Tim Darcy - Saturday night

Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 17.02.2017
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Die Last am Experimentieren
Samstagabende können mitunter ganz schön frustrierend sein. Ein Blick ins Portemonnaie, auf den Dienstplan oder auf die Fußballergebnisse – und schon ist die Party vorbei, bevor sie begonnen hat. Oder man macht es wie Tim Darcy. Der blieb an den Wochenenden gleich in dem Montrealer Studio, wo er werktags als Frontmann mit seiner Band Ought das widerborstige Meisterwerk "Sun coming down" einspielte, und schraubte an über Jahre aufgetürmten Songs für sein Solodebüt. Schnell noch ein Schluck aus der Pulle – oder genauer gesagt aus dem "Tall glass of water", das der ersten Single ihren Titel gibt – und die "Saturday night" ist erst einmal gerettet. Versteht sich von selbst, wenn eine "Foggy notion" des gleichnamigen Stücks von The Velvet Underground sowie der Kellerclub-Mief des Strokes-Klassikers "Last nite" durch den formidablen Auftakt wehen.
Dass der Opener mittendrin ausgebremst und neu gestartet wird, bevor schließlich ein irrlichternder Gospelchor einschwebt oder das zweiteilige "Joan" in spacig verstärktes Geschrammel und schimmernden Psych-Folk zerfällt, steht dabei beispielhaft für die Unwägbarkeit von "Saturday night": Ebensowenig wie dem störrischen Post-Punk von Ought mit genretypischen Maßstäben beizukommen ist, funktioniert dieses Album nach gängigen Indie-Rock- oder Lo-Fi-Codes. Obwohl es das zu Anfang gerne würde. Da entdeckt Darcy beim verhuscht-speckigen Singalong-Hit "You felt comfort" seinen inneren Thurston Moore und bringt der Angebeteten im Video zum wunderbar croonigen, zwischen Nostalgie und Wachtraum oszillierenden Herzreißer "Still waking up" ein frühmorgendliches Ständchen – auch wenn die Auserwählte leidlich unbeeindruckt bleibt.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Nach dem federnden Beginn wächst sich dieses Album zusehends zu einem akustischen Improvisationstheater aus, das Darcys Lust am Experiment in mitunter sonderbare Bahnen lenkt. Das Titelstück etwa gefällt sich als leicht orientierungsloser Shuffle, der leiernde Reverbs hinter sich herschleift und in außer Form geratener Distortion gipfelt. Auch in der Folge schichtet die Gitarre drohende Echos auf, die somnambule Phrasierung im Gesang wirkt vor allem bei der Akustik-Miniatur "Found my limit" eher geistesabwesend als pointiert. Und allmählich wächst die Gewissheit, dass Darcy eine knackige Rhythmusgruppe und stringent strukturierte Songs auf Dauer weitaus besser zu Gesicht stehen als der musikalische Zufallsgenerator, den er in der zweiten Hälfte dieses Longplayers wiederholt anwirft.
Lediglich "Saint Germain" bäumt sich mit wogendem Spannungsbogen noch einmal auf, bevor "Saturday night" in freudlos zersplitternden Rückkopplungen ein wenig stichhaltiges Ende findet – und der als Ghosttrack drangeklebte dritte Part von "Joan" kaum mehr als eine verwaschene Sound-Ahnung aus dem Proberaum drei Blöcke weiter ist. Man könnte auch sagen: nichts. Immerhin gibt sich Darcy hier versöhnlicher als gewohnt – will es dem Hörer dann aber doch nicht allzu einfach machen. Und so bewahrheitet sich die eingangs aufgestellte These letztendlich: Samstagabende können mitunter ganz schön frustrierend sein. Oder freundlich ausgedrückt, zumal das Cover in abgespeckt-launiger Form das Artwork von Minnie Ripertons "Adventures in Paradise" zitiert: Dieses Album ist ein kleines Abenteuer. Und das Glas halb voll. Mindestens.
Highlights
- Tall glass of water
- You felt comfort
- Still waking up
Tracklist
- Tall glass of water
- Joan Pt. 1, 2
- You felt comfort
- Still waking up
- First final days
- Saturday nights
- Found my limit
- Saint Germain
- What'd you release?
