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Judith Holofernes - Ich bin das Chaos

Judith Holofernes- Ich bin das Chaos

Embassy Of Music / Warner
VÖ: 17.03.2017

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ihre Zauber binden wieder

Es ist wie immer: Judith Holofernes kündigt ein neues Album an, die Kommentar-Sektionen füllen sich mit Fans und Gegnern ihrer Hauptband Wir Sind Helden, es werden alberne Vergleiche herangezogen, Sätze mit "Judith macht Musik für ..." begonnen und mal mehr, mal weniger geistreich beendet. Klar, man könnte so viel sagen über die Berlinerin. Dabei geht die eigentlich wichtige Nachricht fast unter: Die Gute veröffentlicht ein neues Album, ihren zweiten Alleingang seit dem 2014 veröffentlichten "Ein leichtes Schwert", das seinerzeit leider stellenweise nur ein Buttermesser war. Macht nix, Judith! "Ich bin das Chaos" ist prima geworden und weckt viele Erinnerungen – sogar an so manche Begebenheit, die man selbst gar nicht erlebt hat.

Das muss man halt auch erstmal schaffen. Holofernes, seit jeher bekannt und bejubelt für ihre geballte Wortspiel-Akrobatik und Songtext-Poesie, schrieb die elf neuen Stücke gemeinsam mit dem färöischen Singer-Songwriter Teitur, der selbst erst im Herbst 2016 mit der Nico-Muhly-Kollaborationsarbeit "Confessions" die Musiklandschaft bereicherte. Produziert hat das alles ihr Ehemann Pola Roy, bekannterweise selbst ein musikalischer Tausendsassa und Schlagzeuger bei Wir Sind Helden. Herausgekommen ist ein Album, das zwar nahtlos an das Gesamtwerk der 40-Jährigen anknüpft, aber doch so wunderbar für sich selbst steht, dass der längst bekannte Zauber, den Holofernes seit 2003 versprüht, fast wie neu wirkt.

Vielleicht muss sie es nur wollen: Zwischen melancholischer Traurigkeit und warmherziger Glückseligkeit wandelt "Ich bin das Chaos", ohne in unangenehme Kitschigkeiten abzurutschen. "Lisa, hör auf zu leiden / Du musst Dich jetzt entscheiden / Ob Du glücklich sein willst", tritt "Die Leiden der jungen Lisa" der Besungenen in den Hintern, fordert sie mehr zum Handeln und weniger zum Jammern auf, bleibt dabei aber stets entspannt. Der Einfluss Teiturs kommt besonders im instrumentellen Part des Albums zum Vorschein: Sanfte Streicher oder auch mal eine verspielte Pianomelodie sorgen für Wohlgefühl im Ohr, Holofernes' Stimme und Texte je nach Song für das eine oder andere Lächeln im Gesicht oder auch mal ein Tränchen in den Augenwinkeln. "Der letzte Optimist" findet alles scheiße, ist aber selbst alles andere als das: "Nichts hieran ist gut / Nichts werd' ich daraus lernen" – das liest sich glatt nach dem Kontrastprogramm zum Album. Oder sogar gleich nach Gegenteil-Tag.

"Du kotzt Dein Herz in den Graben vor dem Haus", noch so eine Zeile, die nur Holofernes singen kann, darf und sollte, kurz bevor das charmant-verrückte "Oder an die Freude" das Chaos bezeugt, als das sie sich selbst bezeichnet. Dabei spornt es den Hörer selbst zu lyrischen Gehversuchen an: Freude, schöner Götterfunken / Judith dreht die Wörter um / Wir besingen liebestrunken / Chaotischen Einfallsreichtum – klappt schon, oder? In kaum einer anderen Rezension könnte man das, hier geht alles, so wie auch auf dem Album selbst: Da brodelt der Titeltrack in den Strophen tiefgründig und platzt im Refrain aus allen Nähten, da groovt sich "Unverschämtes Glück", im Regen singend, von Bläsern untermalt, mit breitem Grinsen ins Herz, da klingt "Analogpunk" wie Holofernes zu besten Helden-Zeiten und namedroppt mal eben Kenny Loggins und Bilbo Baggins in einem halben Atemzug.

Am besten an "Ich bin das Chaos" ist, dass es Spaß macht, auch in den ruhigeren Momenten. Es ist offensichtlich eine Herzensangelegenheit: Die eine Hälfte entstand in Berlin, die andere auf den Färöer-Inseln in Teiturs Studio. Die englischen Texte übersetzte Holofernes mal eben ins Deutsche. Allein das ist bewundernswert – dass sie nicht nur funktionieren, sondern berühren. Das rasante "Das Ende" bringt Sturm und Drang in die Beingegend, der sanfte Abschluss mit "So weit gekommen" hingegen hängt die Geigen in den Himmel und löst verstärktes Klopfen im Brustbereich aus. Man könnte einfach so viel sagen über Judith Holofernes, dabei sagt sie es selbst doch eh stets am besten. Musik für Germanistikstudenten, langhaarige Ökos und Birkenstock-Fans? Und wenn schon. Das ist Musik fürs Herz, und wer das nicht hört, hat sie nicht verdient.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • Der letzte Optimist
  • Die Leiden der jungen Lisa
  • Unverschämtes Glück
  • So weit gekommen

