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Clipping. - Splendor & misery

Clipping.- Splendor & misery

Sub Pop / Cargo
VÖ: 09.09.2016

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Illegal alien

Die Ausgangslage ist keine einfache, aber einfach erzählt: Apokalypse. Die Welt, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Im pechschwarzen, totenstillen Universum fliegt ein Frachtraumschiff und trägt neben der normalen Besatzung vor allem auch eine Gruppe von Sklaven in sich. Der Sklave mit der Nummer 2331 ist aufmüpfig, er lässt sich nicht gern etwas sagen, er will vorm Essen beten, er stählt seinen Körper, er stellt unangenehme Fragen, er gibt kluge Antworten. Er plant den Aufstand. Dieser bleibt nicht ohne Folgen: Alle Insassen sterben, nur Sklave 2331 überlebt und reist durch das mächtige, allumfassende, alles schluckende Schwarz. Der Bordcomputer verliebt sich in ihn. Sklave 2331 kann die verkabelte Liebe nicht erwidern und kämpft nicht mehr gegen seine Herrscher an, sondern gegen die Einsamkeit. Und ist, wohin er auch fliegt, immer ein Außerirdischer, immer ein Fremdling. Und immer allein.

Das ist das Konzept hinter "Splendor & misery", dem zweiten Studioalbum der kalifornischen Experimental-Rapper von Clipping., die schon 2014 mit ihrem beeindruckenden Debüt "CLPPNG" die Grenzen des HipHop gekonnt zu verwischen wussten. Dass gerade Clipping., die sich selbst in keine Ketten legen lassen, mit ihrem futuristischen Sound eine dystopische Befreiungsgeschichte erzählen, scheint passend. Zudem stand Frontmann Daveed Diggs bis Juli 2016 im bejubelten abolitionistischen Musical "Hamilton" auf der Bühne und wurde für seine Performance mit dem Tony Award belohnt. "Splendor & misery" ist natürlich weniger massentauglich als der Broadway-Publikumsliebling von Lin-Manuel Miranda. Hinsetzen und zuhören sollte man dennoch unbedingt.

"Warning! / Mothership reporting / Cargo number 2331 is armed and he is dangerous / Warning! / Mothership reporting / Cargo number 2331 is setting a new course / Warning! / Mothership reporting / All black everything." Mit ihrer eklektischen Mischung aus HipHop und Electronica schaffen Clipping. sich ihre eigene Atmosphäre. "All black" wirkt durch die eingestreuten Befehl-Laute ungemütlich, die rappende Erzählstimme hingegen selbstbestimmt und aufrührerisch, motivierend, animierend. Clipping. rufen den Ausnahmezustand aus. "Air 'em out" ist fast schon herkömmlicher HipHop, wären auch hier nicht die bewusst eingesetzten Störgeräusche und das hintergründige Rauschen des Raumschiffs. "Wake up" bekommt durch diese Soundspielereien gar eine noisige Note, ohne wirklich noisig zu sein – den Teil übernehmen eiskalte Stücke wie "Break the glass" oder "True believer".

Dass Clipping. nicht den großen, hartkantigen, lauten Auftritt benötigen, um ihre Geschichte glaubhaft verkörpern zu können, beweist etwa das leider nur eineinhalbminütige "Long way away", das wie eine Weltraum-Bluesnummer der Marke "O brother, where art thou?" daherkommt: Ein A-Cappella-Chor arbeitet sich mühsam erst durch das Rauschen, dann durch die Stille. Am Ende siegt wieder das Unbehagen, jedoch nur vorerst. Der Gospel von "Story 5" versöhnt, es beruhigt das Gemüt, es nimmt die Angst. Diggs hat den Broadway verlassen, der Broadway jedoch offensichtlich nicht Diggs. Zum Glück: Es ist eine willkommene Verschnaufpause, bevor das auf Links gedrehte "Baby don't sleep" die Dinge in die Hand nimmt und einen neuen Heimatplaneten ansteuert. Irgendwo muss es ein Zuhause geben. "A better place" findet es, natürlich. Clipping. feiern den festen Boden unter den Füßen mit einem fast schon tanzbaren Beat, einen Raumanzug braucht man hier nicht mehr, einen Helm sowieso nicht. Wind in den Haaren spüren. Den Geruch von Gras in der Nase riechen. Tief durchatmen. Geschafft.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • All black
  • Long way away
  • True believer
  • Air 'em out
  • Story 5
  • A better place

