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Beginner - Advanced chemistry

Beginner- Advanced chemistry

Vertigo / Universal
VÖ: 26.08.2016

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Zwischen Itzehoe und Idaho

Rriiiing.
"Hahn."
"Ja hallo, ähm, ich wollt ma' fragen, können wir Euren Namen borgen?"
"Ach so, ja, egal. Hauptsache, die Rhymes sind fett, die Rhymes sind fett ..."
"Gut, tschüss."

So, oder so ähnlich dürfte es vonstattengegangen sein, als die Beginner für ihr viertes Album den Titel "Advanced chemistry" aus Heidelberg nach Hamburg holten. Erwartungshaltung ist ja gar kein Ausdruck dafür, was entsteht, wenn eine der größten Crews der deutschen HipHop-Geschichte die Benamsung derjenigen Gruppe übernimmt, die den ganzen Scheiß erst erfunden hat. 13 Jahre – in Worten, dreizehn Jahre – ist es her, dass mit "Blast action heroes" die letzte Platte der Beginner erschien. Das kommt ja auch noch dazu. Hysterisch wie ein random Girlie anno 1997 auf einem Caught-In-The-Act-Konzert krisch der Rezensent, als Eizy Eiz, Denyo und DJ Mad endlich bekanntgaben, dass Neues anstünde. Aber sofort auch die Sorge: Hoffentlich verkacken die das nicht. Schließlich waren sie doch recht lang weg, Denyo wollte es allein nie so richtig bringen und Jan Delay solo nervt mittlerweile auch nur noch. Also zwei Aufgaben für "Advanced chemistry": Erstens: die Deutschrap-Nostalgiker nicht verprellen. Zweitens: die Entwicklungen des letzten Jahrzehnts nicht ausklammern. Und dann kam "Ahnma" als erste Single.

Was hörte man da nicht alles? Von "nervig" bis "mega" war sämtliches dabei. Tatsächlich aber scheint der Track vor allen Dingen durch seine mediale Omnipräsenz in die Kontroverse geraten zu sein. Die Leute, die nun unbedingt dagegen sein wollen, wären wohl ohne Schrumpfgenital gar nicht contra. Denn, zu den Fakten: "Ahnma" ist der Wahnsinn! Weil die Beginner sie selbst geblieben sind, wenn sie abermals ihre Heimatliebe in den Fokus stellen und der Beat vor bedrohlicher Kulisse trotzdem keinen Halt vor den typischen, aber heute fast verpönten Scratchings macht – vergleiche Aufgabe 1. Weil die Truppe zuvor noch nie so wutschnaubend daherkam und Gzuz zwar einen beschissenen Namen hat, aber seine Präsenz durchaus imposant erscheint – siehe Aufgabe 2. Und weil selbst ein Vollhonk wie Gentleman auf einmal mehr als erträglich auftritt – mit Sternchen erledigt. Allein diese Zeile: "Und irgendwo zwischen Itzehoe und Idaho / Kommt noch einer mit Jason Derulo featuring Tyga Flow." Ja, die Beginner sind zurück! Auf dem Fuße folgt "Es war einmal ..." – die zweite Auskopplung – mit freudiger Rückschau auf die eigene Geschichte. Nicht zuletzt für sein prominent besetztes Video hochgelobt, swingt es als Kontrastpunkt zu "Ahnma" getragen vom Piano-Thema in bester "Gustav Gans"-Manier durch die Zeiten: Der Soundtrack zum 25-jährigen Bandjubiläum ist perfekt.

"Meine Posse" beschert Samy Deluxe einen zweiten Frühling, wenn er sich als "fünfter Beatle" und "vierter Beginner" vorstellt und man ihn dabei so ernst nimmt wie seit seinem Debüt nicht mehr. Denyo singt die Hook. Zwischendurch macht die Knarre "ra-ta-ta-ta-ta" und am Ende lässt ein nackenwippendes Torch-Sample den feierwütigen Track ausgleiten. Noch mehr auf Party getrimmt ist "Rambo Nr. 5", das dem Namensvorbild die Trompete entführt und in Kürze mit "Lambada-Meinhof" die Tanzflächen der Republik stürmen dürfte. Mit "Kater" folgt das passende Requiem. Top-Reim: "Ist das Vogelgezwitscher oder Lungenpfeifen? / Rihanna kann sich in dem Pelz von meiner Zunge kleiden." In "So schön" hat Dendemann seinen großen Auftritt, als dürfte er seine "Dreieinhalb Minuten" noch um die ein oder andere Weile erweitern. Angeschmachtet wird smooth wie charmant das schöne Geschlecht. Dende: "Das ist für alle Doppel-Ixen / Die dicken, moppeligsten / Die schicken Modelchicksen." Boom. Dass Samples von "Reimemonster" für geile Hooks taugen, hat Megaloh auf "Regenmacher" unlängst vorgemacht und so groovt "Rap & fette Bässe" mit einem Beat Marke Pharrell Williams stetig, bis Afrob und Ferris direkt in die Fresse stylen. Ähnlich geht es bei "Thomas Anders" zu, das vom eben schon genannten Rapper aus Berlin-Moabit gefeatured wird. Jan Delay singt die funkige Kehrzeile, DJ Mad legt ein feines Cutting-Solo zur Songhälfte hin. Kurz vorm Ende der Platte ist es dann soweit: Als würde der Staffelstab nunmehr offiziell weitergegeben, begleitet Haftbefehl in "Macha Macha" das Dreiergespann, eröffnet mit der ersten Line und rappt die Hook. Das "Geniestreichorchester ist bereit, die Beginner machen Johann Sebastian Reibach." Auch ein starkes Teil!

