Afrob - Mutterschiff

One Shotta / Soulfood
VÖ: 23.09.2016
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 2/10

Space Cadet
Afrob als Rapper gibt es gefühlt so lange wie Windows-Betriebssysteme. Seit der "Rolle mit HipHop" und ersten Club-Hits für die Pubertierenden der Jahrtausendwende ist HipHop in Deutschland schon mehrmals gestorben und wieder auferstanden. In nahezu identischen Wellenbewegungen hat die Karriere des gebürtigen Italieners nach mehreren kleinen und großen Unterbrechungen erneut an Fahrt gewonnen. Afrob kam mit einem "Push" zurück und nutzte die wiedererlangte Präsenz für die Fortsetzung des ASD-Projekts mit Busenkumpel Samy Deluxe. Der Energieanzeiger ist voll geladen. Hier möchte jemand sicht- und hörbar durch die restrukturierte Szene flippern. Jetzt heißt es die selbstgebaute Startrampe nutzen, um in unbekanntere Sphären und Arbeitsweisen vorzustoßen. Für Afrob und sein neues Werk "Mutterschiff" bedeutet das: verstärkt auf die gegenwärtigen Entwicklungen im Rap eingehen, die weiter reichen als Boom-Boom-Clap und zwei fehlerfrei geflowte 16er.
Das Markenzeichen – die druckvolle Stimme – ist immer noch da. Allerdings tritt sie häufig verfremdet in Erscheinung. Die Plug-ins aus den Maschinen pitchen und tunen das Organ. Zweifellos versucht dieses Album den komplizierten Spagat zwischen einem Zufriedenstellen der Realkeeper-Basis und dem Anschluss an den Sound der Gegenwart. Damit ist bereits das eigentliche Problem der Platte umrissen: Afrob kann auf Trap-Beats rappen und Afrob kann auf herkömmlicheren Instrumentals abliefern. Was Afrob leider weniger gut gelingt, ist beide Genre-Entwürfe kohärent in einen Albumkontext zu bringen. Der Weg von der Hörerschaft eines Toni-L zum Space von LGoony ist lang und beschwerlich. Dieses Dilemma setzt sich ebenso auf der inhaltlichen Ebene fort. Ignorante Representer wie "Ich bin dieser" oder "One man show" stehen neben autobiographischen Kopf-hoch-alles-wird-gut-Hymnen der alten Schule. Die mindestens genauso alte Kameradschaften pflegt Afrob mit Akribie. Dabei wankt das "Mutterschiff" jedoch bedenklich, sobald der unvermeidliche Xavier Naidoo in "Weit weg" mit seiner ihm ureigenen Reichsbürger-Art sanftmütig Verschwörungstheorien anstimmt. Allgemein bewegt sich die Feature-Liste auf der Seite derer, die wenig mit des Raps Neo-Attitude am Hut haben, sondern die gute alte Zeit verkörpern.
Diese Platte wagt zwar musikalisch viel, aber muss sich doch Inkonsequenz vorwerfen lassen, wenn die zusätzlichen mehr oder minder prominenten Einflüsse nur aus einem generischen Pool stammen. Afrob ziert sich spürbar vor der kompromisslosen Eingliederung in die neuen Welten, in die er hastig vorzupreschen versucht. Vor dem Hintergrund eine Urmütterlichkeit darstellen zu wollen, die zugleich ein Hier-und-Jetzt abzubilden vermag, verliert sich dieses Spiel mit den Genregrenzen viel zu oft in belanglosen Fingerübungen statt in veritablen High-Scores. Alte Selbstzitate auf "Es geht wieder los", die ein vergangenes Lebensgefühl zwischen Abhängen und Gig beschwören, folgen auf Autotune-Hooks und Adlib-Salven in "Mein Song". Es prallen Ansichten aufeinander, die kaum ineinandergreifen. Afrob geht die Leichtigkeit ab, die nötig ist, um den Spaßfaktor über die Subbässe zu retten – er zieht sich sukzessive in klassische Erzählmuster zurück, die ein Hemmnis auf den eingeschlagenen musikalischen Pfaden sind. Vor einer amtlichen Karriere auf der Brücke eines Raumgleiters steht nunmal erst die Kadettenlaufbahn.
Highlights
- Ich bin dieser
- One man show
Tracklist
- Ich bin dieser
- Alles nehm ich mit
- Einfach machen (feat. Gentleman)
- Warum bist du so
- Herz und Seele (feat. Samy Deluxe)
- Kein Weg zurück
- One man show
- Mein Song
- Es geht wieder los (feat. MC Sadri)
- Das muss es sein (feat. Haben)
- Weit weg (feat. Xavier Naidoo)
- Interlude
- Wenn ich groß bin (feat. Chefket)
- Irgendwann
- Oh Gott (feat. M.A.M.)
- No love
Gesamtspielzeit: 59:21 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Nafri - Schlepperschiff |
2018-06-25 20:01:41 Uhr
Die europäische Lösung, nach Italien, Malta und Frankreich:Flüchtlinge an Bord Auch Spanien weist Rettungsschiff "Lifeline" ab |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28240 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-09-21 20:41:23 Uhr
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Referenzen
Samy Deluxe; ASD; FK Allstars; Max Herre; Freundeskreis; Joy Denalane; Gentleman; Massive Töne; Sékou; Nosliw; Mellowbag; Ferris MC; BrothersKeepers; Olli Banjo; Abaza; Hassan Annouri; Curse; Clueso; Jan Delay; Absolute Beginner; Cro; Azad; Die Fantastischen Vier; Torch; Toni-L; MC Sadri; Kool Savas; D-Flame; Dynamite Deluxe; Manuellsen; Ganjaman; Xavier Naidoo; Moses Pelham; Patrice; Jazzkantine; Sam Ragga Band; Busta Rhymes; Kanye West; Jay-Z; Wu Tang Clan; Ol' Dirty Bastard; Method Man; Mos Def; Ghostface Killah; A Tribe Called Quest; RZA; DMX; Mobb Deep; Sido; Bushido; Fler; Booba; Kaaris; Rick Ross; Meek Mill; Waka Flocka Flame
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