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British Sea Power - Let the dancers inherit the party

British Sea Power- Let the dancers inherit the party

Caroline / Universal
VÖ: 31.03.2017

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Seemacht mit Schlagseite

Sie müssen sich fühlen wie die Kinder auf einer ungleich verteilten Wippe, die Songs der zweiten Hälfte von British Sea Powers "Let the dancers inherit the party". Wenn man sich vorstellt, dass auf der anderen Seite die dicken Blagen des vorderen Teils sitzen und damit unweigerlich dafür sorgen, dass die Gegenseite keinen Fuß auf den Boden bekommt. Doch der Reihe nach. Der sechste Longplayer der Mannen aus Brighton (Soundtracks und andere Nebenschauplätze nicht mitgerechnet) zollt unter anderem auf dem hieroglyphenhaltigen Cover dem Hannoveraner Dada-Künstler Kurt Schwitters Tribut, dessen Gedichtversätze auch bei den Konzerten der Band gerne eingewoben werden. Schwitters setzte den Irrungen und Wirrungen der deutschen Geschichte zwischen den Weltkriegen beispielsweise folgendes entgegen: "Fümms bö wö tää zää Uu / Uu zee tee wee bee fümms." Weil das ja klar ist. Und British Sea Power sorgen auf "Let the dancers inherit the party" zunächst ebenfalls für reichlich Kopfkratzen.

Denn das Sextett proklamiert sich auf der Single "Keep on trying (Sechs Freunde)" mehrfach, endlos, bis zur Püreewerdung des Gehirns, als ebendiese "sechs Freunde". Dank der leicht windschiefen Aussprache klingt das wie "Sexfreunde" und sorgt bestenfalls für pubertäres Kichern. Immerhin eine Reaktion, denn der Rest des Songs ist wahrlich einfach vollkommen egal. Schlimmer wird es davor in "International Space Station", dem vielleicht schlechtesten Song, den British Sea Power je aufgenommen haben. Ekelhafter Keyboardschleim wird vom stampfenden Beat großzügig in der Hörmuschel verteilt, in der Bridge wird der Songtitel ausgiebig buchstabiert. Waren die schon immer so seicht und platt? Man erkennt sie in der ersten Hälfte kaum wieder vor lauter Zuckerguss und Turtelei. Auch wenn dann und wann gefällige Momente aufblitzen, holt das die Kohlen nicht mehr aus dem Feuer. Wie würde Schwitters sagen? "Banalität ist jeden Bürgers Zier."

Womit wir bei den Songs sind, die auf der Wippe von den Moppeln in der Luft gehalten werden. Denn wer sich durch die unbequemen "sechs Froindäää" am Anfang der Platte geboxt hat, wird reich belohnt. Das sphärische "Electrical kittens" ummantelt seine wunderbare Melodie mit Soundschwaden und bleibt herrlich unkonkret. "Saint Jerome" schafft zum Ende hin den Absprung von seinem flotten Rock in einen noisigen Part und erinnert – endlich! – auch daran, dass die Band auf ihrem Debüt "The decline of British Sea Power" ein gewisses 14-minütiges Lärmepos im Gepäck hatte. Und das majestätische "Praise for whatever" macht den Hattrick komplett und gleitet über eine beatlastige Bridge in den karthatischen Schlussteil. Vielleicht der beste Moment auf "Let the dancers inherit the party", welches seinen Titel im Übrigen von einer Zeile aus diesem Song bezieht.

Alle kleinen und großen Verbrechen dieser Platte sind vergeben und vergessen, wenn "Don't let the sun get in the way" die Sache mit dem Pop tatsächlich richtig hinbekommt und "Alone piano" sich mit dem titelgebenden Instrument und sanft wiegendem Schaukelstuhl-Rhythmus verabschiedet. Vielleicht ist das Sequencing daher auch gar keine so schlechte Idee: Es hinterlässt keinen bitteren Nachgeschmack im Mund und sorgt für ein befriedigendes Happy End. Warum dann allerdings nicht einfach komplett auf manche Seichtigkeit zu Beginn verzichtet wurde, weiß der Geier. Es gibt wenige Platten, die qualitativ mit einer solch großen Schlagseite versehen sind wie "Let the dancers inherit the party". Gehört das möglicherweise zum kunsthistorischen Überbau dazu? Oder soll der harte Kern der Anhänger ausgesiebt werden? Es lässt sich erneut Kurt Schwitters zitieren: "Isn't it strange? / It is."

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Electrical kittens
  • Saint Jerome
  • Praise for whatever
  • Alone piano

Tracklist

  1. Intro
  2. Bad bohemian
  3. International Space Station
  4. What you're doing
  5. The voice of Ivy Lee
  6. Keep on trying (Sechs Freunde)
  7. Electrical kittens
  8. Saint Jerome
  9. Praise for whatever
  10. Want to be free
  11. Don't let the sun get in the way
  12. Alone piano

Gesamtspielzeit: 48:53 min.

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User Beitrag

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9300

Registriert seit 26.02.2016

2018-02-15 08:47:06 Uhr
Würde wohl mittlerweile Richtung 7/10 gehen. Auch wenn ich nach wie vor die Highlights komplett in der zweiten Hälfte sehe.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2018-02-15 05:49:00 Uhr
UNd in der Langzeitwirkung?

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2017-04-24 12:21:21 Uhr
Hmm, das Debut war mir immer etwas zu.... ich weiss auch nicht... zefahren? Aber dann ist da natürlich "Lately", ein absolutes Meisterwerk. Insgesamt mag ich wohl fast "Do you like rock music?" am besten.
In die neue muss ich mich noch etwas reinhören.

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9300

Registriert seit 26.02.2016

2017-04-11 11:07:42 Uhr
Track 7-12 sind auf jeden Fall besser als fast alles auf den beiden Vorgängern. Vielleicht sogar mit das beste, was sie je gemacht haben.

slowmo

Postings: 1128

Registriert seit 15.06.2013

2017-04-11 10:44:48 Uhr
The Machineries Of Joy war recht ordentlich aber an The Decline of British Sea Power kam nichts ran. Ihr Debut-Album ist bis heute für mich eine oder vllt. sogar die größte Platte der letzten 17 Jahre Popgeschichte. Was danach kam war nur noch solide. Daher habe ich bei dem neuen Album auch keine hohen Erwartungen. Es ist vllt. aber als Band auch nicht so leicht, wenn man gleich zu erst die Latte so hoch ansetzt. Noch heftiger merkt man das ja z.B. an Coldplay. Erst zwei gute Platten und danach kam nur noch Schrott bei raus.


BSP sind ja bald auch wieder auf Tour. Freue mich schon darauf sie im Gebäude 9 endlich mal Live zu sehen.
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