Forest Swords - Compassion

Ninja Tune / Rough Trade
VÖ: 05.05.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Zauber hingekriegt
"Geh zurück unter Deinen Stein." Wenn jemandem dieser Satz rausrutscht, dann meist, um einen Widerling zu vergraulen, indem man ihn wenig freundlich ins Reich des niederen Gewürms verweist. Was wohl der Herr auf dem Cover von "Compassion" zu hören bekommen hat, bevor er sich bereiterklärte, einen voluminösen Felsbrocken auf Händen und Beinen zu balancieren? Den eingangs zitierten Ausspruch vermutlich nicht – zeugt der doch nicht gerade von dem Mitgefühl, das dem zweiten Forest-Swords-Album seinen Titel gibt. Ebendieses ist laut Mastermind Matthew Barnes nämlich angezeigt in Zeiten, zu denen vor allem die digitale Kommunikation immer ungehobelter oder gar verletzend wird und das Herz bei vielen Menschen zusehends in den Ellenbogen statt in der Brust schlägt. Der Liverpooler geht zumindest musikalisch mit gutem Beispiel voran.
Denn so exquisit sein Debüt auch war: "Engravings" präsentierte sich oft fragmentiert, kunstvoll verschachtelt und verströmte eine schwer greifbare Düsternis, sodass Post-Dubstep-Mysterien wie "Ljoss" oder "Onward" bei aller elektronischer Ausgeklügeltheit mitunter wie aus einem früheren Jahrhundert herübergeweht wirkten. Perfekt unperfekte Tribal-Rüttelei und spirituell gezupfte Mantras inklusive. Dass Barnes es dem Hörer nun etwas einfacher macht, entzaubert Forest Swords jedoch keineswegs. "Arms out" zeigt mit getragenem Gebläse und verhalltem Crooning zwar längst nicht alles, wozu "Compassion" in der Lage ist, und betreibt stattdessen latente Grabräuberei bei Burial – doch da sich William Bevan gerne rar macht, ist dieser Appetithappen gern genommen. Und nun dranbleiben, bitte.
Der zweite Vorbote "Panic" entpuppt sich als noch ein wenig schlüssiger und auf Anhieb nachvollziehbarer – entwirft aber dennoch ein bedrückend bimmelndes und trötendes Szenario, in dem Urflöten drohend auf ein souliges "I feel there's something wrong"-Sample treffen. Beinahe die einzigen zweifelsfrei verständlichen Worte auf "Compassion" – in einem rhythmisch präzisen, von Keyboard-Tupfern konterkarierten Trackbolzen, der mit Blanck Mass' "Please" nicht nur den Anfangsbuchstaben gemeinsam hat. Anderswo verdichtet Barnes die von "Engravings" bekannten Vocal-Fetzen zu Cut-up-Chorälen und fährt knackiges, an Martial Industrial erinnerndes Schlagwerk auf. "The highest flood" wird zur sakral gebrochenen Grenzerfahrung, "Exalter" zum unterschwellig zappeligen Stahltanz – eine leichtere Übung für den an Choreographie-Soundtracks erprobten Briten.
Einige seiner stärksten Momente hat "Compassion" allerdings, wenn Barnes scheinbar widersprüchliche Elemente zu überwältigenden Effekten zusammenschweißt. Der Opener "War it" lässt die Percussion ihr donnerndes Tagewerk mehrmals zugunsten synthetischer Lichtblitze unterbrechen – vielleicht eine Hommage an These New Puritans' "We want war", vielleicht auch nur ein gut durchstrukturiertes Verwirrspiel mit Erwartungshaltungen. Ähnlich verhält sich "Vandalism", ehe gummiartige Sequenz und gestopfte Trompete durchs Bild hüpfen – und bei "Raw language" vertragen sich emulierte Streicher und spröde Saxophon-Sounds so gut, als hätten sie schon immer im Dialog gestanden. Und auch von Forest Swords wird nach diesem Album weiterhin die Rede sein. Aber immer freundlich bleiben dabei. Man ist schließlich nicht aus Stein.
Highlights
- War it
- Panic
- Vandalism
- Raw language
Tracklist
- War it
- The highest flood
- Panic
- Exalter
- Border margin barrier
- Arms out
- Vandalism
- Sjurvival
- Raw language
- Knife edge
Gesamtspielzeit: 48:12 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Klaus Postings: 10464 Registriert seit 22.08.2019 |
2020-12-21 12:15:01 Uhr
Möchte einmal hervorheben, wie unfassbar gut dieses Album ist. Höre es nicht oft, aber wenn dann kickt es jedes Mal. Klare 9/10. |
MasterOfDisaster69 Postings: 1009 Registriert seit 19.05.2014 |
2018-09-20 19:39:29 Uhr
Forest Swords - Crowfrom DJ-Kicks (Mixed Tracks): https://www.youtube.com/watch?v=lan-Pjv99Xk |
myx Postings: 5429 Registriert seit 16.10.2016 |
2017-06-07 09:54:09 Uhr
Ein herrlich verschrobenes Album, wie vom Song "Panic" und von der Rezi her nicht anders erwartet. Für mich ebenfalls eine gute 8/10, besonders die erste Albumhälfte. "War It", "Panic", "Exalter" und "Raw Language" höre ich am liebsten. |
carpi Postings: 1744 Registriert seit 26.06.2013 |
2017-05-26 22:39:13 Uhr
An einem Sommerabend auf der Terrasse doch von zunächst 7 auf 8 geklettert. "Panic" ist in der Tat sehr gut. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28240 Registriert seit 08.01.2012 |
2017-05-11 14:36:21 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Darkside; Burial; Andy Stott; Demdike Stare; Millie & Andrea; Clark; Lorn; Baths; Mount Kimbie; Darkstar; Raime; Lakker; Eskmo; Shlohmo; Rustie; Holy Other; Nicolas Jaar; Ben Frost; Tim Hecker; These New Puritans; Arca; Laurel Halo; FaltyDL; Boxcutter; Flying Lotus; Lapalux; Scuba; Bibio; Kuedo; Bonobo; Zomby; James Blake; Jamie Woon; Maribou State; Barbarossa; CFCF; Rival Consoles; The Haxan Cloak; Oneohtrix Point Never; Vessel; Jon Hopkins; Mark Pritchard; Loscil; Pinch & Shackleton; The Bug vs. Earth; Four Tet; Gold Panda; In The Nursery; Delerium; Onus; Test Dept.; Fuck Buttons; Blanck Mass; Mountains; Koen Holtkamp; Stars Of The Lid; Boards Of Canada; Autechre; Seefeel; Flying Saucer Attack; Labradford; Pan American; The Art Barbeque; Bourbonese Qualk; 23 Skidoo
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