All We Are - Sunny hills

Domino / GoodToGo
VÖ: 09.06.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

All they have
Ein Aufnahmestudio ist doch ein wenig wie ein Cockpit. Überall blinken spannende Knöpfchen, die man gerne alle ausprobieren würde. Doch wehe! Vielleicht steht im Studio weniger auf dem Spiel – der obligatorische, fiese Blick des Produzenten brennt sich trotzdem ins Gedächtnis ein. Den Normalos dieser Welt bleibt jenes Vergnügen leider erspart. Und wieder ein Neidpünktchen an die Berufsmusiker abgegeben. Was wäre es doch schön, es so wie All We Are machen zu können. Nach einem durchaus erfolgreichen Debüt bezieht die Indie-Band erneut das Studio – und hat auf einmal Lust, alle Regler hoch und runter zu schieben, die sich dort finden. Während das in Liverpool ansässige Multikulti-Trio anfangs noch durch lässige Unterkühltheit überzeugte und nur selten aus sich hinausging, drehen All We Are für "Sunny hills" alle Effektgeräte auf Anschlag. Neben Indie-Dance sollen Psychedelia, Kraut- und Post-Rock hier auf der Tagesordnung stehen – ein relativ mutiges Vorhaben für eine Band, die zuvor mit den artigen Glass Animals und The xx verglichen wurde.
Doch bereits mit dem Monster-Opener "Burn it all out" lassen Sängerin Guro Giklo und ihre zwei Kollegen eventuelle Zweifel schnell verschwinden. Wie noch häufiger im Verlauf der neun Songs bekommt Giklo hier starke männliche Unterstützung am Mikro, wenn sich der dynamische Track zwei Minuten lang zielstrebig aufgebaut hat. Zu stroboskopartig zappelnden Hi-Hats werden nicht nur zahlreiche Gitarren- und Synthie-Spuren, sondern auch die Disco-Moves ausgepackt. Generell erhöhen All We Are auf "Sunny hills" die Schlagzahl: Die Single "Human" erweist sich als zackiger Hit, der sein Ende in fiependem Gitarrenkrach findet. Nichts für schwache Ohren ist auch das schwer bepackte "Down", in dem sägende Instrumentenwirbel sich gegenseitig hochputschen und unkenntlich machen, wer von den Mitgliedern denn eigentlich gerade singt. In diesen Momenten gerät der unschuldig wirkende Erstling schnell in Vergessenheit. Auch im längeren "Dreamer" wartet man nach stählernem Bass-Intro auf eine Klangexplosion, die aber zunächst ausbleibt. In der letzten Minute verwüstet ein Gewitter aus scheppernden Becken und kratzigen Lo-Fi-Gitarren dann aber doch noch den funky Anfangsvibe.
Bei aller Effekthascherei bleibt die organische Komponente von All We Are klar erkennbar. Um den menschlichen Faktor hervorzuheben, spielen die Liverpooler auch mit dem Reiz des Unperfekten. So tauchen in "Waiting", das von einem hallenden Gitarrenriff angetrieben wird, auch mal ein paar holpriger eingespielte Drum-Fills auf. Auch abgesehen von jenen Ungenauigkeiten weiß "Sunny hills" vielfältig zu berühren – insbesondere im letzten Albumdrittel reiht sich Highlight an Highlight. Das abschließende "Punch" beginnt wie eine Daughter-Ballade, bevor eine überdrehte Gitarre durch das Knochenmark geht und die ohnehin schon vorhandene Epik auf die Spitze treibt. Das hervorragende "Youth" zeigt indes, dass das Trio nicht bloß wild sämtliche Knöpfe drückt, sondern sich zuweilen auch mit einem Solo und einer klassischen Tonartauflösung begnügen kann. Doch selbst hier fügen All We Are Störelemente wie eine aggressiv abgemischte Gitarre hinzu, die das Ganze aber noch ein wenig hochklassiger macht. Alles geben: an den Effekten und im Songwriting. Eine viel bessere Marschrichtung kann es für das elendige, immer noch schwere zweite Album einer Indie-Band nicht geben. Da guckt auch der eben noch fies dreinblickende Produzent ganz freudig.
Highlights
- Burn it all out
- Youth
- Punch
Tracklist
- Burn it all out
- Human
- Animal
- Dance
- Down
- Dreamer
- Youth
- Waiting
- Punch
Gesamtspielzeit: 40:04 min.
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