Malky - Where is Piemont?
Columbia / Sony
VÖ: 28.10.2016
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Endstation Sehnsucht
Italien ist auch nicht mehr das, was es mal war. Schließlich verbindet man das Mittelmeerland auch mit zweifelhaften Populisten, Mafia und Bunga Bunga, und die überfüllten und viel zu heißen Touristenstrände üben auch nicht mehr die Anziehungskraft aus, die sie mal hatten. In "Where is Piemont?", ihrer Hommage an Italien in Albumform, orientieren sich Malky daher weitgehend am Ideal, an dem Sehnsuchtsort voller Schönheit und Geheimnisse, der so vielleicht nie existiert hat. Wohl deshalb haben Daniel Stoyanov und Michael Vajna sich aus dem geschäftigen Berlin in die Provinz bei Leipzig zurückgezogen: um dieses Idealbild in musikalischer Form auferstehen zu lassen, fernab von ablenkender Realität. Die Hauptkomponenten ihres Sounds – Nostalgie, Pathos und Eklektizismus – werden hierbei so gekonnt kombiniert und orchestriert, dass sowohl wunderschöne als auch höchst unterschiedliche Songs entstehen.
Oft sorgen schmachtende Streicher mit Bass und Schlagzeug à la Ennio Morricone für den emotionalen Rahmen, zum Beispiel im Opener "The only one", zu dessen flirrenden Klängen man sich schon mal vorstellen kann, wie bei Capri die rote Sonne aus dem Meer aufsteigt. Etwas kitschig, aber doch auch atemberaubend. Anklänge an verschiedene Traditionen europäischer Folklore sind auch nicht zu überhören, wie im eingängigen "Theodore", das sich wohl bald auf allen gut bestückten Indie-Folk-Playlists wiederfinden wird. In anderen Fällen ist es Duett-Gesang im Siebziger-Flair, der den Zuhörer unmittelbar gefangen nimmt, wie in der zarten kleinen Liebesballade "Islands": "You and me are islands / In a sea of raging dreams" wird dort gesungen, während Geigen und Background-Chor die passende Romantik aufkommen lassen.
Im vorab veröffentlichten "Lampedusa" versuchen Malky, Geflüchteten eine Stimme zu geben. Leider wird die zerbrechliche und zugleich hoffnungsvolle Stimmung, die in der Musik transportiert wird, durch einen etwas platten Inhalt kompromittiert: Textzeilen wie "If you don't want my soul, then at least take my body" oder "Night and day, new bodies on the way" klingen (ungewollt?) zynisch, das unermüdlich wiederholte "I believe in miracles, miracles come true, they always do" klingt daneben noch naiver und unangemessener.
Am besten kommt der Eklektizismus in "Modern arch" zum Ausdruck. Das Stück beginnt mit Bläserfanfaren und karnevalesk anmutendem Überschwang, verliert sich im Mittelteil mit sphärischen Klängen im Nirgendwo, um kurz daruf auf Trommeln zurückgaloppiert zu kommen. In "Bulgaria" spielt Sänger Stoyanov kaum codiert auf seine Beziehung zu seinem Heimatland an: Der Song schildert, wie sich die Sehnsucht danach in seinem Alltagsleben immer wieder machtvoll Bahn bricht - in einem Strom aus Erinnerungen und Assoziationen vom Rosental bis zu Rakia. Begleitet wird Stoyanov nur von einem Klavier, das sich zunächst träumerisch gibt, gegen Ende jedoch mit einem Balkan-Rhythmus richtig Fahrt aufnimmt.
Allmählich wird klar, dass die Musik ihre ursprüngliche Inspiration Italien längst hinter sich gelassen hat und nach einem allgemein gültigen Ausdruck sucht: Sie lotet Wege aus, um zu berühren, ohne zu überfordern. Zielsicher vermittelt sie die richtige Portion Gefühl, drückt die richtigen Knöpfe, ohne zu sentimental zu werden. Vielleicht steht der Sehnsuchtsort Italien in diesem Fall sinnbildlich für die Sehnsucht als solche. Falls doch jemand ob des Albumtitels das Reisefieber packt: Piemont liegt im Nordwesten Italiens, zwischen Frankreich und der Schweiz.
Highlights
- Theodore
- Islands
- Bulgaria
Tracklist
- The only one
- Theodore
- Told I must die
- The fish
- Painlover
- Play
- When you talk to me
- Islands
- Lampedusa
- The cage
- Modern arch
- Cup of hope
- Bulgaria
Gesamtspielzeit: 51:43 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27648 Registriert seit 08.01.2012 |
2017-01-27 22:08:16 Uhr
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Marco |
2016-10-30 18:26:09 Uhr
Im großen ganzen ist das Album gut. Die homosexuelle Liebe zu Theodore ist herzergreifend, das James Bond Lied told i must die ist super, aber Painlover und modern Arch sind grauenhaft... Islands ist auch ganz nett. Das erste Album war besser. |
myx Postings: 5201 Registriert seit 16.10.2016 |
2016-10-30 06:26:01 Uhr
Das Album gefällt mir nicht so gut, wie ich aufgrund der Vorab-Single und der Rezi erwartet habe. Nur gerade "Told I Must Die" vermag mich noch zu erwärmen. Schade. |
myx Postings: 5201 Registriert seit 16.10.2016 |
2016-10-27 18:25:48 Uhr
Ich muss mich korrigieren: Es ist ja nicht so, dass die Rezensentin "Lampedusa" nicht gefallen würde. "Die zerbrechliche und zugleich hoffnungsvolle Stimmung, die in der Musik transportiert wird", ist schön formuliert. Das habe ich heute Morgen überlesen. Und ich kann verstehen, dass man die genannten Textstellen als "kompromittierend" empfinden kann. Mit der Kritik gehe ich jedenfalls auch einig. - Bin dennoch gespannt auf das Album. |
Achim Postings: 6286 Registriert seit 13.06.2013 |
2016-10-27 12:39:55 Uhr
Ich kenne das Album nicht, aber den Text zu "Lampedusa" muss man eigentlich ähnlich kritisch sehen wie die Rezensentin. Bei einem Album über Italien sollte die unfassbare, zeitlose Schönheit des Landes den kompletten Raum einnehmen und nicht durch irgendein bedauenswertes, aber (hoffentlich) temporäres Problem gestört werden.A. |
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Referenzen
Owen Pallett; Elbow; Noah And The Whale; Brothers Of Santa Claus; Bender And Schillinger; Farewell Dear Ghost; Talking To Turtles; Jungle Jungle; Hoozier; Mumford & Sons; John & Roy; Moving Houses; Edward Sharpe & The Magnetic Zeros; Beirut; Sea+Air; Polkov; Jack Beauregard; The Maccabees; Ennio Morricone; Lee Hazelwood; Calexico; Carson & Gaile; Adriano Celentano; Georges Moustaki
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- Malky - Where is Piemont? (7 Beiträge / Letzter am 27.01.2017 - 22:08 Uhr)