Yann Tiersen - Eusa

[PIAS] Cooperative / Mute / Rough Trade
VÖ: 30.09.2016
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Wenn einer eine Breizh tut
"EUSA" – offiziell wird der Titel des neuen Yann-Tiersen-Albums in Majuskeln geschrieben. Voreilig ließe er sich politisch-geographisch deuten, mit Gruff Rhys‘ Anti-Brexit-Ballade "I love EU" oder mit "USADSB" der dänisch-englisch singenden Band Nephew vergleichen. Aber nichts dergleichen: "Eusa" ist der bretonische Name der kleinen Insel Ouessant. Knapp 900 Einwohner teilen sich eine Fläche von knapp 16 Quadratkilometern, die mit zwei Besonderheiten aufwarten kann: "Die Form der Insel erinnert entfernt an eine Krabbe", so Madame Wikipedia trocken. Auf besagter Krabbe lebt denn auch Yann Tiersen. Schon früher spielte er Alben auf seiner Heimatinsel ein, doch während beispielsweise "Les retrouvailles" von seiner Weltläufigkeit zeugte, verbleibt sein – verblüffenderweise in den Abbey Road Studios eingespieltes – neues Werk "Eusa" innerhalb gewisser Grenzen.
Die Beschränkung auf das Klavierspiel ist im Hinblick auf sein bisheriges Schaffen sicherlich keine mutige Entscheidung: Wer daran denkt, wie Chilly Gonzales den Wechsel vom Electroclash- zum Pianoexzentriker vollzogen hat, ohne an Glaubwürdigkeit einzubüßen, wird den zaghaften Methodenwechsel des Multiinstrumentalisten Tiersen für die schwächere Story halten. Gleichwohl war dieser Schritt für einen Künstler, der seit dem "Amélie"-Soundtrack gegen das eigene Klischee ankämpfen muss, längst fällig. Entsprechend bedächtig-konzeptuell mutet "Eusa" an: Improvisationen, die unter der Betitelung "Hent" (bretonisch für "Pfad") laufen, führen zu den komponierten Stücken, die nach Standorten auf der Insel benannt worden sind. Diese Einzelteile sollen mit Tonaufnahmen vor Ort zu einer geographischen Einheit zusammengeführt werden.
Doch es ist die minimalistische Musik, die eine karge Poesie der Île d'Ouessant zu vermitteln vermag, sei es im Walzertrott von "Porz goret" oder den ungestümen Stücken "Kereon" und "Kadoran", auch wenn sich Rückbezüge zu früheren Werken nie verkneifen lassen. "Lok gweltaz" mutet in der windstillen Frühlingssonne besonders empfindsam an, insgesamt fällt die Einbindung der Field-Recordings zu einem atmosphärisch-intimen Ganzen jedoch zaghaft aus. So unfair der Vergleich auch ist, da Tiersen mit einem stringenten Konzept auf Albumlänge aufwartet und, von ein- und ausgangs verlesenen Zitaten der bretonischen Dichterin Anjela Duval abgesehen, völlig nonverbal agiert: Sol Seppys "Injoy" aus ihrem Album "The bells of 1 2" weiß die Botschaft treffender auszudrücken. Bei aller unverkennbarer, fast schon gewohnter Schönheit muss sich Yann Tiersen den Vorwurf gefallen lassen, dass er zu "Eusa" überhaupt keine wahrhaftige Bindung herstellen (lassen) möchte – oder kann. Um es angemessen verkopft auszudrücken: Der Dualismus vom Extrinsischen mit dem Intrinsischen – so viel zu dem Versuch, es mit dem Klavier einfacher angehen zu lassen.
Highlights
- Porz goret
- Lok gweltaz
- Kereon
- Yuzin
Tracklist
- Hent I
- Pern
- Hent II
- Porz goret
- Lok gweltaz
- Hent III
- Penn ar roch
- Hent IV
- Kereon
- Hent V
- Yuzin
- Roch ar vugale
- Hent VI
- Penn ar lann
- Hent VII
- Enez nein
- Kadoran
- Hent VIII
Gesamtspielzeit: 57:16 min.
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