D.D Dumbo - Utopia defeated
4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 11.11.2016
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Schratwanderung
Von Tom Ravenscroft, dem Sohn der britischen Radiolegende John Peel, in seiner Show auf BBC 6 vorgestellt zu werden, ist so etwas wie ein Ritterschlag für bis dato unbekannte Künstler. Und so wurde, eines nachts im Herbst 2014, Oliver Hugh Perry alias D.D Dumbo aus dem australischen Castlemaine diese Ehre zuteil und tausende Hörer durften erstmals "Tropical oceans", seiner ersten Single, lauschen. So anders, so magisch klang die Mischung aus Bass Drums, gepitchter Gitarre und sakral-waberndem Gesang. Nun legt Perry mit "Utopia defeated" sein erstes Album vor – und überzeugt auch im LP-Format.
In einem kleinen Zimmer neben einem Pferdestall lebt und feilt der 27-Jährige an seinen Songs, und rangiert damit, was den Weirdo-Faktor betrifft, knapp über Lorde (deren facebook-Fotostream sich ähnlich kryptisch liest wie der Perrys) und Vorzeige-Waldschrat Bon Iver. Aber genau diese Verschrobenheit und zurückgezogene Lebensweise machen den besonderen Klang von "Utopia defeated" aus. Irgendwo zwischen experimentellem Pop, Weltmusik und Blues-Versatzstücken zimmert D.D Dumbo sich seine eigene kleine Klangwelt, hermetisch abgeriegelt von allem Äußeren. Da wäre zum Beispiel "Satan", die erste Singleauskopplung, die ein bisschen nach Jungle klingt – dem Genre, aber auch der gleichnamigen Band: tanzbar und durch die Klarinetten-Passagen kommt das Stück auch irgendwie jazzig daher. Oder "In the water", das tatsächlich von Bon Iver inspiriert zu sein scheint. Stark an sein Pfund "Tropical oceans" erinnert wiederum "Alihukwe", das auf einem sehr ähnlichen hawaiianisch angehauchten Gitarreneffekt basiert und etwas Mystisch-Verklärtes hat. "Just me and the insects now / And the wind that shakes the building / I feel like a clawless crab / Oh in a boiling pot of water", scheint Perry zur Inspiration gar ein bisschen in Kafkas "Verwandlung" geschmökert zu haben.
Überhaupt sind die Texte auf "Utopia defeated" faszinierend verquer und in einer ganz eigenen Bildsprache gehalten, die mitunter auch an Sufjan Stevens erinnert. "Blood", "water", "sun" und "dust" sind die Elemente, aus denen Perry seine kleinen Geschichten formt, voll von Monstern, Heiligen, Walrossen, Käfern und Aliens. Transportiert werden die Zeilen mal mit verträumter Stimme, mal ekstatisch-fauchend, wie in "Cortisol". Apropos Heilige: Neben Satan ist auch der liebe Gott im Spiel. "The day I first found God" beschreibt die erste Begegnung mit dem Allmächtigen jedoch weniger spirituell als erschreckend: "God damn it made an awful sound / The trees drooped down to hell / Like an unused leafy vegetable / His blood was green and grey." Zeilen, die die albtraumhaften Passagen der Offenbarung des Johannes beschwören und sich dem Hörer ähnlich enigmatisch präsentieren wie Bob Dylans Endzeit-Ballade "Gates of Eden". An Dylans "A hard rain's a-gonna fall" wiederum erinnert der Schlusssong "Oyster", "all your money drips with blood" singt Perry mit hysterisch-zitternder Stimme und entlässt den Hörer mit seiner ganz eigenen kapitalistischen Dystopie.
Ja, Rom Ravenscroft hat mit seiner Lobhudelei von 2014 ganz recht behalten: D.D Dumbo ist ein Ausnahmekünstler und sein erster Langspieler hoffentlich nur der Anfang. Zugegeben, "Utopia defeated" ist kein Album für den beiläufigen Konsum, es fordert, es versperrt sich, es ist mal anschmiegsam und eingängig, mal verschroben und anstrengend, mal Himmel, mal Hölle. Wer sich aber unter anderem für den Output von Alt-J begeistern kann, wird in D.D Dumbo vielleicht einen passenden Gefährten finden, um das Fegefeuer zu erkunden. Oder zumindest die verschlungenen Gehirnwindungen von Oliver Hugh Perry.
Highlights
- Satan
- In the water
- Alihukwe
- Oyster
Tracklist
- Walrus
- Satan
- In the water
- Cortisol
- Alihukwe
- King Franco Picasso
- The day I first found God
- Toxic city
- Brother
- Oyster
Gesamtspielzeit: 37:11 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
seabird Postings: 124 Registriert seit 11.08.2013 |
2016-12-07 13:29:02 Uhr
+ ganz eigener kreativer Sound+ bei jedem Durchgang entdeckt man irgendwie neue Dinge / Höreindrücke + trotz sperrigen Sounds fallen so einige tanzbare "Indie-Hits" ab ("Satan" und "Brother") + ein Album mit Ecken und Kanten (durchaus positiv) Highlights: 01. Walrus 02. Satan 08. Toxic City Gesamt: 7 / 10 |
dude83 |
2016-11-05 13:01:44 Uhr
Mega Album !!! |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27850 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-11-04 12:41:48 Uhr
@Robert G. Blume: Sorry, einbetten können nur wir. |
zu faul sich einzuloggen |
2016-11-04 10:01:41 Uhr
Klingt extrem spannend. Hätte mal wieder Lust auf was neues. |
Robert G. Blume Postings: 915 Registriert seit 07.06.2015 |
2016-11-03 23:24:24 Uhr
Freu mich drüber. "Satan" ist bereits seit Juli mein Song des Jahres.<iframe width="560" height="315" data-cookieconsent="marketing" data-src="https://www.youtube-nocookie.com/embed/yrsfyu9N0ps" frameborder="0" allowfullscreen></iframe> |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
The Flaming Lips; Grizzly Bear; TV On The Radio; El Vy; Genesis; Peter Gabriel; Sting; Sufjan Stevens; Shakey Graves; Alt-J; Jungle; Teleman; James Blake; Bon Iver; Radiohead; Whitney; C Duncan; Weaves; Glass Animals; Bishop Briggs; Yak; Sunflower Bean; Cate Le Bon; Warpaint; James Vincent McMorrow; Metronomy; Gaz Coombes; Death Cab For Cutie; Timber Timbre; Air; Electric President; Ezra Furman; Songhoy Blues; The Invisible; Department Of Eagles; Gang Of Youths; King Creosote; Steve Mason; Caveman; The Avalanches; Gold Panda; Blood Orange
Bestellen bei Amazon
Threads im Plattentests.de-Forum
- D.D Dumbo - Utopia defeated (9 Beiträge / Letzter am 07.12.2016 - 13:29 Uhr)