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Lady Gaga - Joanne

Lady Gaga- Joanne

Interscope / Universal
VÖ: 21.10.2016

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Hi, my name is

Lady Gaga würde die Wege von "ARTPOP" nicht weitergehen, nicht weitergehen wollen. Mal abgesehen vom kommerziellen Misserfolg ging auch das Konzept nicht auf. Die Art bastelte zwar Jeff Koons aufs Albumcover, schon der Pop aber wurde allzuoft mit dem Electro-Presslufthammer malträtiert und die Suche nach dem Amalgam Artpop übergaben Musikforscher alsbald den Mystikern. Das war 2013. Überspringen wir Lady Gagas zusehend angekratzte Psyche, den Rückgang der schier penetranten Omnipräsenz auf allen Kanälen und die schleichende Abkehr der Extravaganz, zeigte sich "Cheek to cheek" in vielerlei Hinsicht als heilende und hilfreiche Etappe. Gekoppelt an so gar keine monetäre Erwartung, bewies die 30-Jährige an der Seite von Jazz-Altmeister Tony Bennett, was ihr im Dance-Korsett oft abgesprochen wurde: Sie kann singen. Aus voller Kraft. Mit neuer Lust.

Nächster Schritt, 2015. Die opulent orchestrierte Klavierballade "Til it happens to you" bescherte Lady Gaga keinen Hit in den Charts, aber Anerkennung in Form einer Grammy- und Oscar-Nominierung. Das Stück ist Teil eines Dokumentarfilms über sexuelle Gewalt an Universitäten. Und, wie sie jüngst sagte, zählte auch ihre Tante Joanne zu den Opfern. Jene Tante hat Germanotta nie kennengelernt, weil sie schon mit 19 Jahren an Lupus starb, in der Familie aber nahm und nimmt sie offenbar einen wichtigen Teil ein. Zur Erinnerung ziert das Restaurant der Familie den Namen "Joanne", in Stefani Germanottas Personalausweis steht er an zweiter Stelle und nun auf Lady Gagas viertem Album. Somit darf man den "Ein Spiel dauert 90 Minuten"-Satz der Musikcharakteristik, es handele sich um ein persönliche Platte, aus dem Phrasenschwein heraus und auf den Nährboden legen.

Lady Gaga, lange darum bemüht, in Proklamationen wie "Born this way" als Mutpredigerin und Toleranz-Therapeutin anderen eine Stimme zu geben, möchte nun selbst mehr gehört werden. Sie erzählt in "Diamond heart" von ihrer Zeit als Go-Go-Tänzerin und versetzt sich im Titelsong in ihren Vater, der seiner Schwester Lebwohl sagt. "Girl, where do you think you're going?". Der sanft gezupfte, von Americana beeinflusste Track zählt mal eben zu Gagas besten überhaupt. Fraglich hingegen, warum ausgerechnet das schwächste Stück der Platte, "Perfect illusion", zur Leadsingle gekürt wurde. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Erstens: Man nimmt den Titel wörtlich und definiert ihn als Finte für den Rest des Albums. Zweitens: Man gibt sich, unterstützt durch das Video, der Illusion hin, dieser dünne Refrain, dieses Ungleichgewicht von kraftvoller Stimm-Performance und kleinlautem Hook-Arrangement, forme einen Rocksong. Drittens, und die wahrscheinlichste Variante, es liegt am Personal.

