Pharmakon - Contact

Sacred Bones / Cargo
VÖ: 31.03.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Die Maschinen haben gewonnen
Und dann steht sie da. Wenige Meter vor Dir, mitten im Publikum. Gekrümmt, das Mikro umklammernd und sie schreit. Laut. Die Seele aus dem Leib? Den Teufel an die Wand? Man weiß es nicht, es ist auch vollkommen egal. Der Exorzismus, den Margaret Chardiet alias Pharmakon live betreibt, sucht seinesgleichen. Mit dieser Noise-Orgie werden ach so düstere Gothic-Bands und die bösen, bösen Metaller innerhalb von Millisekunden aufgewischt. Wenn Chardiet die Weichen ihrer eisigen Schaltkreis-Loops gestellt hat, gibt es kein Erbarmen. Pharmakon ist Musik, die immer zu einem gewissen Grad unter Mutprobe und Selbstfolter fällt. Nachdem das fleischhaltige "Bestial burden" ihre Nahtoderfahrung anlässlich einer Operation verarbeitet, widmet sich ihr drittes Album "Contact" dem Ergründen des menschlichen Geistes in einem Trance-Zustand. Longplayer wäre zu hoch gegriffen, Chardiet hält die Chose abermals im halbstündigen Bereich. Alles andere wäre wohl ein Brocken, den man kaum schlucken könnte.
Das Gewurschtel aus Händen, Haaren und Haut auf dem Cover ist da nur die kleinste Konfrontation. Welche Rezeptoren spricht es an, was drückt es aus? Ekel? Erregung? Ekstase? "Contact" könnte jedenfalls kaum besser repräsentiert werden, ungefähr so lässt sich auch die Gefühlsmelange beim Hören beschreiben. Die Elektronenwanderung der Gerätschaften summt, zischt oder kreischt wahlweise ins Ohr, maschineller und eisiger als ihr Vorgänger kommt die Platte daher. Der Opener "Nakedness of need" mag zwar anfangs verhalten an das Intro zu Pink Floyds "Welcome to the machine" erinnern. Dass Pharmakon alsbald eine andere Abfahrt nimmt, sollte nach aller Erfahrung jedoch kaum verwundern. Das elektrische Brummen überlässt nach und nach Störgeräuschen das Feld, Chardiet krächzt erst leise gegen den Lärm an, bevor sie das erste Mal schreit. Doch die Grenzauslotung beginnt gerade erst. Bis der Song in grellem Fiepen verendet, ist man gefühlt mehrfach durch die Hölle gegangen. Abstoßend ist das. Und ebenso faszinierend.
Der Effekt einer reinen Plattenwiedergabe ist im Vergleich zur Darbietung in Person natürlich begrenzt. Dennoch ist auch auf "Contact" erstaunlich, wie sehr Chardiet die rohe Energie ihrer Auftritte zu konservieren vermag und wie sehr fleischliche Bedürfnisse pervertiert werden können, bis alles in der Maschine verschwindet. Würde sich hinter "Transmission" ein Joy-Division-Cover verbergen, könnte man es ohnehin nicht mehr erkennen anhand der fortgeschrittenen Mutationsstufe dieses vertonten Schreis in die Außenwelt. Alles klingt invertiert, verstümmelt, selbst das zurückhaltende Feedback von "Somatic" wandelt sich zunehmend in aggressiv beißenden Noise. Trent Reznor hatte damals einfach nur den falschen Soundtrack zu seinem Folter-Video "Happiness in slavery". Die völlige Hingabe des Geistes und des Körpers an kontrollierende, unerbittliche Gerätschaften – wie Pharmakon hört sich das in etwa an. Eine ekelhafte Ekstase.
Highlights
- Nakedness of need
Tracklist
- Nakedness of need
- Sentient
- Transmission
- Sleepwalking form
- Somatic
- No natural order
Gesamtspielzeit: 32:23 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Der Untergeher User und News-Scout Postings: 1874 Registriert seit 04.12.2015 |
2017-04-22 19:24:36 Uhr
Ich war eigentlich gespannt, was für ein Gesicht die Zeugen Jehovas machen, wenn ich die Tür aufmache und im Hintergrund Pharmakon "singt".Ich habe mich dann doch nicht getraut und die Tür lieber zu gelassen. :D |
Randwer Postings: 3576 Registriert seit 14.05.2014 |
2017-04-22 19:21:35 Uhr
Ich war eigentlich gespannt, was für ein Gesicht die Zeugen Jehovas machen, wenn ich die Tür aufmache und im Hintergrund Pharmakon "singt".Ich habe mich dann doch nicht getraut und die Tür lieber zu gelassen. |
Arbeiter |
2017-04-04 19:04:33 Uhr
10/10 |
öhja |
2017-04-04 14:07:48 Uhr
wieso ist das feige? würde auch 7 geben. |
Plattentests-Kenner |
2017-04-04 11:12:26 Uhr
Wie üblich eine feige 7/10. |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Puce Mary; Carter Tutti Void; Dissecting Table; SPK; Throbbing Gristle; Merzbow; Prurient; Diamanda Galás; Sleeping Dogs Wake; The Knife; Fever Ray; Karen Finley; Lydia Lunch; Costes; Sutcliffe Jügend; The Grey Wolves; Whitehouse; Genocide Organ; Brighter Death Now; Monte Cazazza; Non; S·Core; Møhr; Hands Rendered Useless; Work/Death; The Haters; Mordant; Cranioclast; Hoarst!; Söldnergeist; Con-Dom; Brume; Einstürzende Neubauten; Foetus; Wiseblood; Sielwolf; Skin Chamber; Controlled Bleeding; Decree; Hunting Lodge; Health; Fuck Buttons; Swans; Scott Walker; Alexander Von Borsig; Maria Zerfall; Strafe Für Rebellion; Schwarzwurz; Bär & Co; Rawhead; Justine & Juliette; Ramleh; Ain Soph; Nocturnal Emissions; Autopsia; Die Form; Laibach; In Slaughter Natives; Test Dept.; Z'EV; Sonar; Monolith; Dive; Esplendor Geometrico; Thorofon; Haus Arafna; Winterkälte; Blackhouse; Brume; Mz.412; Hybryds; Zoviet France; Vidna Obmana; Lustmord; Raison D'Être; Deutsch Nepal; A Chud Convention; nEGAPADRÉS.3.3.; à;GRUMH...; Liquid G.; Stin Scatzor; Lescure 13; Portion Control; Click Click; Clock DVA; Fad Gadget; Severed Heads; Cabaret Voltaire; Attrition; Psychic TV; Current 93; Sixth Comm; Coil; Illusion Of Safety; Nurse With Wound; H.N.A.S.; Zola Jesus; Lykke Li; Ladyhawke; Malaria!; Xiu Xiu
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv




Threads im Plattentests.de-Forum
- Pharmakon - Maggot mass (2 Beiträge / Letzter am 17.10.2024 - 19:00 Uhr)
- Pharmakon - Devour (18 Beiträge / Letzter am 21.08.2024 - 11:45 Uhr)
- Pharmakon - Contact (27 Beiträge / Letzter am 22.04.2017 - 19:24 Uhr)
- Pharmakon - Abandon (34 Beiträge / Letzter am 05.04.2017 - 13:00 Uhr)
- Pharmakon - Bestial burden (4 Beiträge / Letzter am 23.10.2014 - 05:39 Uhr)