziemlich gut steht und den eigenen Klangkosmos tief ein- und frisch ausatmen lässt: Das ist sehnsüchtig, ohne dabei wehleidig zu sein, schwermütig, ohne vom eigenen Gewicht erdrückt zu werden, melodisch delikat, ohne allzu zuckrig zu wirken.

Tim Burgess singt mit einer alterslosen Knabenhaftigkeit, die Trauer und Frohgeist miteinander mischt, nostalgisch und doch gegenwärtig klingt – dennoch darf man nicht sicher sein, was dieser Kerl da gerade fühlt. Er bleibt unnahbar. Etwa im Opener "Hey sunrise": Von Sonnenstrahlen wachgekitzelt reibt sich da jemand die Sandmännchen aus den Augen, so übel mutet der Tag noch nicht an, schon gar nicht im eigenen Domizil außerhalb Manchesters – dazu sommerlicher Gitarrenbritpop. Ähnlich begann die Geschichte in "A day in the life" von den Beatles, deren Tag jedoch hiermit verglichen weit anarchischer und weniger sanftmütig ist. Denn The Charlatans grooven mit ihrer Musik, im Titelsong wie ein Luftikus, der New Order nacheifert, in "Solutions" als Taktgeber eines Mittsommernachtstraums. So ruhig, weitläufig und locker klang die Band schon lange nicht mehr. Das Cover unterstützt diese Stimmung: Plattenbauten und betonhässliche Straßen sind da zu sehen, das sommerliche Himmelsblau ist reich und satt und könnte somit auch ein verheißungsvolles Meer sein. Dieses Album trotzt dem Grau. Wie laut die Stimmen auch waren, die das Ende von The Charlatans herbeisehnten, wie vehement die Angst, hier verkomme eine ab absurdum gleitende Musikerlaufbahn zur Schmierentragödie – "Different days" ist die Kehrtwende.

Auch dank einer Vielzahl an Gästen, denn.der größte Liebesbeweis ist weiterhin ein tatkräftiger. Daher standen sie bald alle da, vielleicht auch mehr aus Zugehörigkeitsgefühl und aus einer immensen Bewunderung heraus: Paul Weller brummelt über das große Finale von "Spinning out", als Co-Autor an Percussion und Keyboard gelistet. Stramm und stur geradeaus spielt Johnny Marr die E-Gitarre in "Plastic machinery", einer der enervierendsten Nummern. Lambchops Kurt Wagner und Krimiautor Ian Rankin versehen einige Tracks mit Spoken-Word-Elementen, was gerade in "The forgotten one" eher egal und fad, aber zu verschmerzen ist. Denn Stephen Morris, der bereits auf dem Vorgänger "Modern nature" zu hören war, hilft wieder aus, dieses Mal mitsamt Ehefrau Gillian Gilbert. Geballte, unterstützende New-Order-Power also.

Vielleicht sind "Not forgotten" und "Over again" dann doch die graubärtigen Electro-Versuche, die ein wenig in der Vergangenheit graben und "Different days" beschleunigen, was bei Kraftwerk auch nur in Zeitlupe funktioniert hat, und daher viel Acid House in sich tragen. Vielleicht ist es auch die Unbeugsamkeit der Band, die nichts mehr wollte, als dem eigenen Image zu entfliehen, das sie stets auf einige wenige Songs reduzierte. "Different days" ist daher auch ein Manifest von Künstlern, die mal gute, mal schlechte Tage hatten, mal nach einer mit viel Patina versehenen Mottenkiste alias Orgel-Synthesizer klingen, dann wiederum große Popsongs wie "Hey sunrise" schreiben, die weniger konstant arbeiten als andere britische Bands und daher – obwohl einige Jahre älter und äußerlich wie aus einer anderen Zeit – Oasis supporten durften. Ihre besseren Alben wie dieses zeigen auf, wie groß das Gefälle zu ihren überflüssigen und ideenarmen Songs manchmal ausfällt. Die gute Nachricht: Nach einigen vorhergegangenen Nieten ist "Different days" der Beweis, dass hier niemand mehr von Auflösung spechen sollte.

(Maximilian Ginter)

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Highlights

  • Hey sunrise
  • Different days
  • Spinning out

Tracklist

  1. Hey sunrise
  2. Solutions
  3. Different days
  4. Future tense
  5. Plastic machinery
  6. The forgotten one
  7. Not forgotten
  8. There will be chances
  9. Over again
  10. The same house
  11. Let's go together
  12. The setting sun
  13. Spinning out

Gesamtspielzeit: 45:04 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2017-06-08 15:24:20 Uhr
Oh cool. Fast verpasst. Wenn es wieder groovend ist, bin ich echt gespannt.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2017-06-07 21:58:56 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?
MN13
2017-05-26 19:57:53 Uhr
Unter der Woche höre ich für gewöhnlich Chris de Burgh.

MM13

Postings: 2354

Registriert seit 13.06.2013

2017-05-26 18:48:40 Uhr
wieder super geworden,geht charlatanstypisch groovend ins ohr,mein album fürs wochenende.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2017-03-24 17:55:05 Uhr - Newsbeitrag
The Charlatans veröffentlichen am 26. Mai ihr dreizehntes Album “Different Days”. Für das neue, im Bandstudio in Crewe selbst produzierte Werk haben sich Sänger Tim Burgess, Bassist Martin Blunt, Gitarrist Mark Collins und Keyboarder Tony Rogers tatkräftige Unterstützung von Freunden und namenhaften Musikern geholt. Dies geschah jedoch auch aus der Not heraus, nach dem Tod von Jon Brookes im Jahr 2013 das Schlagzeug neu besetzen zu müssen. So beteiligten sich neben dem ehemaligen The Verve Drummer Pete Salisbury, Anton Newcombe von The Brian Jonestown Massacre und Stephen Morris (New Order), der bereits beim Vorgängeralbum “Modern Nature” (2015) dabei war, auch Johnny Marr.
Schriftsteller Ian Rankin und Lampchops Kurt Wagner lieferten Spoken Word Passagen für die Songs “Future Tense” und “The Forgotten One” und die Schriftstellerin/Schauspielerin Sharon Horgan den Hintergrundgesang zum Track “Different Days”. Das Albumfinale “Spinning Out” bestreitet Tim Burgess zusammen mit Paul Weller.

Wie die einzelnen Musiker auf die Anfrage der Band für eine Zusammenarbeit reagierten, erklären sie am besten selbst in einem kurzen Video.

“A brilliant album. The Charlatans have never been more forward looking or relevant as now” – Q

“Different Days” wird als CD, in zwei LP-Formaten, als 7″ Box und digital bei BMG erscheinen.
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