Tracklist

  1. Der letzte Optimist
  2. Oder an die Freude
  3. Charlotte Atlas
  4. Analogpunk
  5. Die Leiden der jungen Lisa
  6. Der Krieg ist vorbei
  7. Ich bin das Chaos
  8. Das Ende
  9. Oh Henry
  10. Unverschämtes Glück
  11. So weit gekommen

Gesamtspielzeit: 39:49 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Rainer Winkler
2018-03-18 01:25:43 Uhr
Oh Gott ist das ein Biedermeierschrott. Wer hört sowas? Lösch dich Linder.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2017-07-05 18:02:50 Uhr - Newsbeitrag
Judith Holofernes feat. Maeckes – Neues Video zur Single ‚Analogpunk 2.0‘
WATCH: JUDITH HOLOFERNES FEAT. MAECKES – ANALOGPUNK 2.0
Judith Holofernes feat. Maeckes - Analogpunk 2.0




In Zusammenarbeit mit dem Rapper Maeckes veröffentlicht Judith Holofernes das Musikvideo zu der am 30.Juni erschienenen neuen Single ‚Analogpunk 2.0‘.

Die Single ist eine leicht abgeänderte Version ihres Songs ‚Analogpunk‘, der auf ihrem neuesten Album ‚Ich bin das Chaos‘ erschien.

„Schon als Teitur und ich den Song geschrieben haben, dachten wir uns: "Und hier müsste jetzt ein Rapper kommen! Aber natürlich ein schlauer, lustiger, einer von denen, auf die wir so viele Jahre gewartet haben!“

Maeckes also, natürlich. Der Feingeist von den Orsons, der mit den nachdenklichen, frei spielenden, schlauen Raps und den großen Gedankenbögen – der als Solokünstler seine Fans nicht zuletzt mit komplett analogen Gitarrenkonzerten entzückt.

Zur Zeit der Albumaufnahmen war Holofernes zu schüchtern, zögerte zu lange, ihren ganz frisch befreundeten Kumpel Maeckes zu fragen. Statt dessen bekam der Originalsong für´s Album ein wunderschönes Binärcode-Solo, an dessen Entschlüsselung seither die Nerdherzen reihenweise zerbrechen. Trotzdem freute sich Judith sehr, zur Veröffentlichung der Single noch mal einen Vorwand zu haben, die ursprüngliche Idee mit dem „feinen Rapper“ umzusetzen. Und natürlich ist Maeckes in seiner unaufgeregten Lässigkeit genau der Mann für den Job, auch wenn er sagt, er sei: „kaum mehr Analogpunk/ seitdem Marty Mc Fly/ auf sein Hoverboard sprang“ Aber immerhin schaut er seine „Gegenüber noch bei Unterhaltungen an/ gehört ja auch nicht mehr zum Standardprogramm."

Musikalisch bewegt sich das euphorisch-lässige Stück zwischen der Rotzigkeit von 90er Jahre Indierock und, man höre und staune, beinahe so etwas wie Hiphop-Swagger. Durchsetzt wird die Mixtur vom charmanten Gefiepse früher Computerspiele – eine Idee, die auch im (von Retro-Gaming inspirierten) Musikvideo grandiose Entsprechung findet.

False Flac

Postings: 149

Registriert seit 19.01.2017

2017-04-06 17:44:06 Uhr
Das Album ist schon ok. Finde aber, dass ohne den Helden-Sound einfach was fehlt. Ähnlich wie beim Wiebusch-Soloalbum. Das ist formal auch gut gemacht, musikalisch aber einfach langweiliger als mit einer über Jahre musikalisch gewachsenen Band.
groover
2017-04-06 13:13:35 Uhr
Das hat sich jetzt geändert: Nicht mal die schiefen Tiefen, sondern die unerträglichen Manierismen halte ich keine drei Songs aus (Lis'a, du leidest so sch'ön …).

und dabei ist eh alles nur aus der nina-hagen-diskographie abgekupfert! an ninas manierismen haben sie sich fast alle irgendwie (unterbewusst?) orientiert.

kapomuk

Postings: 73

Registriert seit 25.08.2014

2017-04-05 16:54:06 Uhr
Ich fand die Texte bei den "Helden" deutlich über dem deutschen Durchschnittsniveau, und auch die grundsätzliche politische Attitüde habe ich begrüßt.

Dazu kam eine ironische NDW-Musik von Menschen, die ihre Instrumente beherrschen.

Die Stimme von Judith Holofernes konnte ich damals in Kauf nehmen. Zudem gab es nervigere.

Das hat sich jetzt geändert: Nicht mal die schiefen Tiefen, sondern die unerträglichen Manierismen halte ich keine drei Songs aus (Lis'a, du leidest so sch'ön …).

Schade - ich hätte gern wieder eine "Helden"-Platte!
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