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Peter Silberman - Impermanence

Peter Silberman- Impermanence

Transgressive / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 24.02.2017

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Hear and there

Schon vor "Impermanence" hat Peter Silberman für Alben den kreativen Kopf alleine hinhalten müssen. Die ersten beiden Platten von The Antlers tarnten – Assistenztätigkeiten mitmusizierender Kollegen mal ausgeklammert – sein Soloschaffen hinter dem Künstlersynonym; erst zu "Hospice"-Zeiten wuchs die Band durch Michael Lerner und Darby Cicci auf ein Trio an und, auch das sollte nicht verschwiegen werden, entfaltete dadurch ihre ganze kathartische Kraft. Nach drei gemeinsamen Alben tritt der 30-Jährige unter seinem Geburtsnamen an die Öffentlichkeit. Der Grund ist ein sehr persönlicher und Kern dieser Platte.

Just als die Promo für "Familiars" anstand, verlor Silberman vorübergehend das Hörvermögen seines linken Ohrs; die Wahrnehmung trübte sich und den Realitätssinn. Weil pure Vernunft niemals siegen darf, absolvierte der Antlers-Frontmann mit bestmöglicher Schonung die Tour trotzdem. Wer die Termine besucht hat, erinnert sich an einen sehr leise sprechenden Mann, in sich gekehrt, in die Songs versunken und möglicherweise, so viel Interpretation sei mit dem nun vorhandenen Wissen erlaubt, auch peinvoll konzentriert. Sound, Töne und Klänge habe er wie ein Rauschen wahrgenommen, sagt Silberman – und grundiert eben damit "Impermanence". Getarnt als fließendes Wasser, dünn pfeifende Lufthauche, Collagen vernebelter akustischer Elemente, letzte Zuckungen des eingestöpselten Amps. Und als sanft dröhnender Begleiter im Opener, der sich zwischen Silben und Gitarrenakkorden meldet: Auch wenn ich mich abschalte, tut es mir die Geräuschkulisse nicht gleich.

Silberman zog sich notgedrungen zurück und kehrte dem Zentrum der Stadt, die niemals schläft, den Rücken: "When my nerve wore down / I was assailed by simple little sounds / Hammer clings, sirens in the park / Like I never heard New York", singt er. Silberman brauchte und suchte Stille. Für einige Monate hatte er mit Musik gar nichts mehr am Hut, behalf sich mit Yoga, Meditation und Buddhismus, las Bücher und begann erst allmählich, seine dekonstruierte Umgebung neu zusammenzufügen. "I'm disassembling piece by piece", beginnt Silberman und leitet uns durch seine verschwommene Welt: "I plug my ear, bash my face / I need some prove that you exist / That you can reach me / Can you reach me?" Ein Break. Und dann kriecht Silbermans Falsett wieder in bester Antlers-Manier tief unter die Haut.

Über sorgfältiges Rantasten fand er wieder zur Musik. Wenn Du nicht laut sein darfst und nicht still sein willst, sei leise. In flüsterndem (Sprech-)Gesang und mit der Gitarre als minimalstem aller Hilfsmittel gelang Silberman ein schmuckloser Weg der Teilhabe an akustischen Ausdrucksformen. Nur selten in der flehentlichen Dringlichkeit des Finales von "New York", vielmehr sing-wispert er in wiegenliedhaften Erzählungen. The-Antlers-Platten brauchen schon Zeit, bis man sie vermeintlich vollständig erschlossen zu haben scheint. "Impermanence" erfordert obendrein Verständnis für eine isolatorische Erfahrung, die vielen Menschen glücklicherweise verborgen bleibt, und dessen gehauchte Bewältigungsmechanismen in ein neugemeinschaftliches Jetzt.

Silberman möchte kein Mitleid, auch wenn "Karuna" aus dem alt-indischen Sanskrit übersetzt so viel wie Mitgefühl oder Mitleid bedeutet. Der 30-Jährige agiert aber eher als humaner Transmitter, als jemand, der aus einer anderen Welt erzählt, in der wir identische Bilder teilen, aber nicht die gleichen Klänge. "I want you to hear what I hear / A sound that I found in a place here while you were gone / Gone beyond." Gemeinsam mit Jugendfreund Nicholas Principe alias Port St. Willow verkroch sich der eigentlich in Brooklyn wohnhafte Musiker über Wochen in einer Hütte für die wohnzimmergerechten Arrangements des ambientesken "Impermanence" und fand Geduld, Nachsehen und Milde, wo ohnehin schon kein Aggressor zu vermuten war. "No violence today." The rest is noise.

(Stephan Müller)

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Highlights

  • Karuna
  • New York
  • Ahimsa

Tracklist

  1. Karuna
  2. New York
  3. Gone beyond
  4. Maya
  5. Ahimsa
  6. Impermanence

Gesamtspielzeit: 36:11 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Ituri

Postings: 413

Registriert seit 13.06.2013

2018-02-21 12:56:35 Uhr
"Karuna" klingt ab Minute 4:50 göttlich in seiner ganz eigenen Art.

Obrac

Postings: 2084

Registriert seit 13.06.2013

2017-06-21 13:11:10 Uhr
Kann was.

Stephan

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 991

Registriert seit 11.06.2013

2017-03-28 20:44:47 Uhr
Nee, ich finde, man kann es nicht wirklich mit einem Album der Band vergleichen. Es ist eben sehr reduziert.
Ich finde, wenn man bereit ist, etwas Zeit zu investieren, lohnt sich auch hier der Kauf.

Aber falls du Spotify nutzt, kannst du ja erst einmal vor dem Kauf reinhören.

Außerdem gibt es eine sechsteilige Performance "Impermanence at the glass house"

Ituri

Postings: 413

Registriert seit 13.06.2013

2017-03-28 18:29:37 Uhr
An alle, die es schon hörten: Kann man dieses Album mit einem aus der Werkschau der Antlers vergleichen?

Denn die Band konnte einfach nichts falsch machen...ich scheue mich aber nun doch davor das Solo-Werk zu kaufen.

Beefy

Postings: 463

Registriert seit 16.03.2015

2017-02-28 11:09:04 Uhr
Ich mag das extrem Reduzierte sehr. Ambient meets Singer/Songwriter, finde ich äusserst gelungen.
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