Lambchop - FLOTUS
City Slang / Universal
VÖ: 04.11.2016
Unsere Bewertung: 4/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Gegen die Wand
Manchmal ist alles eben etwas anders, als man vermutet. Jeder Hörer etwa, der sein Geld darauf verwettet hat, dass das neue Album von Lambchop eine Hommage an Michelle Obama ist – die noch amtierende First Lady Of The United States –, ist höchstens um ein paar Schulden reicher. "FLOTUS" steht laut Mastermind Kurt Wagner für "For love often turns us still" und hat mit dem Weißen Haus also herzlich wenig zu tun. Mit Häusern im Allgemeinen allerdings schon.
Denn, und auch das ist anders, Wagner und seine Lambchop-Kollegen ließen sich diesmal von den HipHop-Hörgewohnheiten der Nachbarn inspirieren, deren laute Musik ständig durch die Wände ins heimische Zimmer dröhnte. Ob die sich von "FLOTUS" aber wirklich so geschmeichelt fühlen sollten? Lambchop ziehen mit ihrem zwölften Album jedenfalls geradewegs in die Panierstraße und hauen die Nachbarn ordentlich in die Pfanne: Mit so etwas hatte man als langjähriger Hörer wohl nicht gerechnet.
Die Dringlichkeit oder auch die Direktheit, die (zumindest guten) HipHop traditionell ausmachen, fehlen Wagner und Co. hier fast komplett. Der Opener "In care of 8675309" etwa startet angenehm und leichtfüßig – der Vocoder-Effekt im Gesang sorgt für leicht psychedelische Stimmung, das sanfte Gitarrenspiel und die dezent platzierten Streicher im Hintergrund für Wohlgefühl. Mit seiner erdrückenden Länge von fast zwölf Minuten geht dem Stück aber jeglicher Wind in den Segeln verloren, sodass aus der Wonne irgendwann nur noch Wahnsinn wird.
"Old masters" versucht sich an spielerischen Rhythmen, kommt letzten Endes aber doch nicht so recht aus dem Quark – in dem auch das ganz offensichtlich experimentell angelegte und leider nur fehl am Platz wirkende "JFK" gleich von Anfang an versinkt. "FLOTUS" passt einfach nicht richtig, weder vorne noch hinten, und zwickt stellenweise richtiggehend unangenehm. Das heißt nicht, dass das Album nicht doch ein paar wenige Lichtblicke hat: Das loungeartige "Relatives #2" findet den Weg, Altes mit Neuem zu verbinden, ohne sich selbst zu verlieren, und der Titeltrack versucht sich gekonnterweise gar an Bon-Iver-Anleihen.
Ansonsten bleibt "FLOTUS" nur allzu oft im Verkehr der Spielstraße stecken: "NIV" verirrt sich in halbgaren Stimm-Verzerr-Versuchen und hat außer seiner schönen Piano-Melodie nicht viel zu bieten, die allerdings durch ärgerlich-albern daherkommende Klangfetzen fast vollständig übertönt wird. Dem Abschlusssong "The hustle" blüht hingegen das gleiche Schicksal wie seinem Gegenstück am Anfang des Albums: Bei einer Spielzeit von über 18 Minuten ist man trotz gelegentlich guter Momente (und astreinen Bläsereinsatzes) fast froh, wenn es vorbei ist. Es bleibt eine glückliche Erkenntnis: Nachbarn kann man sich oft nicht aussuchen – die Alben im Player allerdings schon.
Highlights
- FLOTUS
- Relatives #2
Tracklist
- In care of 8675309
- Directions to the can
- FLOTUS
- JFK
- Howe
- Old masters
- Relatives #2
- Harbor Country
- Writer
- NIV
- The hustle
Gesamtspielzeit: 68:51 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33084 Registriert seit 07.06.2013 |
2021-09-30 09:36:27 Uhr
Deiner Erinnerung ist besser? :DIch mag das Album irgendwie. Ganz anderer Ansatz als "Is a woman", aber trotzdem schön. |
Gomes21 Postings: 5158 Registriert seit 20.06.2013 |
2021-09-21 22:14:28 Uhr
Huh, bei dem Konzert vor 4 1/2 Jahren bin ich aber wohl übelst mit dem linken Fuß aufgestanden :-D |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33084 Registriert seit 07.06.2013 |
2021-09-21 18:59:04 Uhr
"The hustle" immer noch sehr edel. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33084 Registriert seit 07.06.2013 |
2020-05-25 22:05:31 Uhr
"The Hustle" ist wirklich sehr toll. |
Gomes21 Postings: 5158 Registriert seit 20.06.2013 |
2017-02-17 22:55:44 Uhr
Ich hab sie mir gerade Live angetan. Wer hat denen eigentlich das mit dem Autotune eingeimpft? Einfach nur grauenhaft. Ich wäre gerne früher gegangen, aber ich saß leider in der Mitte des Konzertsaals. Die 2h kamen mit länger vor als beim Zahnarzt. |
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Referenzen
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