Wrekmeister Harmonies - Light falls

Thrill Jockey / Rough Trade
VÖ: 16.09.2016
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Am Ende des Tunnels
J.R. Robinson, seines Zeichens Kopf von Wrekmeister Harmonies, ist ein interessanter Typ. Im Studio liebt er Kollaborationen mit anderen Musikern und kann diesbezüglich auf einen weitreichenden Kreis an Freunden und Bekannten zählen. Was die Musik und die Thematik dahinter angeht, so zieht der aus Chicago stammende Kreativkopf dagegen seine Inspiration aus Düsternis, Einsamkeit und Horror. Mit dem neuesten Werk "Light falls" ändert sich daran nichts. Zugrunde liegt Primo Levis Bericht "Ist das ein Mensch?", welcher darin autobiographisch seine grauenvollen Erlebnisse im Konzentrationslager Auschwitz niederschrieb. Dass entgegen dem Albumtitel entsprechend wenig Licht durch die Musik scheint, ist kein Wunder. Ganz im Gegensatz zur Platte selbst.
Vorangegangene Alben von Wrekmeister Harmonies enthielten meist nur ein oder zwei Kompositionen, auf "Light falls" erscheint die Tracklist mit sieben Einträgen vergleichsweise imposant. Doch das ist reine Formalität – denn Pausen gibt es nicht und einzelne Passagen ergeben hier außerhalb des Gesamtkontextes ohnehin wenig Sinn. Das fünfte Werk des Kollektivs erfordert die Bereitschaft einzutauchen, sich der unheilvollen Atmosphäre hinzugeben. Der Einsatz wird belohnt: "Light falls" ist das bislang ausgereifteste und emotional vielschichtigste Album geworden. Nicht zuletzt prägt die Unterstützung dreier Mitglieder von Godspeed You! Black Emperor den Sound – die kratzenden Saiten und klagenden Violinen kennt man schließlich bereits von dort.
So eröffnet die titelgebende Trilogie tonbestimmend entsprechend der Thematik der Buchvorlage die LP. Streicher schichten sich ruhig und gemächlich übereinander, während Robinson die emotionale Abstumpfung im KZ in "The mantra" vorspricht. "Stay in. / Go out. / Get sick. / Get well." Das Geschwader der verdichtet sich und entlädt sich erstmalig im nächsten Part "The light burns us all" in einen Groove, der wie ein Mühlenstein quälend langsam mahlt und gefühlt mehrere Tonnen wiegt. Er kehrt im Verlauf des Albums noch mehrfach wieder. Zunächst fällt der Titeltrack aber im letzten Teil in eine ambientartige Trance, bis das Gitarrenriff erneut zurückkommt.
"Light falls" meditiert in seiner Spielzeit vorwiegend über ein bestimmtes Gefühl, konzentriert sich auf wenige Klangfarben und eignet sich deshalb kaum zum Nebenbeihören. Erst mit Konzentration erschließt sich die pure Sehnsucht in "Where habe you been my lovely son?", in dem Robinson den geschichtlichen Hintergrund mit einer Widmung an seinen eigenen Sohn verknüpft, zu dem er, durch eine Trennung von dessen Mutter, keine enge Bindung mehr hat. Der emotionale Höhepunkt schließt sich mit dem höllisch grollenden "Some were saved some drowned" an. Wer bei dem plötzlichen verzerrten Aufschrei "There's a ship! / I can see it from a mile away!" keine Gänsehaut bekommt, sollte umgehend den eigenen Puls fühlen.
Was auf "Light falls" fehlt, sind die härteren, noisigeren Passagen, die "Night of your ascension" in Teilen noch zu bieten hatte. Vermisst werden sie nicht – "Light falls" ist im Gegenzug fokussierter und geschlossener. Die Reduktion der Anzahl an Mitstreitern hat Robinson ebenfalls dazu gebracht, überflüssige Ausschweifungen zu reduzieren und so die Musik auf ihren wesentlichen Kern zurechtzustutzen. Der entpuppt sich als erschreckend düster und dennoch äußerst bewegend und von Schönheit erfüllt. "There is no God", heißt es zum Ende hin, wenn der Absteig in die Dunkelheit vollzogen ist. Den Lichtstrahl zum Trost stellen Alben wie dieses dar.
Highlights
- Light falls II – The light burns us all
- Where have you been my lovely son?
- Some were saved some drowned
Tracklist
- Light falls I – The mantra
- Light falls II – The light burns us all
- Light falls III – Light sick
- The gathering
- Where have you been my lovely son?
- Some were saved some drowned
- My lovely son reprise
Gesamtspielzeit: 42:30 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Loto |
2016-09-08 14:41:41 Uhr
Some Were Saved, Some Drowned kann man bereits hören, ist wirklich wahnsinnig gut geworden. Schade dass es erst nächste Woche erscheint. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28505 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-09-07 21:24:15 Uhr
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Herder Postings: 1837 Registriert seit 13.06.2013 |
2016-08-24 20:52:56 Uhr
Ja, sehr große Vorfreude! Auf der Thrill-Jockey-Seite kann man auch noch etwas weiter hineinlauschen (bei "Tracklist"):https://www.thrilljockey.com/products/light-falls |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10532 Registriert seit 26.02.2016 |
2016-08-24 13:25:30 Uhr
Neues Album kommt am 16.9.!Ich fand ja "Night Of Your Ascension" groß und das hier wird wohl reduzierter, aber nicht weniger wunderbar. 3 Leute von Godspeed You! Black Emperor sind auch dabei. Trailer |
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Referenzen
Godspeed You! Black Emperor; A Silver Mt. Zion; Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra; Swans; James Welburn; Locrian; Mogwai; Slint; Mamiffer; Horseback; Ben Frost; Efrim Manuel Menuck; Corrections House; Planning For Burial; Lawrence English; Menace Ruine; Oren Ambarchi; SunnO))) & Boris; Khanate; Godflesh; Pyramids; Nadja; Ulver; Fantômas; Grouper; Thou; Amenra; Ryley Walker; Christina Vantzou; Neurosis; Burning Witch; The Body; Yakuza; Cave; Come; Disappears; Indian; Bloodiest; Anatomy Of Habit; Marissa Nadler; Einstürzende Neubauten; Olivia Block; Esther Shaw
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