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Heinz Rudolf Kunze - Meisterwerke: Verbeugungen

Heinz Rudolf Kunze- Meisterwerke: Verbeugungen

Sevenone / Sony
VÖ: 30.09.2016

Unsere Bewertung: 2/10

Eure Ø-Bewertung: 4/10

Der Reim auf Herz

Dereinst forderte Heinz Rudolf Kunze eine Quote für deutschsprachige Musik in Funk und Fernsehen. Seine Absicht, Liedgut aus der BRD einen festen Platz in den Formatradiosendern zwischen Kiel und Konstanz zu verschaffen, fand jedoch wenig Freunde. Mittlerweile hat das der freie Markt ohnehin selbst geregelt: Die Mehrzahl der erfolgreichen Alben in der Bundesrepublik stammen aus eben dieser. Eine Quote ist also nicht nötig. Was die Frage aufwirft, womit sich Kunze nun eigentlich beschäftigt. Seine drögen letzten Veröffentlichungen waren leider eher Steilvorlagen für jene Spötter, die den Liedermacher als Personifikation der Biederkeit sehen. Die Ankündigung, mit "Meisterwerke: Verbeugungen" per Coverversion dem Kanon des deutschen Pop zu huldigen, ließ zwar aufhorchen, blies gleichzeitig jedoch neuen Wind in alte Segel.

Der Blick auf die Tracklist jagt zunächst die Augenbrauen in Richtung Haaransatz. Udo Jürgens, Karat und Freddy Quinn hätte man Kunze sicherlich zugetraut. Aber Thees Uhlmann? Casper? Einstürzende Neubauten? Die Neugierde ist auf jeden Fall geweckt. Schon nach wenigen Takten weicht sie allerdings blankem Entsetzen. Kunze covert Roy Blacks "Ganz in weiß" werkgetreu. Heißt: Schmalzig-triefender Gesang, gruselige Backgroundchöre, kitschige Instrumentierung. Selbst als ironisches Statement ist dieses Kapitalverbrechen am menschlichen Gehör ein Fall für den HNO-Arzt. Im Laufe des Albums wird schnell klar, dass Kunze durchaus in der Lage ist, Songs anständig neu zu interpretieren. Das Problem besteht darin, dass diese Lieder eigentlich nicht gecovert werden müssen.

So sind "Solang' man Träume noch Leben kann" der Münchener Freiheit und "Für mich soll's rote Rosen regnen" von Hildegard Knef in erster Linie unkaputtbare Evergreens, denen nicht einmal die peinlich sterile Produktion von "Meisterwerke: Verbeugungen" etwas anhaben kann. Schlimm, ja sogar abstoßend wird es, wenn sich Kunze an Material von Bands, die weitab seiner Stärken operieren, versucht. Ideals "Berlin" klingt hier weder aufgekratzt, noch sexy, sondern einfach nur zum Fremdschämen steif. Apropos steif: Was "HRK" "Der Mussolini" von DAF antut, spottet jeglicher Beschreibung. Dem Song wird jede Kante abgeschliffen, bis ein lebloser Klotz übrigbleibt. Während Gabi Delgados Aufforderung, den Kommunismus zu tanzen, beinahe manisch daherkam, erinnert Kunzes Vortrag an einen Musiklehrer in der Mid-Life-Crisis, der endlich mal so richtig crazy sein will.

Mid-Life-Crisis? Crazy? Wie undeutsch. Verrückt ist es also, dass Kunze das Wagnis eingeht, "Haus der Lüge" zu covern. Der Song fungiert als Kulminationspunkt von 50 Minuten akustischem Grauen. Auch hier wurde jeder Widerhaken entfernt, was in erster Linie dem Interpreten schadet. Die Frage, die über alldem schwebt, lautet: Warum tut Kunze das? Es scheint, als hätte er jeglichen Kontakt zu seinem künstlerischen Selbst verloren. Ihm gelingt das Husarenstück, mit "Meisterwerke: Verbeugungen" gleichermaßen seine Fans als auch die Fans der Musiker, deren Songs er verunstaltet, vor den Kopf zu stoßen. Sollte eines Tages doch noch die Quote kommen, dann hoffentlich mit dem Passus, dass lediglich Originalversionen von Songs, die Heinz Rudolf Kunze gecovert hat, gespielt werden dürfen.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

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Tracklist

  1. Ganz in weiß
  2. Blumen aus Eis
  3. Junge, komm' bald wieder
  4. Hinterland
  5. Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
  6. Der Mussolini
  7. Ich steh auf Berlin
  8. Was ich dir sagen will
  9. Deine Schuld
  10. Solang' man Träume noch leben kann
  11. Alles aus Liebe
  12. Für mich soll's rote Rosen regnen
  13. Wenn ein Mensch lebt
  14. Haus der Lüge

Gesamtspielzeit: 50:01 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Deutsch-Popper
2016-12-23 15:19:13 Uhr
Lieber Jochen Distelmeyers diesjähriges Cover-Album hören! Komplett unpeinlich und beseelt. So muss man das machen!
Würdigender
2016-12-23 13:44:41 Uhr
Wobei ich zugeben muss, ich habe das Album bisher nur einmal gehört. Und der Spaß daran resultierte Hauptsächlich daraus, nicht zu wissen, welcher Song wohl als nächstes kommt. Könnte schon sein, dass so beim dritten, vierten Hören mehr auffällt, dass die Songauswahl zwar interessant, die Umsetzung von Kunze aber nicht so gut ist.

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3576

Registriert seit 12.12.2013

2016-12-23 10:05:03 Uhr
Da muss ich leider entschieden widersprechen. Die Platte ist von vorne bis hinten schrecklich. Die Arrangements sind steril und hängen völlig in der Luft, da überhaupt kein interpretierender Ansatz vorhanden ist. Fast alle Songs sind sehr nahe am Original, was an sich nicht verwerflich wäre, in Kombination mit Kunzes bemüht-affektiertem Vortrag werden aber viele Songs zur Qual. Ganz schlimm ist z.B. "Berlin". Ich liebe Ideal, und das, was Kunze diesem Song antut, kann man nur als Verbrechen bezeichnen.

Die Idee wäre wirklich gut gewesen, die Umsetzung ist aber mangelhaft. Aber das ist ja auch das Schöne an der Musik: Für jeden klingt sie anders.
Würdigender
2016-12-23 02:40:38 Uhr
Vollkommener Käse diese äußerst nette Coverplatte so herabzuwürdigen. Aber ist halt der doofe Rudolf Kunze, da muss man halt eine niedrige Bewertung zücken, denn er ist ja sowas Ähnliches wie Witt oder so. Dabei ist diese Mischung als alten Kassikern, die manche vielleicht noch gar nie gehört haben und neueren und zeitlosen Indiesachen und gänzlich unerwartetem Zeug ziemlich kurzweilig anzuhören. 6/10 oder 5/10 wäre passender gewesen.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2016-12-22 21:06:59 Uhr
Frisch rezensiert.

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