Avatarium - Hurricanes and halos
Nuclear Blast / Warner
VÖ: 26.05.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Auszeitreise
An dieser Stelle muss nun doch noch einmal über einen gewissen Leif Edling philosophiert werden. Ein Mann, der sich in seiner Eigenschaft als Gründungsmitglied von Candlemass Legendenstatus erworben hat, im überschaubaren Doom-Genre mal sowieso, aber auch ganz allgemein in der Metal-Szene. Ein Mann, der durch seine sprichwörtliche Arbeitswut aber auch derart tief in den Burn-Out getrieben wurde, dass er wohl langfristig auf Antidepressiva und intensive verhaltenstherapeutische Behandlung angewiesen sein dürfte. Und doch schaffte es der schwedische Bassist, mit Avatarium eine Band zu gründen, die schon mit jeder Menge Vorschusslorbeeren an den Start ging, doch spätestens 2015 mit dem Zweitling "The girl with the raven mask" so richtig durch die Decke preschte. Dass dies über die Grenzen von Edlings mentaler Leistungsfähigkeit hinausging, liegt auf der Hand, und so stieg er bereits während der Aufnahmen zu jener Platte vollständig aus der Band aus. Allerdings, und das macht das alles überhaupt berichtenswert, ausschließlich als Musiker, als Songwriter bleibt Edling erhalten.
Und das soll sich umgehend als kluge Entscheidung erweisen. Denn "Hurricanes and halos", das dritte Album innerhalb von nur vier Jahren, startet direkt mit Schmackes. Hieß es vorhin "Doom"? Nix da. Denn "Into the fire – into the storm" ist purer Classic Rock, eine wahre Pracht von Riffs, wahnwitzigen Orgelläufen, die ohne großes Vorgeplänkel volles Tempo aufnimmt. Nur knapp über vier Minuten dauert dieses Gewitter, doch das reicht aus, um direkt die Reise in die in dieser Hinsicht wahrlich seligen Siebziger anzutreten. Mitgerissen von der Musik, gefesselt vom erneut großartigen Gesang von Frontfrau Jennie-Ann Smith. "The starless sleep" geht sogar noch einen Schritt weiter und verneigt sich nebenher noch mehr als nur dezent in Richtung The Devil's Blood – man versuche einfach nur, sich diese wunderbaren Hooks mit der Stimme von deren Sängerin Farida Lemouchi vorzustellen.
Nur um es klarzustellen: Das bedeutet in keiner Weise, dass Smiths Gesang etwas fehlen würde. Im Gegenteil. Dem hypnotischen "Road to Jerusalem" verleiht sie eine wunderbare Tiefe, umgarnt, schwebt, schmeichelt, nur um den Weg in düstere Abgründe freizugeben. Und "Medusa child" erlangt durch den Kinderlied-Refrain eine zutiefst sinistre Note – selbst wer sonst wenig empfänglich empfänglich für Kopfkino ist, dürfte vor dem geistigen Auge ein fröhlich hüpfendes Schulmädchen sehen, aus dessen Zöpfchen so allmählich die Schlangen hervorzüngeln. Zusammen mit dem ausufernden Instrumentalteil sozusagen der Soundtrack für einen Horrorfilm, in dem die fiesen Zwillinge aus "Shining" eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielen könnten.
Doch genug der cineastischen Fantasien. Denn einmal, ein einziges Mal, gehen Edling und dem nominellen Bandboss Marcus Jidell die Pferde im Songwriting durch. Mag "The sky at the bottom of the sea" für sich genommen kaum gegenüber dem übrigen Niveau abfallen, ist hier der Einfluss von Uriah Heep mehr als nur deutlich. Zu deutlich. Oder auch: dermaßen deutlich, dass Ken Hensley eigentlich Copyright-Klage anstrengen müsste. Im Grunde genommen ist das allerdings eher das grundlegende Risiko der Balance auf dem schmalen Grat zwischen Eklektizismus und Plagiat. Über diese kleine Schwäche hinaus nämlich gelingt es Avatarium ganz vorzüglich, den Classic Rock der Siebziger in die Neuzeit zu heben. Der Versuch, dies zu tun, ist jetzt nicht allzu neu – aber den Schweden gelingt es tatsächlich noch, zu jeder Sekunde spannend zu klingen, unaufgeregt, aber letzten Endes doch spektakulär. Zumindest dieses Projekt dürfte Edling also mittlerweile in guten Händen wissen. Und Avatarium zeigen auch mit dem dritten Album, dass sie nach ganz oben gehören.
Highlights
- Into the fire – into the storm
- The starless sleep
- Medusa child
Tracklist
- Into the fire – into the storm
- The starless sleep
- Road to Jerusalem
- Medusa child
- The sky at the bottom of the sea
- When breath turns to air
- A kiss (From the end of the world)
- Hurricanes and halos
Gesamtspielzeit: 44:40 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Andy |
2017-05-19 18:45:14 Uhr
Ich freu michhttps://www.youtube.com/watch?v=swO-VOEdIBA |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27674 Registriert seit 08.01.2012 |
2017-05-17 21:04:31 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Candlemass; The Doomsday Kingdom; Saint Vitus; Solitude Aeturnus; Cathedral; The Obsessed; Spirit Caravan; Wino; Pentagram; Grand Magus; Jex Thoth; The Devil's Blood; In Solitude; Graveyard; Horisont; The Vintage Caravan; Orchid; Lucifer; The Oath; Mount Salem; Huntress; Blood Ceremony; Castle; Witch Mountain; Krux; Abstrakt Algebra; While Heaven Wept; Atlantean Kodex; Goatsnake; My Dying Bride; Paradise Lost; Katatonia; Jefferson Airplane; Iron Butterfly; Rainbow; Pagan Altar; Witchfinder General; Cirith Ungol; Count Raven; Black Sabbath; Coven; Roky Erickson
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