Woven Hand - Blush music

Glitterhouse / Indigo
VÖ: 03.02.2003
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Der bleiche Reiter
Eine Klapperschlange gleitet über trockenen Wüstensand. Ihr seltsamer Tanz hinterläßt noch merkwürdigere Muster zwischen den verdorrten Kakteen und abgenagten Resten der Tierkadaver. Die von der Hitze geschundene Luft flirrt im Takt der unerbittlich zirpenden Zikaden. Ein verdurstender Desperado, der mit dem Weg in die Abgeschiedenheit seine Erlösung suchte, klammert sich an die morschen Reste eines Holzkreuzes und starrt in die wabernden Luftschichten. Er wähnt sich im Delirium, sieht er doch dort lauter Menschen, die sich rhythmisch winden und miteinander verknoten. Ein absurdes Ballett für den Todgeweihten?
Experte für solcherlei Kopfkino ist David Eugene Edwards schon länger. Während er mit Sixteen Horsepower seit Jahren für ein kathartisches Highlight nach dem anderen sorgt, geriet das zaghafte Solodebüt unter dem Emblem Woven Hand im letzten Jahr zu einer relativen Enttäuschung. Zu wenig Leidenschaft war zu verorten, zu viel Licht im Klang des Düstermannes. Doch dieser Schein hat auf "Blush music", der musikalischen Umsetzung des Orpheus-Mythos für das belgische Tanztheater Ultima Vez, ausgeleuchtet.
Edwards Zusammenarbeit mit Wim Vandekeybus, der für sein "Blush"-Projekt noch musikalische Unterstützung suchte und ausgerechnet von dEUS-Kopf Tom Barman auf Sixteen Horsepower aufmerksam gemacht wurde, erweist sich als echter Glücksfall - wenn man das Wort "Glück" nicht allzu wörtlich nimmt. Aus dem Material des selbstbetitelten Debüts, drei neuen Moritaten und einer Faszination für spannungsreiche Klangspielereien erschuf Edwards eine sinistre Reise in die Unterwelt. "Ain't no sunshine" wird zu einer bedrückend überlangen Sonnenfinsternis. Sirenen singen, Dämonen kreischen, Seelen bersten. "Now grim pilgrim / He come around / As he did he will roll / Drivin' like there ain't no God at all." Wer es da nicht mit der Angst zu tun bekommt, ist vermutlich schon einem Herzschlag erlegen.
Nackte Melodien treffen auf gespenstische Atmosphäre. Zerbrechliche Melodiebögen loten verstörende Abgründe aus, wo sich Songs wie "My Russia" oder "Story and pictures" in faszinierenden Inkarnationen wiederfinden. "There is no harm / In you alone" beschwört er den vagen Funken Hoffnung, der ihn zu retten verspricht. Und als schließlich alle Zuversicht zu ersterben droht, taucht "White bird" auf. "These thoughts of you / Are the dreams that I have missed." Gänsehaut. Erlösung. Der Alptraum endet dort, wo er begann.
Highlights
- Cripplegate (Standing on glass)
- White bird
- Another white bird
- Story and pictures
Tracklist
- Cripplegate (Standing on glass)
- Animalitos (Ain't no sunshine)
- White bird
- Snake bite
- My Russia (Standing on hands)
- The way
- Aeolian harp (Under the world)
- Your Russia (Without hands)
- Another white bird
- Story and pictures
Gesamtspielzeit: 67:04 min.
Referenzen
Sixteen Horsepower; Lilium; Timesbold; Mark Lanegan; Nick Cave & The Bad Seeds; Madrugada; The Black Heart Procession; The Mission; The Gun Club; Murder By Death; Dirty Three; Friends Of Dean Martinez; Calexico; Giant Sand; Palace Brothers; (Smog); Nina Nastasia; The Walkabouts; T-Bone Burnett; Leonard Cohen; Townes van Zandt; Lead Belly; Mogwai; Aereogramme; Lude; Godspeed You Black Emperor!
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