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Toby Driver - Madonnawhore

Toby Driver- Madonnawhore

The Flenser
VÖ: 21.04.2017

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Die Ideenschleuder

Der Tag, an dem Toby Driver in eine Schaffenskrise rutscht, muss erst noch erfunden werden. Der Multiinstrumentalist, der sich hauptberuflich als kreativer Kopf der Post-Rock-Alleskönner Kayo Dot verdingt, hält es kaum länger als ein halbes Jahr ohne Projekt aus. Mit "Madonnawhore" legt der US-Amerikaner sein viertes Solowerk vor, wobei er die filmmusikalischen Experimente früherer Alleingänge hinter sich gelassen und eines der zugänglichsten Alben seiner umfangreichen Diskographie produziert hat. Und das, obwohl wieder kaum ein Song kürzer als sieben Minuten ist.

Das Kunststück, epische Länge mit relativer Eingängigkeit zu kombinieren, gelingt, weil auf "Madonnawhore" rhythmisch und harmonisch größtenteils Stringenz herrscht. Die verkopften Takt- und Tempospielereien seiner Hauptband werden nur punktuell eingesetzt. Besonders "The deepest hole" schlägt in diese Kerbe: Der kaum greifbare Song taumelt und stolpert, bevor alles Licht vom titelgebenden Loch verschluckt wird. Mehrheitlich geht es auf dem Album jedoch erstaunlich luftig zu. Verhuschte Gitarren weben einen Klangteppich, auf dem Driver behutsam Synthies und minimalistische Drumbeats ausbreitet. Sein Gesang pendelt wie eh und je zwischen Understatement und Entrücktheit.

Inhaltlich weist "Madonnawhore" eine hohe konzeptionelle Dichte auf: Anspielungsreich dekliniert Driver alle erdenklichen Facetten emotionaler Abhängigkeit durch und vergisst dabei auch nicht den Verfremdungseffekt: Die reichlich vorhandenen mythisch-sakralen Querverweise fungieren als "red herrings", denen der hermeneutisch veranlagte Hörer nachlaufen darf, wenn er denn möchte. Glücklicherweise funktioniert Drivers Musik jedoch auch ganz unmittelbar. Seine Melodien sind ebenso finessenreich wie unaufdringlich, sodass beispielsweise gar nicht auffällt, wie unglaublich lang "Parsifal" braucht, bis es in die Gänge kommt. Wenn dieser Moment jedoch erreicht ist, gibt es kein Halten mehr.

Auch "Avignon" lässt sich viel Zeit, Geduld wird jedoch reich belohnt. Womit auch die wichtigste Eigenschaft, die der Konsument mitbringen muss, genannt wäre. "Madonnawhore" ist ein Spätzünder. Die richtige Grundstimmung vorausgesetzt, kann das Album indessen eine erstaunliche meditative Sogwirkung entwickeln. Bei Interesse genügt folgender Versuchsaufbau: dunkler Raum, Kopfhörer, keine Termine, leicht einen sitzen. "The scarlet whore - her dealings with the initiate" auflegen, zehn Minuten einwirken lassen. Wer am Ende des Songs noch wach ist, wird mit ziemlicher Sicherheit auch die restliche halbe Stunde des Albums hören. Und mindestens angetan sein. Denn Ideen haben bei Toby Driver Ausgehverbot. Vor allem die guten.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • The scarlet whore - her dealings with the initiate
  • Avignon
  • Parsifal

Tracklist

  1. The scarlet whore - her dealings with the initiate
  2. Avignon
  3. The deepest hole
  4. Parsifal
  5. Craven's dawn
  6. Boys on the hill

Gesamtspielzeit: 43:43 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Jamal
2017-05-31 19:17:07 Uhr
Das Album ist der Hammer!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28792

Registriert seit 08.01.2012

2017-05-24 21:22:27 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?
hos
2017-04-18 14:02:28 Uhr
das hier mein ich:

https://soundcloud.com/nancy-fortune/nightmare-machinery-beta-evers
hos
2017-04-18 14:00:25 Uhr
beinahe noch geiler, wenn man soundcloud einfach weiterlaufen lässt. Beta Evers mit Nancy Fortune. Nie gehört und schon für geil befunden, wie ein verdrogtes Paarungsritual von DAF und Stereolab.
_
2017-04-18 01:06:54 Uhr
Ja, klingt ein bißchen wie eine reduzierte, geradezu meditative, entrücktere Version von Kayo Dot, ohne krasse Ausbrüche. Aber unter der Oberfläche brodelt es. Mir gibt das grade was. Muss ich mir kaufen.
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