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Joy Denalane - Gleisdreieck

Joy Denalane- Gleisdreieck

Nesola / Universal
VÖ: 03.03.2017

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Perdu

Joy Denalane hat nicht nur Stil, sondern Niveau. Im Nullsummenspiel namens Aufmerksamkeitsbingo nimmt die Sängerin seit Jahren eine Beobachterposition ein. Während andere Künstler mit kalkulierten Liedchen Preise und goldene Schallplatten sammeln, bleibt die Frau mit dem charakteristischen Lockenkopf sich treu. Ein Album wird nicht veröffentlicht, wenn es Trends verlangen, sondern wenn es fertig ist. Für "Gleisdreieck" hat sich Denalane ganze sechs Jahre Zeit gelassen. Zeit, die man dem ungefähr einstündigen Werk in jedem Detail anhört. Deutlich moderner ist der Sound geworden, bei aller Radiotauglichkeit bleiben Denalanes Songs jedoch stets im Soul und R'n'B verwurzelt. Die Produktion schrammt dabei leider teils an der Grenze zur Sterilität entlang, ein paar Ecken und Kanten mehr hätten sicherlich nicht geschadet.

Uptempo-Nummern und Balladen wechseln sich munter ab. Während bei den flotteren Songs der Groove dominiert, bekommt Denalanes Stimme in den langsameren Stücken sehr viel Raum zur Entfaltung. "Venus & Mars" zeigt beispielsweise eindrucksvoll, welch brillante Sängerin die gebürtige Berlinerin ist. Auch bluesige Momente wie "Wieder gut" bereiten der Vokalisten wenig Mühe. Den wiederholten Autotune-Einsatz hätte es daher nicht gebraucht – andererseits gehört der Stimmeffekt mittlerweile auch in gehobenen Kreisen fast zum guten Ton. Da Denalanes Stimme nicht bis zur Unkenntlichkeit optimiert wurde, sei der Chanteuse der Rückgriff auf technische Hilfsmittel verziehen. Feature-Gast Ahzumjot darf zukünftig aber gerne mal ohne Roboterstimme rappen, sein Handwerk beherrscht er nämlich. Auch die anderen sprechsingenden Gäste machen eine anständige Figur. Besonders Megalohs Part auf "Schlaflos" weiß zu überzeugen.

Eigentlich ist also alles perfekt. Musik, Gesang, Klangbild, alles super. Doch genau mit dieser allumfassenden Perfektion stellt sich Denalane selbst ein Bein. Immer dann, wenn es ans Fühlen geht, wird alles ganz schön unkonkret. Besonders offenbar wird das, wenn man den Texten mehr Aufmerksamkeit schenkt. Sprache gehorcht der Songwriterin aufs Wort, sie weiß genau, wie Silben und Worte ohrenschmeichelnd in Form und Ton gebracht werden müssen. Inhaltlich mäandert sie jedoch recht ziellos zwischen Befindlichkeit und Bewusstseinsstrom umher. Verse und Strophen ziehen vorbei, ohne dass wirklich etwas haften bleibt. Zudem verirren sich oft Postkartensprüche wie "Dass ein schöner Gedanke alles verändern kann / Ich glaube fest daran" in die Songs. Manchmal ist der Pinsel dem Holzhammer vorzuziehen.

Dass Denalane auch anders kann, zeigen zwei Ausnahmesongs: "Zwischen den Zeilen" ist eine Meditation über das Ende einer Beziehung. Hierbei spielt sie gekonnt mit Andeutungen und Doppeldeutigkeiten, während ihre Stimme alle Facetten der Enttäuschung erkundet. Ebenfalls düster, jedoch weitaus zynischer ist "Stadt": Denalane singt vom Scheitern, vom Nihilismus urbaner Lebensentwürfe im 21. Jahrhundert. Dabei vermeidet sie das offensichtlich Plakative und zielt lieber dorthin, wo es wirklich schmerzt. "Mit Mitte 20 lernt Ihr gehen / Und schon glaubt Ihr, dass Ihr fliegen könnt / Und sofort fliegt Ihr in mein Netz." Treffer, versenkt. In diese Richtung hätte es gerne häufiger gehen können. Stattdessen sind Denalane und Konsument überwiegend kumpelhaft per Du: "Und alles leuchtet / Nur für Dich / Alles leuchtet, alles strahlt in hellem Licht." Das klingt natürlich schön. Eine große Chance ist trotzdem perdu.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Wieder gut
  • Zwischen den Zeilen
  • Stadt

Tracklist

  1. Gleisdreieck (Intro)
  2. Himmel berühren
  3. So sieht man sich wieder
  4. Hologramm
  5. Venus & Mars
  6. Wieder gut
  7. Alles leuchtet (G3E Version
  8. Zwischen den Zeilen
  9. B.I.N.D.A.W.
  10. Elli Lou
  11. Vorsichtig sein
  12. Schlaflos
  13. Deshalb
  14. RotSchwarz
  15. Stadt
  16. Gleisdreieck (Outro)
  17. Zuhause
  18. Alles leuchtet (Single Version)

Gesamtspielzeit: 66:34 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Watchful_Eye

User

Postings: 2773

Registriert seit 13.06.2013

2017-03-09 10:01:06 Uhr
Gute Rezension, nebenbei bemerkt. Nicht so ein "Der Rezensent will sich selbstverwirklichen"-Text, sondern man bekommt wirklich einen Eindruck, wie sich das Album anhört. Auch ohne kramphafte Einleitung/Ende.
der aus worpswede
2017-03-09 08:15:05 Uhr
Bam! Haut echt rein.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2017-03-08 21:41:26 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

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