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TaxiWars - Fever

TaxiWars- Fever

Universal
VÖ: 18.11.2016

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Jazz aber

Das Genre Jazz muss außerhalb seines erlesenen Kennerkreises mitunter übel einstecken: Musik für Berufsintellektuelle und leicht spinnerte "Experten", die über rare Sonderpressungen, freie Atonalität und Zwölftonmusik schwafeln, so wird geraunt. Die Musik selber? Ein teils minutenlanger Mix aus Bläser-Soli und anderer musikalischer Angestrengtheiten. Impressionistische Angeber-Töne, bei denen Nicht-Jazzer schneller Reißaus nehmen, als sie die Bilder von schwitzenden, fusselbarttragenden Nerds an ihren Instrumenten in verrauchten Jazz-Bars aus dem Kopf trompeten können. So weit die Theorie. In der Praxis kommt dEUS-Mastermind Tom Barman mit drei Musikern unter dem Namen TaxiWars und dem Titel "Fever" um die Ecke und rockt alle Vorurteile in Grund und Boden. Jazz auch für Nicht-Jazz-Fans. Was für ein Spaß.

Rocken darf hier allerdings eher im übertragenen Sinne verstanden werden. Denn was Barman und sein Kollektiv am Saxofon, Kontrabass und Schlagzeug zelebrieren, ist und bleibt schon allein aufgrund der Instrumentierung Jazz. Doch die Art und Weise, wie TaxiWars mit dessen Musikfarbe auf ihrem zweiten Album ihr ganz eigenes Klangbild malen, lässt genügend Platz für HipHop- oder eben Rock-Attitüden auf der Leinwand. Das unglaublich groovende "Fever" ist der erste Apostel dieser gut 40-minütigen Missionierung, die so einige Jazz-Atheisten in die Kirche des Godfathers Charlie Parker spülen könnte. Ein hektischer Beat, ein manisch einpeitschender Barman, das stotternde Saxofon und ein fast physisch pochender Kontrabass bilden die Startrampe für einen fulminanten Albumbeginn.

Die roughe Produktion, welche nicht nur für ein profanes Hörerlebnis, sondern darüber hinaus für einen gefühlten Beinahe-Körperkontakt mit den Protagonisten von TaxiWars sorgt, garantiert auch im weiteren Verlauf für bewegende Momente. Erst einmal in Fahrt gekommen, klatscht der wie auf Schienen groovende "Soul train" lässig mit dem Opener ab. Und die Temperatur soll weiter ansteigen. Barman provoziert hier mit seinem rauchigen, nach vorne drückenden Straßenprediger-Sprechgesang mehrmals ein "Halleluja" der Hörer-Gemeinde. Und ja, jetzt darf auch das Sax das erste Mal aufheulen und mitfiebern. Bei "Bridges" steigen TaxiWars ein wenig auf die Bremsklötze. Nicht nur mit dieser Ode an eine Femme Fatale, sondern überhaupt tarieren Barman und Band auf Albumlänge eine nahezu perfekte Fusion aus tempogetriebenen und ruhigen Stücken aus.

Apropos Femme Fatale: Auf "Soliloque" croont der dEUS-Kopf nonchalant en français. Unmöglich, sich diesem den Körper in Aufstand versetzenden Jazz-Animateur zu widersetzen. Im Anschluss kehrt die rotzige Rhythmusmaschine den Hörer auf das herbstlich nasse Straßenpflaster der gescheiterten Beziehungen. Diese "Trash metal ballad" ist selbstredend vor allem Ballad und mitnichten Trash Metal. Fast sieben Minuten dauert das Liebesleid, bei dem sich das Saxofon lautstark und wiederholt über den ihm zugewiesenen Single-Status beschweren darf. Während der "Airplane song" vor allem von den Vocals auch auf einer dEUS-Veröffentlichung nicht weiter negativ auffallen würde, mimt die "Controlled demolition" das hibbelige Kurzintermezzo fürs Hirn. Nach "Honey, it's the blues", der nicht nur durch eine dringende Gesangsphrasierung und schwelgerische Saxofoneinlagen eine bleibende Erinnerung bucht, mutiert die steile Qualitätskurve mit den letzten beiden Stücken gar zu einem senkrecht nach oben stürmenden Winkel. Alleine schon der Bossa-Nova-Drive von "En route" verhilft dem Track zu einem Stammplatz auf der Repeat-Taste. Spätestens jetzt sieht sich der Hörer wirklich mit Tom Barman und Band in der Bar sitzen, mit dem Whiskey-Glas euphorisch in die Runde prostend, ehe die "Egyptians nights" mit melancholischer Note das Ende eines gelungenen Abends und vielleicht den Beginn eines geweckten Interesses am Jazz einläuten.

(Oliver Windhorst)

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Highlights

  • Fever
  • Soliloque
  • En route

Tracklist

  1. Fever
  2. Soul repair
  3. Bridges
  4. Soliloque
  5. Trash metal ballad
  6. Airplane song
  7. Controlled demolition
  8. Honey, it's the blues
  9. En route
  10. Egyptian nights

Gesamtspielzeit: 41:05 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Gomes21

Postings: 4567

Registriert seit 20.06.2013

2016-11-22 11:04:50 Uhr
Coole Scheibe, macht richtig Spaß!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 24572

Registriert seit 08.01.2012

2016-11-18 22:49:32 Uhr
Erste Hörprobe nur einen Klick entfernt:
Hank
2016-11-18 13:55:51 Uhr
Tolle Platte. Ob es ein Zufall ist, dass TaxiWars und Tom Waits mit den gleichen Buchstaben beginnen? Klingt nämlich hart nach "Step right up". Macht richtig Spaß, die Scheibe.
Total
2016-11-18 13:17:18 Uhr
nervig
q
2016-11-18 09:19:56 Uhr
...dass auch ich habe...
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