L.A. Salami - Dancing with bad grammar
Sunday Best / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 26.08.2016
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Die mutigen Fragen
Namen können Türen öffnen. Oder eben schließen. Sie werden selten von der Person getrennt, weshalb Menschen auch sagen "Ich bin soundso", als wäre ebendies bereits genug Erklärung. Wie man auch heißt, schnell wird gebrandmarkt, dem einen Namen schwingt womöglich die soziale Herkunft mit, der andere klingt altbacken oder passt nicht zum Charakter. Lookman Adekunle Salami musste wegen seines Namens viel einstecken, wurde mit Häme überschüttet, für den fremdartigen Klang, der nicht in den Londoner Vorort passte, wo er aufwuchs. Was für die einen lockerer Scherz ist, trifft den anderen direkt ins Herz. Aber L.A. Salami, wie er sich mittlerweile nennt, wuchs daran. Sein Debüt "Dancing with bad grammar" beweist allen Spöttern, wie falsch sie lagen. Es ist ein überbordendes Meisterwerk in Form, Stilvielfalt und Sprache.
Knapp anderthalb Stunden ringt Salami mit der Gegenwart und allem, was sie definiert. Er wundert sich über die roh gewordenen Debatten der Politik, über Ideologien, die so wenig gehaltvoll sind wie Fastfood und vor allem die Kultur: "Films used to be great / Now they are easy to make / Easy to sell / Easy to get bored of / Everything is four stars or more / Everything is the best film of the year". So wie er Kultur versteht, sollte sie Fragen stellen und verunsichern. Jonathan Franzen meinte mal, sein liebstes Wort im Deutschen sei "obwohl", was ebenfalls für Salami gelten könnte. Er selbst verleiht seiner Musik das Etikett Post-Blues, als würde dieser Stempel irgendetwas erklären. Dabei beginnt "Dancing with bad grammar" bei der poetischen Kraft der Texte, geschult an der gedankentaumelnden Beatgeneration um Allan Ginsberg, dem frühen, sozialkritischen Bob Dylan und dem Flow eines Tupac Shakur.
Salami reißt die Genregrenzen nieder, vermischt Blues, HipHop, Rap, Gospel, Rock, Pop. Angelpunkt bleibt dabei aber die Folkmusik, es ist eher Post-Folk als Post-Blues. Beredt wechselt er zwischen diesen Spuren, schreibt in "Def(a)ormation days" seine hymnische Variante von Dylans "Desolation row", inklusive der eingefächerten Mundharmonika. In "The city nowadays" rappt er seine scharfen Beobachtungen: "You can hear the protesters chiming / The suits say they simply whining / But the cardboard signs seem to observe the rights when thoughts go silent." Es ist das immergleiche Bild von Protesten, wie jüngst zu Black Lives Matter. Rassismus, ungleiche Chancen, Vorurteile – es ist nicht überwunden, so sehr auch eingebläut wird, dass sich etwas verbessert hätte. Was Salami aber am meisten daran stört: die Ignoranz. Wie ist es möglich, sich selbstverliebt in Sozialen Netzwerken zu verlieren, wenn draußen die Welt verändert werden sollte? Wohin führt es, wenn viele Menschen unpolitisch werden, während sich wenige politisch so derart aufladen, dass sie nicht mehr sachlich miteinander diskutieren?
Außenstehende würden wenig begeistert auf diesen Erdballen schauen ("No hallelujahs now"). Dabei wüten die afrikanischen Rhythmen, elektronischen Gitarren und Orgeln noch durch "Going mad as the street bins", bevor Salami in "& bird" stille Töne auf der Akustikgitarre lautmalt. Es gibt nicht die eine, beste Lösung. Und die zittrigen Finger im Saitenspiel von "Day to day (for 6 days a week)" sind auch Selbstzweifel, weil Salami Perfektion für witzlos hält. Sofern es ein Bindeglied dieses eklektischen Albums gibt, ist es das andauernd wiederholte Wörtchen "Fuck". Dieses sollte Reaktion sein, Verwunderung, Schock. Das ist keine besserwisserische Kritik, das ist große Unterhaltung eines mutigen Künstlers namens L.A. Salami.
Highlights
- Going mad as the street bins
- The city nowadays
- Def(a)ormation days
- Pete the monkey: The baptism of Petter the young
Tracklist
- Going mad as the street bins
- & bird
- No hallelujahs now
- Anything's greener than burnt grass
- I wear this because life is war!
- The city nowadays
- Papa Stokely (skit)
- I can't slow her down
- Loosley on my mind
- Why don't you help me?
- Day to day (for 6 days a week)
- Def(a)ormation days
- Aristotle ponders the sound
- My thoughts, they too will tire
- Pete the monkey: The baptism of Petter the young
Gesamtspielzeit: 82:41 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
öde |
2016-08-30 11:01:38 Uhr
Wird doch hier völlig überschätzt. Das Songwriting und Stimme sind doch allenfalls Durchschnitt. |
Limi |
2016-08-29 21:30:51 Uhr
Mir gefiel die EP besser. Auf Dauer (83 Minuten!!) ist das schon etwas anstrengend. Keine Platte zum nebenbei hören. Der Vergleich mit TPAB passt daher ganz gut. |
diggo |
2016-08-26 18:31:32 Uhr
Lustiger Name, fantastische Platte! |
nichtlustig |
2016-08-25 19:00:05 Uhr
et voilá, la metta! |
Raab |
2016-08-24 22:29:32 Uhr
El Mortadella |
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Referenzen
Bob Dylan; Phil Ochs; Joan Baez; Neil Young; Muddy Waters; Buddy Guy; Robert Johnson; T-Bone Walker; B.B. King; Otis Rush; Tupac; Frank Ocean; Kendrick Lamar; D'Angelo; Mos Def; Saul Williams; Publix Enemy; Talib Kweli; Cex; Dan Le Sac Vs Scroobius Pip; Run The Jewels; Killer Mike; Kate Tempest; Vince Staples; Q-Tip; OutKast; Beastie Boys; Danger Mouse; Jurassic 5; Gil Scott-Heron; Prince; Jimi Hendrix; The Roots; Stevie Wonder; Sly & The Family Stone; The Beatles; John Lennon; Paul McCartney; Elliott Smith; Bruce Springsteen; Jefferson Airplane; Nick Drake; Tim Buckley; Jeff Buckley; Gram Parsons; Big Blood; Wilco; Jeff Tweedy; Bright Eyes; The Decemberists; Henry Rollins; Leonard Cohen; Bill Callahan; Mumford & Sons; Feist; Joni Mitchell; Calexico; Sun Kil Moon; Willie Nelson; Ron Sexsmith; The Divine Comedy; Tortoise; Lambchop; Leonard Cohen; Neil Diamond; Curtis Mayfield; Johnny Cash; Matt Elliott; Van Morrison; The Wave Pictures
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