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The Rolling Stones - Blue & lonesome

The Rolling Stones- Blue & lonesome

Polydor / Universal
VÖ: 02.12.2016

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

England's oldest hit makers

Man könnte in "Blue & lonesome" einen faulen Trick sehen. Die Rolling Stones entstauben alte Klassiker der Blues-Geschichte und entziehen sich auf ihrem ersten ausschließlich aus Coversionen bestehenden Studioalbum der Pflicht, neue Songs schreiben zu müssen. Und das nach ganzen elf Jahren Wartezeit im Anschluss von "A bigger bang". Mick Jagger und Keith Richards, beide mittlerweile Anfang 70, verspüren offenbar weder Lust noch Drang, sich vor das leere Blatt zu setzen und wählen stattdessen die vermeintlich sichere, einfache Route. Jedoch ist das Konzept von "Blue & lonesome" riskanter, als es den Anschein hat. Denn mit dem wiederentdeckten Blues beschwört das Quartett nicht weniger als den direkten Vergleich mit den eigenen frühen Alben herauf. Besonders liegt das Augenmerk auf dem vor Spielfreude explodierenden selbstbetitelten Debüt, in den USA damals mit dem kruden Namenszusatz "England's newest hit makers" erschienen. Man muss sich vor Augen halten: Über 52 Jahre trennen die beiden Platten.

Sogar noch weiter in die Historie zurück gehen die hier nachgespielten Originale, unter anderem von Willie Dixon, Little Walter oder Magic Sam. "Ride 'em on down" gebührt hier der Spitzenplatz, die älteste der zahlreichen Aufnahmen stammt von Bukka White aus dem Jahr 1937. Der Sound ist der Auswahl entsprechend eine klare Abkehr vom MOR-Rock, den Jagger & Co. seit Jahrzehnten in minimalen Variationen pflegen. Hier dominiert das klassische Blues-Schema, garniert mit Ausbrüchen in Richtung Rock'n'Roll. Und gleich der Opener "Just your fool", ursrünglich 1954 von Buddy Johnson veröffentlicht, weckt mit sehnsüchtigem Einsatz der Mundharmonika dezente Erinnerungen an die ersten Schritte der Band Anfang der Sechziger. Das Howlin'-Wolf-Cover "Commit a crime" schmeißt sich in die gleiche Kerbe und macht vor allem durch die zunehmende krachige Überlagerung der Instrumente eine Menge Spaß. Vom gleichen Original-Interpreten stammt im weiteren Verlauf noch "Just like I treat you", welches in seiner Rotzigkeit fast wie eine First-Take-Aufnahme wirkt.

Genau jene Spielfreude ist es, welche für die Höhepunkte auf "Blue & lonesome" sorgt. Das trällernde Klavier in "All of your love", die durchdrehende Mundharmonika in "I gotta go" – hier merkt man, dass die Rolling Stones mächtig Laune beim Durchforsten ihrer Grundeinflüsse hatten. Auch Jagger muss man zudem Tribut zollen, seine Vocals transportieren Leidenschaft und Elan. Kollege Eric Clapton, der zur gleichen Zeit in den British Grove Studios seine Schnarchparade "I still do" aufnahm, schaut auf zwei Tracks für eine paar Gitarrenarbeiten vorbei, in "Everybody knows about my good thing" sogar von Jagger mitten im Song angekündigt. Glücklicherweise übertrumpfen die Stones in Punkto Energie bei weitem das Clapton-Werk. Lässigkeit und Unmittelbarkeit untermauert die Interpretationen, so frisch hat man die Truppe schon lange nicht mehr gehört. Auch Subtilität hat beizeiten ihren Platz: Die Version von Jimmy Reeds "Little rain" bleibt zurückhaltend und kann mit einem sehr hübschen Mundharmonika-Solo überzeugen.

Alles in allem überrascht es, dass ausgerechnet der Rückgriff auf die Ursprünge der Briten anstatt der fast schon erwarteten lahmen Coverplatte ein ziemlich schwungvolles und lebendig wirkendes Album ergeben hat. Lamentiert werden kann allerdings, dass "Blue & lonesome" vor allem in der rhythmischen Gestaltung über die Spielzeit etwas mehr Variation hätte vertragen können. Zudem kollidiert das dem Loudness War huldigende Mastering mit dem Back-to-the-roots-Anspruch und sorgt für ein suboptimales Klangbild. Klar sollte auch sein, dass die Debütplatte – musikalisch tatsächlich der nächste Verwandte im Œuvre – dann doch ein wenig mehr juvenilen Drang versprüht. Sei es drum. Im Gegensatz zur optischen Realität sehen die Rolling Stones auf "Blue & lonesome" alles andere als alt aus.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Commit a crime
  • I gotta go
  • Little rain
  • Just like I treat you

Tracklist

  1. Just your fool
  2. Commit a crime
  3. Blue and lonesome
  4. All of your love
  5. I gotta go
  6. Everybody knows about my good thing
  7. Ride 'em on down
  8. Hate to see you go
  9. Hoo doo blues
  10. Little rain
  11. Just like I treat you
  12. I can't quit you baby

Gesamtspielzeit: 42:43 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Ehrlich?
2017-01-02 17:11:13 Uhr
Hat der Typ die Platte überhaupt gehört? Kennt der sich überhaupt im Blues aus? Der hat sich jetzt schon mehrfach böse vertan. In der Bewertung wie im Ton.

So ist das eben, wenn Leute nur Musik aus ihrem Jahrgang kennen und plötzlich was zu den Stones oder anderen Größen schreiben sollen. Ne Kragenweite zu groß.
33rpmPVC.de
2016-12-23 05:09:06 Uhr
Eine sehr passende Review, wie ich finde... Grundsätzlich fragt man sich sich bei Neuerscheinungen der Stones ja schon, ob das noch sein muss. Die Frage ist diesmal uneingeschränkt mit ja zu beantworten. Musikalisch schließt sich hier ein Kreis. Vielleicht sollte es das Abschiedsalbum der Rolling Stones sein. Für mich hätte das was...
Feiertägliche Grüße,
www.33rpmpvc.de
Erich
2016-12-22 22:02:16 Uhr
Sehr treffende Rezension mit super Überschrift. Erkennt die Qualitäten, verfällt aber nicht in die Lobhudeleien, die der US-Rolling-Stone offenbar bringen musste.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2016-12-22 21:07:09 Uhr
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3576

Registriert seit 12.12.2013

2016-12-02 03:06:02 Uhr
Finde "Hate to see you go" ganz nett. Natürlich braucht so ein Album kein Mensch. Aber mir sind Blues-Klassiker-covernde Stones allemal lieber als Stones, die "neue" eigene Songs unters Volk bringen.
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