- Beyond me
- Joan Pt. 3
Gesamtspielzeit: 36:08 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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saihttam Postings: 2207 Registriert seit 15.06.2013 |
2017-12-02 14:32:33 Uhr
Wunderbar verschroben. Mir gefällts doch immer wieder sehr. Hat zwar sicherlich nicht ganz die Eingängigkeit der besten Stücke von Ought, dennoch als Übergangsplatte bis zu deren nächstem Album sehr gut geeignet. |
zu faul sich einzuloggen |
2017-02-06 13:56:09 Uhr
Der Link im ersten Absatz führt zu einer falschen Rezension... |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 24640 Registriert seit 08.01.2012 |
2017-02-01 22:07:03 Uhr
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 24640 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-11-30 18:36:57 Uhr
Tim Darcy von Ought kündigt Soloalbum für den17. Februar an Schau dir jetzt das erste Video daraus an Es gibt eine Liedzeile in "Tall Glass of Water, dem Opener von Tim Darcys Solodebüt "Saturday Night", in dem Darcy sich selbst die rhetorische Frage stellt: “if at the end of the river, there is more river, would you dare to swim again?” Eine kurze Kunstpause, bevor er antwortet: “Yes, surely I will stay, and I am not afraid. I went under once, I’ll go under once again.” Die Metapher vom reißenden Fluss taucht immer wieder auf in den Lyrics von "Saturday Night". Er beschreibt darauf, wie es sich anfühlt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und mit seiner Empfindsamkeit in Kontakt zu treten. Es geht darum, dass man sich immer wieder entscheiden muss, ob man untergehen oder schwimmen möchte. Und vor allem geht es darum, nie aufzugeben und immer weiter zu machen. Dieser Grundgedanke verbindet alle Songs auf "Saturday Night". Das Video zu "Tall Glass of Water" von Regisseur Jonny Look ist ab sofort zu sehen: Der Albumtitel wurde von den Nächten und Abenden inspiriert, an denen die Stücke aufgenommen wurden, während Ought ihr zweites Studioalbum aufnahmen. Die Tracks für sein Soloalbum spielte Darcy dann zwischendurch samstagabends mit Freunden in einem Nebenraum des Hauptstudios in Toronto ein. "Saturday Night" klingt ganz so, als ob Tim Darcy seine ersten Gehversuche in einem Raum voller Leute aufgenommen hat, denen er vertrauen kann: Froh gelaunt, mutig, aber stets um Authentizität bemüht. Intim und ausgelassen wie ein Wohnzimmerkonzert, sanft wie ein nächtlicher Anruf bei jemanden, den man sehr gern hat. "Saturday Night" erscheint am 17. Februar bei Jagjaguwar. Saturday Night Tracklist: 1. Tall Glass of Water 2. Joan Pt 1, 2 3. You Felt Comfort 4. Still Waking Up 5. First Final Days 6. Saturday Night 7. Found My Limit 8. Saint Germain 9. What’d You Release? 10. Beyond Me 11. Joan Pt 3 www.facebook.com/timdarcymusic/ www.instagram.com/tim_darcy/ www.twitter.com/tim_darcy www.jagjaguwar.com Tim Darcy - "Saturday Night" - VÖ 17.02.2017 - Jagjaguwar / Cargo Records |
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Referenzen
Ought; The Velvet Underground; Lou Reed; Violent Femmes; The Strokes; Julian Casablancas; Albert Hammond Jr.; Mac DeMarco; Girls; Christopher Owens; Clap Your Hands Say Yeah; Alec Ounsworth; Yo La Tengo; Condo Fucks; J Mascis & The Fog; Sebadoh; Lou Barlow; The Folk Implosion; Pavement; Stephen Malkmus & The Jicks; Guided By Voices; Robert Pollard; Sonic Youth; Chelsea Light Moving; Thurston Moore; Lee Ranaldo And The Dust; Jim O’Rourke; Beck; Lambchop; Wilco; Ween; Elvis Costello; The Replacements; Paul Westerberg; Ryan Adams; Jonathan Richman; The Modern Lovers; The Fall; Iceage; Marching Church; David Bowie; Jarvis Cocker; Amen Dunes; Sandy Alex G; Salvia Plath; Drugdealer; Sean Nicholas Savage; Bob Dylan; Donovan; Jeff Buckley; Nick Drake; Adam Green; Chris Cohen; Morgan Delt; Camper Van Beethoven; David Lowery; Steve Wynn; Gastr Del Sol; David Grubbs; C Duncan; AJ Cornell; Minnie Riperton
Surftipps
- http://timdarcy.com/
- https://timdarcy.bandcamp.com/
- http://jagjaguwar.com/artist/darcytim
- http://www.cargo-records.de/de/item/106026/artist/darcy_tim/ artist_details.76.html
- https://www.facebook.com/timdarcymusic
- https://twitter.com/tim_darcy
- http://www.last.fm/de/music/Tim+Darcy
- https://www.discogs.com/artist/4628372-Tim-Darcy
- http://motifri.com/timdarcyinterview
- https://www.youtube.com/watch?v=ZGH2u2bFqlA
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- Tim Darcy - Saturday night (4 Beiträge / Letzter am 02.12.2017 - 14:32 Uhr)