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Mind Over Mirrors - Undying color

Mind Over Mirrors - Undying color

Paradise Of Bachelors / Cargo
VÖ: 17.02.2017

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 3/10

Die unerträgliche Schönheit des Seins

Ehrfurcht – ein etwas altmodisches Wort, aber es beschreibt ein durchaus wohliges Gefühl, nämlich mit erhabener Schönheit in Berührung zu kommen. Mit etwas, was wir mit bloßer Geisteskraft nicht durchdringen können und uns die Unbedeutendheit unserer Existenz als Individuum vor Augen führt. Das können Naturschauspiele sein wie der Sternenhimmel oder eine mächtige, uralte Eiche, das können aber auch Wunderwerke der Technik sein wie ein majestätisches Schiff oder ein Flugzeug. Die Musik von Mind Over Mirrors bildet eine Symbiose aus der Ästhetik von Natur und Technik und wirkt gerade dadurch ehrfurchtgebietend. Das neue Album "Undying color" ist bereits das achte Werk des Projektes von Jaime Fennelly.

Der Amerikaner schafft in der Tradition der analog-elektronischen Komposition von Philip Glass, Henry Flynt oder La Monte Young stets fesselnde sphärische Klanggebilde. Hauptbestandteil ist dabei interessanterweise das Harmonium, ein pedalbetriebenes Tasteninstrument, das sonst vor allem in der Indischen Musik zum Einsatz kommt. Der leicht näselnde Klang dieses Instruments und der durch das Pedalen verursachte monotone Pulsschlag, bilden die erdende Komponente von Fennellys Schaffen. Mithilfe von Synthesizern, Verzerrungen und kaum veränderten Repetitionen entsteht jener hypnotische Sog, der die Musik aus der Folkloristik herauszieht und ins 21. Jahrhundert schleudert.

Der erste Track des Albums, "Restore & slip" bringt das Zusammenspiel der beiden Komponenten perfekt zum Ausdruck. Harmonium, Geigengefiedel, eine archaische Trommelbegleitung – all das könnte auch am Lagerfeuer oder bei der Hausmusik-Session stattfinden. Doch konventionelle Liedstrukturen sind hier aufgelöst, alles findet gleichzeitig statt und verschwimmt zu einer Klangmasse, die sich, wie ein Kreisel, taumelnd weiter und weiter dreht. Das darauf folgende "Gravity wake" könnte der Soundtrack zu einem Drohnenflug über ein Industriegelände sein: ein mechanisch klingender, dumpfer und schwerer Rhythmus, über dem mit einigen Dutzend Metern Abstand melancholische, synthetische Klänge und später auch eine männliche Stimme schweben.

Bei "Glossolaliac" steht wieder das folkloristische im Vordergrund. Die Geigen stimmen eine Art Volksweise an, und die künstlichen Klänge nehmen das Wiegende auf. Beide tanzen dann gemeinsam durch das Lied wie ein ungleiches, aber sehr verliebtes Pärchen. "Gray clearer" verbreitet eine ruhige, meditative Atmosphäre, die nur beim oberflächlichen Hören eintönig wirkt. Tatsächlich zieht sich eine einzige, schwankende und schaukelnde, sich aber nie wörtlich wiederholende Harmoniummelodie durch das sechsminütige Stück. Einen sakraler Charakter weist das Stück "To the edges" auf. Hier dominieren gebieterische Orgeltöne das Klangbild. Das Stück ist treibender als die anderen, womöglich zur Erinnerung, dass in Ehrfurcht das Wort Furcht enthalten ist.

Bei der drückenden Strenge der Klänge auf "Undying color" kann einem schon mal ein kalter Schauer den Rücken hinunterlaufen. Vielleicht eine Ermahnung Fennellys, das Schöne und Erhabene in der Welt nicht zu übersehen, und auch an den weniger naheliegenden Orten zu suchen? Bei Mind Over Mirrors wird zwischen natürlicher und menschengemachter Ästhetik jedenfalls kein Unterschied gemacht – eine wohltuend zeitgemäße Botschaft über die Welt der Musik hinaus.

(Eva-Maria Walther)

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Highlights

  • Restore & slip
  • Glossolaliac
  • To the edges

Tracklist

  1. Restore & slip
  2. Gravity wake
  3. Glossolaliac
  4. Gray clearer
  5. Splintering
  6. To the edges
  7. 600 miles around

Gesamtspielzeit: 44:18 min.

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