Produzent Mark Ronson mit Tame Impalas Kevin Parker und Hit-Schreiber Bloodpop (Madonna, Justin Bieber), das liest sich auf dem Papier nach "Wow", klingt aber mau. Offen bleibt etwa, was Parker, außer der überlieferten Anekdote, er habe da eine Idee für einen Song namens "Illusion", zu der Nummer beigesteuert hat. Von Tame Impala keine Spur. Das wird bei anderen Gästen klarer. Josh Hommes Gitarre im Opener ist unverkennbar und zum wohltuenden Distortionspensum des Rodeo-Stapfers "John Wayne" klöppelt er einen trockenen Beat tief in die Drums. Florence Welch begibt sich zum Duett im langsam tapsenden Soul-Funk von "Hey girl", bei dem Ronson seiner Retromanie frönen kann und Welch fürs Wohlbefinden sogar eine Harfe an die Seite gestellt bekommt. Außerdem dabei: Beck, Father John Misty, Sean Lennon als Slide-Gitarrist und Hillary Lindsey, die vornehmlich als Country-Pop-Songschreiberin in Erscheinung tritt und das in ihrem Zutun für "Joanne" mitnichten verhehlt.

"A-Yo" etwa, rhythmischer Cousin von The Ting Tings "That's not my name", klopft mit Brasshilfe den Präriesand von den Boots. Apropos Schuhe. "Tap down this boots while I beat around / Funk me downtown", singt Lady Gaga in "Dancin' in circles", während Madonnas "La isla bonita" nachhallt und Sitarklänge die erste Garde zum Linedance abholt. Elektronische Elemente fährt "Joanne" also auf ein Minimum zurück. Alleine deshalb könnte der Gegenentwurf zu "ARTPOP" kaum frappanter ausfallen. Jede abgetragene, künstliche Schicht hilft Lady Gaga, den herrlichen Slidegitarren-Country von "Sinner's prayer" wie eine Selbstverständlichkeit wirken zu lassen. "Come to mama" setzt Soul und Phil Spector im Revue-Pallast ab und die etwas überbordende Abschluss-Ballade "Angel down" gibt sich gar politkritisch. Das wirkt anfänglich alles etwas ungewohnt, aber auch der sammelsurische Eindruck schwindet alsbald. Wo Lady Gaga draufsteht, ist ab sofort auch Joanne drin. Germanottas dritter Vorname ist übrigens Angelina.

(Stephan Müller)

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Highlights

  • Diamond heart
  • Joanne
  • Sinner's prayer

Tracklist

  1. Diamond heart
  2. A-Yo
  3. Joanne
  4. John Wayne
  5. Dancin' in circles
  6. Perfect illusion
  7. Million reasons
  8. Sinner's prayer
  9. Come to mama
  10. Hey girl (feat. Florence Welch)
  11. Angel down

Gesamtspielzeit: 39:04 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Sean Kowalski
2019-02-15 20:31:58 Uhr
Play please soon in Gelsenkirchen

Darth Floersche

Postings: 90

Registriert seit 14.08.2015

2016-10-27 14:41:00 Uhr
"Joanne" ist ein richtig starker track geworden.

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 10368

Registriert seit 26.02.2016

2016-10-27 09:58:42 Uhr
Mit der 6/10 würde ich mitgehen, auch die Highlights passen in etwa. Hat sich auf jeden Fall gut entwickelt über die Woche.
OuterHeaven
2016-10-27 09:56:19 Uhr
Schrecklich dieser aufgesetzte Gesang in Diamond Heart und Perfect Illusion.
Ayo ist okay wenn man sich mit der Country Schiene anfreunden kann. Joanne ist ein schöner Track, die Melodie ist toll. John Wayne und Dancing in Circles sind hörenswert und tanzbar. Million Reasons ist die übliche Gaga Ballade, keine schlechte. Wer sich langweilien möchte hört Sinners Prayer. Come to Mama erinnert ein ein bluesiges Weihnachtslied und bei Hey Girl wird Gaga von Florence in Grund und Boden gesunden. Angel Down ist ein angenehmer Abschluss eines durchschnittlichen Albums.
Denke eine 7/1o ist hier drin, wobei eine 6/10 auch nachvollziehbar ist. Es ist auf jeden Fall ihr schwächstes Album.
Selbst Artpop war stärker!
FakeEmpire
2016-10-26 22:22:18 Uhr
Danke, gut zu wissen. Wobei sich "ein sehr gutes Album ohne Schwächen" auch mehr nach 8/10 liest :D
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