All killer, no filler – oder was? Nö, aber fast. "Schelle" klingt über weite Strecken, als wäre es der B-Seite von Jan Delays Debüt, dem 2001er "Searching for the Jan Soul Rebels", entliehen. Doch Mad an den Decks rettet das Teil noch bravourös. "Spam" will bisweilen ein wenig überambitioniert die Welt verbessern – das ist ja hier kein Curse-Album. Recht haben sie aber trotzdem, die Beginner. Zumal der Titel mit Klavier-Melodie und Clip-Clap-Beat durchaus etwas hermacht. Hat "Advanced chemistry" jetzt also die Erwartungen erfüllt? Absolut. Wenn Du jetzt anfangen willst das mit "Bambule" zu vergleichen, geh scheißen, Digga. Was damals war, wird nie wieder sein. Du hast damals vielleicht gerade pubertiert, Du hast womöglich das erste Mal gebumst, Du warst eventuell ein dummer Ersti ohne Peil und mit zuviel Gras im Schädel oder hast schlicht gemerkt, dass Deutschrap so viel mehr sein kann als Die Fantastischen Vier – die Beginner sind Teil Deiner Geschichte, Teil der deutschen Hip-Hop-Historie, sie waren wohl sogar so etwas wie die Stimme einer Generation. Und das sind sie immer noch. Auch auf "Advanced chemistry" heißt es wieder: "Die Beginner kommen und sie kommen krass!"

(Pascal Bremmer)

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Highlights

  • Ahnma (feat. Gzuz & Gentleman)
  • Es war einmal ...
  • Meine Posse (feat. Samy Deluxe)
  • Rap & fette Bässe
  • Macha Macha (feat. Haftbefehl)

Tracklist

  1. Ahnma (feat. Gzuz &Gentleman)
  2. Es war einmal ...
  3. Meine Posse (feat. Samy Deluxe)
  4. Schelle
  5. So schön (feat. Dendemann)
  6. Rambo No. 5
  7. Kater
  8. Rap & fette Bässe
  9. Spam
  10. Thomas Anders (feat. Megaloh)
  11. Macha Macha (feat. Haftbefehl)
  12. Nach Hause

Gesamtspielzeit: 48:24 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Kojiro

Postings: 2967

Registriert seit 26.12.2018

2021-06-03 19:10:29 Uhr
Brahahaha, diese Denyo-Line. Vor wenigen Tagen mal wieder drübergestolpert und angehört. Furchtbar mieses Album, aber n paar nette Sachen sind auch mit drauf.

Delay kommt auf "Ahnma" schon gut. Ordentliche Nummer, wenngleich man den ultranervigen Gentleman hätte im Keller lassen können.

"Es war einmal". Typische Altherrennummer, über die sich ehemalige Backpacker mitte 40 freuen. Langweilig, aber tolles Video.

"Meine Posse", oder "Pussy"? Den finde ich ordentlich. Samy auch gut. Lyrisch allerdings seit ca. 15 Minuten völlig daneben, der Gute.

"Schelle" - Schrott

"So schön" - Schrott

"Rambo No. 5" - Schrott

"Kater" - Schrott

"Rap & Fette Bässe" - Find ich gut. Ganz nette Produktion. Delay kommt gut.

"Spam" - Schrott

"Thomas Anders" - Schrott

"Macha Macha" - Schrott

"Nach Hause" - Ist ok.

Erstaunlicherweise ist das Mixtape "Foxy Music" um Welten spaßiger als das Album. Absolutes Highlight der Part von Platin Martin, der wohl für "Da geht was" vorgesehen war. Besser als das Album + das Mixtape zusammen.


Eurodance Commando

Postings: 1731

Registriert seit 26.07.2019

2019-12-11 11:11:38 Uhr
"Denyo, ich komme rein..."

jo

Postings: 5658

Registriert seit 13.06.2013

2019-12-11 00:19:33 Uhr
Sehe ich auch ähnlich. Vor allem Delay ist überhaupt nicht mehr zu ertragen - hier so schlimm wie noch nie zuvor. Und da gab es ja schon diverse Soloaktivitäten, die schrecklich genug waren...

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3576

Registriert seit 12.12.2013

2019-12-10 23:35:44 Uhr
Grauenhaftes Album einer grauenhaften Band, die seit 20 Jahren davon lebt, fünf gute Tracks gehabt zu haben.

peppermint patty

Postings: 1904

Registriert seit 07.05.2019

2019-12-04 17:37:01 Uhr
"Grosse Begeisterung" war übertrieben, ich fand's dann doch nur "ganz okay". Aber immerhin ist mit dem Closer "Nach Hause" ein absoluter Übersong dabei 6/10

Aber immerhin kenn ich die "Beginner" jetzt, die 5 Eiro kann man sinnloser verprassen.
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