Julia Jacklin - Don't let the kids win

Transgressive / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 07.10.2016
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Australicana
Merkwürdige Schwimmbad-Fete. Das warme Licht des Sonnenuntergangs ist ja ganz angenehm, aber der viele Sand überall nervt irgendwie schon ein wenig. Und warum tragen denn bloß alle Anwesenden hier Badesachen in Holzfäller-Optik, nur echt mit 32 Karos? Kühle Frucht-Cocktails fehlen ebenso wie lustige aufblasbare Schwimmreif-Entchen, stattdessen gibt es Whiskey und, Moment – sind das da hinten echt ein paar Pferde? Julia Jacklin feiert die Feste wohl wirklich, wie sie fallen – eigentlich könnte man meinen, dass die Australierin etwas mehr Ahnung von einer echten Pool-Party hätte. Vielleicht überrascht sie aber auch einfach nur gern. Ihr Debütalbum "Don't let the kids win" tut es ja auch.
Womöglich ist das, was Jacklin da veranstaltet, aber auch einfach die Down-Under-Version von Americana. Mit ihrer Mischung aus Folk und Alternative-Country überzeugt sie jedenfalls bereits in den ersten Minuten des Openers "Pool party", wenngleich man beim Titel wahrlich eher eine Surf-Pop-Hymne erwartet. Macht nichts: Melancholisch schunkelnd und in die untergehende Sonne blinzelnd präsentiert sich Jacklin ihrem Publikum hier, und während sie noch mit bittersüßen Fünfzigerjahre-Harmonien flirtet, vergeht sie gleichzeitig schon im Herzschmerz ob des Drogenmissbrauchs ihres Partners. Es ist genau jene Sehnsucht, die sich wie ein roter Faden durch "Don't let the kids win" zieht, und sowohl die Singer-Songwriterin selbst als auch die insgesamt elf Stücke so überzeugend wie großartig macht.
So etwa auch das fragil-akustische "Elizabeth", in dem die 25-Jährige mit minimalen Mitteln die maximale Wirkung erzielt: "And I'll be there for you, darling / Even if it all falls through", singt sie in dieser Hommage an die Freundschaft – mutmaßlich für Liz Hughes vom gemeinsamen Indie-Pop-Projekt Phantastic Ferniture –, mit einfachen Worten, die die Welt bedeuten können. Etwas handfester und robuster gibt sich "Hay plain", ohne Jacklins bewusst als Stärke markierte Sensibilität in den Hintergrund zu verfrachten. Mit der zweiten Single "Leadlight" gibt es gar vergnügten Twang-Pop, der in der letzten halben Minute zum großen Rundumschlag ausholt und mitsamt Background-Chor die Emotions-Keule schwingt. Und obgleich "Coming of age" sich mit seinen Stromgitarren durchaus vom Rest des Albums abhebt, funktioniert es als Einzelstück ebenso gut wie im Gesamtkontext. Was also ist Julia Jacklins Geheimnis?
Am wahrscheinlichsten ist tatsächlich die einfachste Lösung: Sie hat keines. "Don't let the kids win" handelt von ihrem Leben, ihren Erfahrungen, ihren Gedanken – "an intimate examination of a life still being lived", heißt es auf ihrer Homepage. Eine Aussage, die ins Schwarze trifft: Egal, ob sie im hauchzarten "Sweet step" davon erzählt, wie sie alleine in ihrem Zimmer tanzt oder im rhythmischen "Small talk" über die Ähnlichkeit des Schauspielers Zach Braff mit ihrem Vater spricht – "back when I thought I had the best one" –, immer wirkt es, als würde Jacklin mit schönster musikalischer Untermalung aus ihrem Tagebuch vorsingen. Es ist eine Art der Intimität, die oftmals als Schwäche angesehen wird, der Australierin aber tatsächlich Größe verleiht. So mag man sich auch lange nach Verstummen des sanften Rausschmeißers und Titeltracks kaum von dieser merkwürdigen Schwimmbad-Fete lösen, aus reiner Sorge, etwas Wichtiges verpassen zu können. Wer weiß, mit welcher Überraschung sie als nächstes ankommt.
Highlights
- Pool party
- Leadlight
- Sweet step
- Hay plain
Tracklist
- Pool party
- Leadlight
- Coming of age
- Elizabeth
- Motherland
- Small talk
- LA dream
- Sweet step
- Same airport, different man
- Hay plain
- Don't let the kids win
Gesamtspielzeit: 43:22 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Hanno (unangemeldet) |
2017-09-11 23:19:48 Uhr
Klarer Anwärter für die Top Ten der Kategorie "Beste Platte mit den geringsten PT-Forumseinträgen"! |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28471 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-10-21 20:33:57 Uhr
Julia Jacklin hat uns vor kurzem erst verzaubert, als sieSolo ihren In Store Gig im Dodo Beach in Berlin gespielt hat. Wer nicht das Glück hatte dort zu sein, bekommt noch mal die Möglichkeit nächste Woche, dieses Mal mit Band: 24.10. Berlin - Maze 25.10. Köln - Blue Shell* 26.10. München - Unter Deck* *w/ Whitney Am 07. Oktober erschien das Debüt Album der Australierin „Don’T Let The Kids Win“ über Transgressive Records. Ein Album was sich auf verspielte Weise mit dem Erwachsen werden befasst. Hier das Video zu ihrer Single „Pool Party“: Julia Jacklin - Pool Party (Official Video) from PIASGermany on Vimeo. |
Editor |
2016-10-07 11:59:36 Uhr
Hab mir die Singles angehört. Gefällt mir sehr gut. Wir gekauft. |
Ulia Acklin |
2016-10-05 23:07:07 Uhr
Puh, diese Rezi macht ja nicht im mindesten Lust, wenigstens mal in das Album reinzuhören. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28471 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-10-05 20:59:56 Uhr
Frisch rezensiert. "Album der Woche".Meinungen? |
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Referenzen
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