Tracklist

  1. Long way away (Intro)
  2. The breach
  3. All black
  4. Interlude 01 (Freestyle)
  5. Wake up
  6. Long way away
  7. Interlude 02 (Freestyle)
  8. True believer
  9. Long way away (Instrumental)
  10. Air 'em out
  11. Interlude 03 (Freestyle)
  12. Break the glass
  13. Story 5
  14. Baby don't sleep
  15. A better place

Gesamtspielzeit: 37:28 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

cargo

Postings: 758

Registriert seit 07.06.2016

2016-09-17 10:39:06 Uhr
Mal abgesehen davon, dass Diggs wirklich ein unglaublich guter MC ist - das Album kann mich überhaupt nicht überzeugen. Klar, steckt ein besonderes Konzept dahinter. Es sind halt nur keine (kaum) Songs vorhanden. Spoken Word und Fragmente, das ist alles. Das kann man dann Kunst nennen oder einfach nur überbordender Mist. Klingt für mich nach letzterem.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 11384

Registriert seit 23.07.2014

2016-09-09 20:24:33 Uhr
Ah, alles klar. Ja stimmt, wenn das nach Studioalben geht, macht das natürlich Sinn. Klang für mich nur, als würden sie erst seit 2014 die Grenzen des Hip-Hops überschreiten. :D

Es ist auf jeden Fall sehr interessant geworden. Diese düstere Raumschiffgeschichte wird echt gut umgesetzt, der dunkle atmosphärische Sound hat was. Diese Gospelmomente (vor allem "Story 5") finde ich bisher jedoch noch recht merkwürdig, genauso wie der Closer (was zur Hölle? :D). Auch hätte ich es mir öfter einen Ticken brachialer gewünscht. Sicher, es ist schön ruhig, düster und bedrohlich, aber hin und wieder ein unerwarteter Angriff wäre fantastisch. "Baby Don't Sleep" geht da am ehesten in die Richtung. Wäre auch mit dem fantastischen "Break the Glass" ein Highlight bei mir.

Im Großen und Ganzen ein schönes Ding geworden, auf jeden Fall ziemlich einzigartig.

Jennifer

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 4716

Registriert seit 14.05.2013

2016-09-09 13:35:17 Uhr
Entschuldige bitte die späte Antwort, Affengitarre, ich wollte Dich sicher nicht ignorieren. :) Das Album ist wirklich klasse geworden. Bin gespannt, wie Du es finden wirst, ist ja seit heute draußen.

"midcity" wurde als Mixtape veröffentlicht und ist so gesehen wohl das Debüt, da es zuerst erschienen ist.

Aber da wir hier ja nach Studioalben gehen, gilt "CLPPNG" allgemein als Erstlingswerk. Hatte das deswegen auch so in der Rezension formuliert: "...Konzept hinter "Splendor & misery", dem zweiten Studioalbum...", damit das klarer wird. Die Nachfrage ist aber natürlich berechtigt! :)

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 11384

Registriert seit 23.07.2014

2016-08-31 21:10:16 Uhr
Habe mir schon fast gedacht, dass du die Review machst, Jennifer. Klingt erstmal sehr interessant, so eine unsinniges 80er Scifigeschichte könnte gut zur Band passen. Bei Release höre ich gerne mal rein.

Eine Frage aber noch: Ist nicht "midcity" das Debüt?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28493

Registriert seit 08.01.2012

2016-08-31 21:06:52 Uhr
Frisch rezensiert.

Meinungen?
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