Prezident - Limbus

Vindig / Groove Attack
VÖ: 08.04.2016
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Abgrenzungsmanöver
MoTrip anfeinden? Jawohl! Genetikk verlachen? Absolut! Nur noch Hohn für das kollektive Kuschen vor der Industrie übrig haben? Sowieso! Viktor Bertermann nimmt als sein Alter Ego Prezident nicht den Hauch eines Blattes vor den Mund. Aber er kann es sich leisten. Im Untergrund existiert das Phänomen Prezident nebst eigener Genredefinition "Whiskeyrap" länger als jede zurechtgebogene YouTube-Erscheinung Pflegeprodukte für die Zielgruppe anpreist. Mit abendfüllenden Mengen an kostenlos veröffentlichter Musik schuf sich der Noch-Student eine wachsende Fanbase, die es zu schätzen weiß, wenn vertrackte Schwermut und überspitzte Misanthropie von der Kunst Besitz ergreifen. Auf einem gedanklichen Nährboden, der alles zwischen Charles Bukowski und Pierre Bourdieu wuchern lässt, zieht der Wuppertaler die widerborstigen Grenzen seines Geschmacks.
Das Außenseitertum richtet sich vom Start weg an Weltliteratur aus: Dante Alighieri und speziell seine Beschreibung des Limbus aus der göttlichen Komödie bringen das Leitmotiv der nihilistischen Erzählklammer in Stellung. In einer konsum- und kapitelgelenkten Version der literarischen Vorhölle, die bildlich als Dauerbesuch bei einer bekannten Möbelhauskette inszeniert wird, nistet sich Prezident ein und erzählt von den menschlichen Makeln, die ihn begleiten und die anderen unbewusst geißeln. Nicht zuletzt am Flaschenhals ist die eigene Welt nie heil. Zerrissenheit gehört dazu. Die kümmerlichen Fragmente der Spezies Mensch schwirren durch die Trinkhallen und eignen sich als Material für messerscharfe soziologische Studien. "Halb so wild" markiert nicht nur die sarkastische Abneigung gegenüber bräsiger Zufriedenheit, sondern legt auch den persönlichen Beobachtungsschwerpunkt offen: "Bloße Kleinigkeiten, doch mir stoßen Kleinigkeiten auf / Ich komm' in etwa seit ich sechs bin aus dem Staunen nicht mehr raus." Mit dieser zusammengesammelten Portion Angrifflust im Gepäck spuckt Prezident nicht nur in "Fressfeind" Gift und Galle auf das Feindbild Rap-Szene: "Mein Film bleibt mein Film, stets so wie's der Beat fordert / Ich piss MC-gewordenen Parfümwolken in die Bierschorle."
Die Kritik an der dystopisch erlebten Gegenwart verweist an viele Fronten und ist textlich derart komplex gestaltet, dass sich dieses Album zur beiläufigen Beschallung ähnlich gut eignet wie eine kommentierte Hörbuchausgabe Søren Kierkegaards. Im richtigen Moment von der Leine gelassen, greift der selbsternannte "Dr. Eisenstirn" jedoch direkt an die trockene Kehle und flößt dem irritierten Geist die passenden Sedativa ein. Der formschöne Hass befriedet und lenkt ab von den selbstbestimmten Unzulänglichkeiten. Für die musikalische Staffage vor dem kratergroßen Kulturpessimismus sind reduzierte, sample-lastige Beats verantwortlich, die allerorts zischen, knarzen und stechen. Hallende Stimmen, die eine bedrohliche Seite des A$AP Mob ins Gedächtnis rufen, runden das Konzept ab. Diese ständige Verortung des Selbst bleibt bis zum Ende beklemmend. Den kaum trennbaren Massen schwört Prezident zynisch ab und überlebt als bewusst distinkter Teil doch erstaunlich gut bei diesem lebenslangen Brummkreiseln vor dem finalen Fall.
Highlights
- Der ewige Ikea
- Knapp 9000m tief im Köhlerliesl
- Halb so wild
- Fressfeind
Tracklist
- Der ewige Ikea
- Knapp 9000m tief im Köhlerliesl
- Prometheus (feat. Absztrakkt)
- Melancholia
- Dr. Eisentirn / Kaffee hilft
- Feiern wie sie fallen (feat. Kamikazes)
- Halb so wild
- Läppisches Theater
- Fressfeind
- Unsachlich
- Krematorium
- Rosa Blume
- Was glaubt die Welt denn, wer sie ist
- Le Mepris oder ein leider nötiges Godardzitat
Gesamtspielzeit: 46:52 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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S.v.K. Postings: 231 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-12-30 16:08:41 Uhr
Alles ist voll von Göttern auch gutes Album. |
Watchful_Eye User Postings: 2940 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-01-21 01:13:01 Uhr
Neuer Song "Jamais-Vu".. ist etwas poppig, aber der kann was.Das Album dazu wird "Alles ist voll von Göttern" heißen und kommt am 21.2. |
Watchful_Eye User Postings: 2940 Registriert seit 13.06.2013 |
2019-05-06 02:06:55 Uhr
Neues "Querschläger"-Mixtape, wenn auch nur 16 Minuten lang.Auf jeden Fall lohnt dieser Track, "Kontrollblick übern Gartenzaun": https://www.youtube.com/watch?v=6xEW2LOrInI |
... |
2018-11-28 11:30:32 Uhr
Peinliche Rezension |
Watchful_Eye User Postings: 2940 Registriert seit 13.06.2013 |
2018-08-22 23:10:35 Uhr
Das neue Album von ihm, "Du hast mich schon verstanden", ist ja ein expliziter Rant gegen politische Korrektheit. Diese Seite von ihm konnte man vorher höchstens an einzelnen Lines erahnen (z.B. die Terry, Jan und Ska-Line bei "Der ewige Ikea").Das darf er von mir auch gerne tun, wobei manche Tracks für meinen Geschmack beatmäßig etwas durchschnittlich daherkommen. Sehr gut gefallen hat mir allerdings dieser hier: https://www.youtube.com/watch?v=RmPCq72fRzk |
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Referenzen
Kamikazes; Degenhardt; Absztrakkt; JAW; Private Paul; Rotten Monkey; Morlockk Dilemma; Hiob; Audio88 & Yassin; Sylabil Spill; Edgar Wasser; Hollywood Hank; Cr7z; X-Men Klan; Tufu; Eloquent; Loki; Luk & Fil; Negroman; Döll; Mädness; Fatoni; Luk&Fil; Grim104; Antilopen Gang; Amewu; Kobito; Maeckes; Tua; Damion Davis; Retrogott; Funkverteidiger; Sendemast; Pierre Sonality; Lakmann; Witten Untouchable; Donetasy; Djin; Schaufel & Spaten; Wu-Tang Clan; A$AP Mob
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