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Balbina - Fragen über Fragen

Balbina- Fragen über Fragen

Four / Sony
VÖ: 17.02.2017

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Das Trotz und das Wegen

An kaum einer deutschsprachigen Künstlerin scheiden sich die Geister derzeit so leidenschaftlich wie an Balbina. Die einen hören in der polnischstämmigen Wortakrobatin die hiesige Antwort auf Björk oder Sia, die anderen halten sie wahlweise für "übermotiviert", "indiskutabel" oder urteilen schlicht: "grauenhaft". Die Wahrheit liegt freilich irgendwo dazwischen, im Graubereich der diversen Meinungen. Der Grund, warum Balbina Monika Jagielska – so ihr bürgerlicher Name – so polarisiert, liegt weniger in ihrer Musik als in ihrem Auftreten, ihren Texten, ihrer Exaltiertheit, die sie umflort wie ein Schleier, der den klaren Blick auf ihr Können verschleiert. Ihr drittes Album "Fragen über Fragen" wirkt vor diesem Hintergrund wie ein Verstärker: Die Platte liefert sowohl den leidenschaftlichen Kritikern wie auch den eingefleischten Anhängern gleichermaßen Munition für ihren argumentativen Wettstreit.

Der Erstkontakt mit "Fragen über Fragen" gestaltet sich dabei höchst angenehm: Die erste Single "Die Regenwolke" fährt dramatische Streicher auf, Balbinas Stimme findet ihren eigenen emotionalen Zungenschlag, ihre bildhafte Sprache trifft hier mit traumwandlerischer Sicherheit ins Schwarze, auch wenn manch einer bereits aufstöhnt, wenn die Berlinerin von Heizungswärme, Wangenknochen, Blutzuckerspiegel und verrenkten Nackenpartien fabuliert. Fast alle Songs leben letzten Endes von den ausschweifenden Metaphern, auch wenn diese nicht immer brillant sind und mitunter an Oberstufenlyrik oder Provinz-Poetry-Slam erinnern. Die Musik dazu schwillt gerne an, wird laut und melodramatisch, flattert bisweilen ins Disney-hafte wie im zartgliedrigen Opener. "Der Dadaist" erinnert in seiner Tonalität gar an die ersten Songs von Kate Nash, denn Balbina holpert und stolpert in diesen vier überaus eingängigen Minuten über Stock und Stein, legt ihren lyrischen Fokus auf jene alltäglichen Dinge, denen man ihrer Meinung nach viel zu selten Aufmerksamkeit schenkt. Wie zum Beispiel ... ach ist jetzt auch egal.

"Der Trübsaal" lässt seine Tränen dann über eine Spieluhrmelodie tropfen, während die Sängerin und Songschreiberin auf operettenhafte Weise melancholische Zeilen aus Glas intoniert: "Der Seele geht es angenehm elend / Ich wäre traurig, wenn das vergeht." Hier trifft Balbina einen guten Punkt, thematisiert sie in diesem Stück doch jenen Wohlstandsweltschmerz, der sich meist so schrecklich nichtig anfühlt und es letztendlich auch ist. Doch zu solchen, wirklich gelungenen Kompositionen gesellen sich auf dem ohnehin überlangen Album auch Redundanzen wie das beschwipste "Der gute Tag" oder das generische "Der Schlafvertrag", die es sich mit den immer gleichen Mitteln in ihrem üppigen Worthülsensalat etwas zu bequem machen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Balbina für diese Platte 16 Songs zusammengetragen hat, lässt sich letztlich recht simpel schlussfolgern, dass eine genauere Sortierung, eine kritischere Filterung dem Werk gut getan hätten. Denn dass Balbina "Das Mittelmaß" eigentlich scheut, erklärt sie im gleichnamigen Song. Nur steckt sie manchmal, trotz und wegen all ihrer Eigenheiten, eben noch viel zu tief mittendrin.

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • Der Trübsaal
  • Die Regenwolke

Tracklist

  1. Fragen über Fragen
  2. Unterm Strich
  3. Der Dadaist
  4. Der Haken
  5. Der gute Tag
  6. Der Trübsal
  7. Das Sinnlos
  8. Das Milchglas
  9. Der Scheitel
  10. Das Mittelmaß
  11. Das Platzen
  12. Die Regenwolke
  13. Der Schlafvertrag
  14. Das Glück
  15. Das Kaputtgehen
  16. Stille

Gesamtspielzeit: 59:09 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Oliver
2017-03-20 07:56:46 Uhr
Allein für das Cover gibts nen Punkt Abzug.
Pipi langstrumpf from hell

Michael

Warer Magot

Postings: 483

Registriert seit 13.06.2013

2017-03-15 21:10:54 Uhr
Da isse ja - ich hatte tatsächlich befürchtet, Ihr würdet Balbina hier ignorieren. "Das Kaputtgehen" vermisse ich bei den Highlights, ansonsten schöne und faire Rezension, lieber Kevin.

False Flac

Postings: 149

Registriert seit 19.01.2017

2017-03-15 19:05:14 Uhr
Rezi geht in Ordnung. Ich hätte vielleicht einen Punkt mehr gegeben. Neben einigen großen Songs, eben auch ein paar schwache.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26281

Registriert seit 08.01.2012

2017-03-15 17:21:16 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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