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Beach Fossils - Somersault

Beach Fossils- Somersault

Bayonet / Cargo
VÖ: 02.06.2017

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Jung, unterkühlt und wunderbar

Dustin Payseur und seine Band Beach Fossils machen Musik für eine Stimmungslage und irgendwie auch für eine Jahreszeit. Bei jeder Veröffentlichung der Truppe aus Brooklyn flimmern vor dem geistigen Auge Ringelshirts und lauwarme Sommernächte. Einen Takt weitergeblinzelt, hält man in der einen Hand das imaginäre Wegbier. Die andere Hand greift ins hohe Gras, das sich später als Zimmerpflanze entpuppen wird. Die Gedanken wandern zu Orten und Begegnungen, die vielleicht mal schwieriger, aber nie verkehrt waren. Der fast abwesend wirkende Vortrag des Multiinstrumentalisten Payseur hat zweifelsohne einen sehr vereinnahmenden Charakter. Wie eine leichte Trunkenheit legen sich seine Nummern im Gehör ab. Ein wohliger Schwindel, der auch von einer Türnübung im Garten rühren könnte, breitet sich aus. Das aktuelle Werk "Somersault" sagt somit, was es ist: Eine Anlaufzone für ein bisschen Zerstreuung, ein geräumiger Seitenstreifen neben all den Überholspuren, ein Sammelbecken für die diffusen Gefühlslagen der Jugend und der Junggebliebenen.

Wie so oft in der Bandhistorie hat sich die Personalzusammensetzung und die Herangehensweise an die neue Platte geändert. Dabei scheint sich zunächst das Material nach beiläufigem Hören nicht wesentlich vom 2013 veröffentlichten Vorgänger "Clash the truth" zu unterscheiden. Sonnentage in Brooklyn ließen sich wohl mit beiden Alben gleichermaßen gut genießen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass das Songwriting deutlich offener geworden ist. Das liegt vor allem daran, dass Payseur die Gründungsmitglieder Jack Doyle Smith und Tommy Smith mit einbezogen hat. Gemäß dem Grundsatz: Mit alt mach neu. Außerdem erscheint die Musik jetzt über ein eigenes Label. Die wohl wichtigste Detailneuerung steckt in den Song-Arrangements. Als Paradebeispiel taugt "Saint Ivy": Ein Song, der sowohl ein Flöten- als auch ein Gitarrensolo und jede Menge Streicher auffährt. Klingt für die Verhältnisse von Beach Fossils überladen, ist es aber nicht. Der akustische Zugewinn fügt sich nahtlos in die Beiläufigkeit, mit der die Lyrics dahinfließen. Auch mit dieser experimentelleren Ausrichtung schafft die Band weiterhin den Resonanzboden für einen Zwitter aus Coolness und Tragik. Payseur singt in jedem Song, als ginge ihn das alles nichts an und spiegelt so gewissermaßen das wider, was gesellschaftlich zu beobachten ist: Vielleicht eine Meinung zu besitzen, aber sich lieber rauszuhalten. Der Songtitel "Social jetlag" verrät viel von jener Haltung. Dieses bezaubernd lakonische Runtergesinge auf sommerleichten Indie-Pop führt zu der Frage, was da eigentlich so erzählt wird.

Die hervorragende Auskopplung "Down the line" trägt die Botschaft des Albums dann auch passend nach außen:"Couldn't really tell you / What I'm tryin' to find / Everyone's so boring / Makes me wanna lose my mind." Payseur inszeniert sich als Typ, der auf dem Schulhof immer alleine rumsteht, aber in seiner Unnahbarkeit interessant bleibt. Er bietet keine Schulter zum Anlehnen. Vielmehr verstärkt er die innere Unruhe und die Erkenntnis, recht gewöhnlich zu sein. Die Songs erzeugen durchweg eine Melancholie, die genauso in irrlichtigen Phasen der Pubertät aufgekeimt sein könnte. Sanfte Harmonien halten die stets fragile Oberfläche zusammen. Shoegaze- und Lo-Fi-Geschick sorgen für diesen gekonnt eingesetzten Retrofilter. Derweil gibt es stellenweise wie auf "Saint Ivy" harten Tobak zu hören: "Don't believe in Jesus / Heaven knows I'm wasting my time / Wanna believe in America / But it's somewehre I can't find." Kernige Worte, die aber verschwimmen und sich allzu schnell verflüchtigen. Das bitterböse "Be nothing" hüllt die Selbstaufgabe dann in Zuckerwatte. Anhand dieses Songs wird überdeutlich, dass das, was manchmal wie zufällig aufgenommen klingt, ziemlich ausgeklügelt ist. Der Text konkurriert dort mit der Band um die eigentliche Botschaft und damit um den Ironiegehalt. Es ist ein Kampf im Bann einer unbekümmerten Trostlosigkeit, aus der man nicht schlau werden muss. Dafür war die Jugend schließlich auch nicht da.

(Michael Rubach)

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Highlights

  • This year
  • Saint Ivy
  • Down the line
  • Be nothing

Tracklist

  1. This year
  2. Tangerine (feat. Rachel Goswell)
  3. Saint Ivy
  4. May 1st
  5. Rise (feat. Cities Aviv)
  6. Sugar
  7. Closer everywhere
  8. Social jetlag
  9. Down the line
  10. Be nothing
  11. That's all for now

Gesamtspielzeit: 35:20 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

qwertz

Postings: 887

Registriert seit 15.05.2013

2017-07-31 23:02:58 Uhr
Gut gesagt mit dem "nervöser". Finde das Entspanntere und überhaupt die Streicher stehen der Band gut. Könnte das beste Album bisher von ihnen sein.

Gordon Fraser

Postings: 2394

Registriert seit 14.06.2013

2017-07-31 09:53:26 Uhr
"Tangerine" nicht bei den Highlights?

Höre das Album sehr gerne. Schön entspannter Sound, ich hatte die irgendwie nervöser in Erinnerung.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 25189

Registriert seit 08.01.2012

2017-06-07 21:58:11 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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