Mike Oldfield - Return to Ommadawn

EMI / Universal
VÖ: 20.01.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Neuer Sattel, altes Pferd
Es muss Momente geben, in denen Mike Oldfield die Genialität seiner Frühwerke verflucht. Seit über 40 Jahren muss sich der Multiinstrumentalist an seinen ersten Alben messen lassen. Über allem thront selbstverständlich das Debüt "Tubular bells", doch auch "Hergest ridge", "Ommadawn" und "Incantations" waren ihrerzeit bahnbrechende Kompositionen. Besonders das düstere und introspektive "Ommadawn" hat nichts von seiner Strahlkraft verloren. Das Finale von "Part one" ist noch heute dazu in der Lage, Ganzkörpergänsehaut zu verursachen. Dass Oldfield nun tatsächlich eine Art Fortsetzung zu diesem Meilenstein produziert hat, lässt zunächst Schlimmes befürchten. Zu präsent ist die Erinnerung an die eher mauen Aufgüsse des Röhrenglocken-Albums. Andererseits neigt der Mensch zur Hoffnung. Und die führt bekanntermaßen direkt zum Phrasenschwein. Doch vor dem Urteil steht zum Glück das Hören.
Die ersten Sekunden von "Return to Ommadawn, Pt. I" machen klar, wohin die Reise gehen wird: Angelehnt an den Beginn des Originals, bläst Oldfield in diverse Flöten. Dass das danach einsetzende Leitmotiv allerdings fast identisch mit der Melodie des Tracks "Voyager" vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1996 ist, macht stutzig. Musste das wirklich sein? Die anfängliche Ernüchterung weicht jedoch spätestens dann, als die Mandolinen das Ruder übernehmen. So beseelt und melodisch klang Musik des auf die Bahamas emigrierten Engländers zuletzt auf "The songs of distant Earth". Auch im weiteren Verlauf überrascht der Track mit zwar bekannt klingenden, aber in dieser Finesse lange nicht gehörten Wendungen. Auf einen meditativen Mittelteil folgt ein klassisches Oldfield-Crescendo. Sogar die alten Tribal-Trommeln hat er vom Dachboden geholt. Die fast manische Intensität von "Ommadawn" erreicht der Nachfolger im Geiste dabei nicht. Dennoch zaubert das Finale des ersten Parts ein Grinsen aufs Gesicht. Der Mann kann es noch.
Der zweite Teil hält das erfreulich hohe Niveau mühelos. Besonders das Comeback von Oldfields unverkennbarem Solo-Sound erweist sich als Glücksfall. Beinahe jede Melodie hat Ohrwurm-Charakter. Ebenfalls fantastisch sind die fließenden Übergänge zwischen einzelnen Passagen, die man in dieser Präzision zuletzt auf "Amarok" bewundern durfte. Die Musik wogt stetig auf und ab, auf euphorische Momente folgen Augenblicke der Innerlichkeit, wobei Oldfield-Fans ob der clever versteckten Referenzen an frühere Werke die eine oder andere Träne verdrücken dürften. Was manchen Hörern zu kitschig sein dürfte, ist im Kontext der oftmals orientierungslos dahinwaberndern Ambient-Ausflüge des Briten eine willkommene Rückkehr zu alten Stärken. Er sattelt sogar wieder die Pferde: "On a horseback" wird augenzwinkernd zitiert und durch den Folk-Wolf gedreht.
"On a horseback? I'd rather be here!", kalauert Oldfield. Vielleicht ist dies die zentrale Erkenntnis, die "Return to Ommadawn" liefert. Obwohl manche Momente nur haarscharf am Selbstplagiat vorbeischrammen, hört man zu jeder Sekunde, welchen Spaß der Komponist im Studio gehabt haben muss. Eine neue Facette fügt das Album dem Œuvre freilich nicht hinzu, vielmehr wirkt es wie ein melancholischer Blick in den Spiegel. An der immanenten Qualität von "Return to Ommadawn" ändert das wenig. Was Oldfield allerdings bei der Auswahl des Covermotivs geritten hat, weiß nur der Maestro selbst. Die Kombination aus Fantasy-Kitsch, grelloranger Schrift und fragwürdiger Bildkomposition macht betroffen. Solange der Inhalt stimmt, kann die Hülle jedoch getrost ignoriert werden.
Highlights
- Return to Ommadawn, Pt. II
Tracklist
- Return to Ommadawn, Pt. I
- Return to Ommadawn, Pt. II
Gesamtspielzeit: 42:07 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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poser Postings: 2334 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-03-27 22:19:22 Uhr
Höre es gerade. Uff. Das ist richtig gut. Echt überrascht. Ist zwar nicht ganz so packend wie der erste Teil, aber trotzdem fantastisch. Vor allem das zweite Stück. |
quasinebenbei |
2019-03-23 16:23:38 Uhr
Das Album bekommt von mir 9 Punkte (fast perfekt). Sehr feine Kompositionen, die für manche vielleicht etwas unauffällig verpackt sind. Nicht ganz so dramatisch wie "Ommadawn". Deshalb hätte man das Werk auch "Return to Hergest Ridge" nennen können.Dennoch: Der Alte kann es immer noch, wenn er will. Es ist mir egal, ob sein Antrieb zur Rückbesinnung seine Fans oder Rob Reed ist (dessen Sachen gibt's auf Bandcamp). Hauptsache, er wandelt weiter auf den Pfaden der Vergangenheit. |
sweet nothing Postings: 2426 Registriert seit 04.11.2014 |
2017-01-26 18:08:35 Uhr
Sehr gelungene Rezi! Ein paar Durchläufe brauchts allerdings schon, damit es zündet. Das Cover fand ich auf dem allerersten Blick interessant, bei näherer Betrachtung dann aber nicht mehr - wirkt irgendwie billig... |
musie Postings: 4068 Registriert seit 14.06.2013 |
2017-01-26 08:17:48 Uhr
Hätt ich nicht gedacht, dass Mike Oldfield in seinen alten Jahren hier mal so gut abschneidet. Habs einmal durchgehört, mich packts nicht so, aber ja, viel Nostalgie. |
Der Stenberg |
2017-01-25 23:51:29 Uhr
Das Cover ist eines der Besten aller Oldfield Platten. Mit Kitsch hat das nichts zu tun. Mann, oh Mann. |
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Referenzen
Vangelis; Jean Michel Jarre; Clannad; The Alan Parsons Project; Yes; Brian Eno; Klaus Schulze; Genesis; Peter Gabriel; Steve Hackett; Delerium; Eloy; Barclay James Harvest; Moya Brennan; Procol Harum; Lunatic Soul; Hans Zimmer; Tangerine Dream; Hawkwind; The Cranberries; Jethro Tull; Jethro Tull; Kate Bush; Rush; Sally Oldfield; Maggie Reilly; Enya; Llewellyn; Sleepthief
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