Nils Petter Molvær - Buoyancy
OKeh / Sony
VÖ: 02.09.2016
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Immer da, wo ich bin, bin ich nie
Wo ist hier? Der kleine Mann weiß um das mulmige Gefühl zwischen Orientierungsverlust und Entgrenzung, wenn ihn seine Maps-App an einem völlig anderen Standort verortet, als es die Realität tun würde. Der norwegische Jazztrompeter Nils Petter Molvær kennt das nur zu gut: Er schöpft seine Kreativität aus solchen Situationen und führt diese auch noch gezielt herbei. Sein umfangreiches Werk ist Zeugnis dieses Ansatzes, inhaltlich wie ästhetisch. In letzterer Hinsicht ist er dafür bekannt, das Handwerk des Jazz in Narrative zu überführen, die einem sonst eher im Bereich der Intelligent Dance Music begegnen. Für die inhaltliche Dimension dient das neue Album "Buoyancy" als Paradebeispiel.
Die Titel verheißen eine Weltreise: Indien, Bali, Sri Lanka – aber schon das lethargische bis fatalistische Motiv von "Ras Mohammed" erinnert mehr an das Amerika von Calexico und William Tyler als an den ägyptischen Nationalpark. Das kommt nicht von ungefähr: Nach dem Vorgängeralbum "Switch" erhielt Molvær für "Buoyancy" erneut Unterstützung vom Gitarristen bzw. Multiinstrumentalisten Geir Sundstøl, dem ehemaligen Madrugada-Schlagzeuger Erland Dahlen sowie erstmals vom Bassisten Jo Berger Myhre, der zudem als Co-Produzent fungierte. Das Quartett mag zwar mit unzähligen exotischen Instrumenten und Verfremdungshilfen hantieren, doch im weitesten Sinne tritt es als Band auf – eine Band, die sich nicht sofort als solche zu erkennen geben will.
Im Ensemble wenden sie Methoden einsamer Avantgardisten an, die aus ihren Notebooks neuartige Soundstrukturen herausarbeiten. Titel wie das turbulente, über neun Minuten lange "Amed" handeln die Unterschiede zwischen Electronica und Prog-Rock genüsslich aus und lassen am Ende doch alles offen. Das Zusammenspiel zwischen dem reinen Trompetenstück "Moute Cave" und dem sich nahtlos anschließenden "Jackson Reef" ist nicht minder interessant, spiegelt es doch das Verhältnis zwischen passiver, verstörter Einsamkeit und aktiv errungener Waldeinsamkeit wider. Musikgeographisch fragwürdig, richtet sich alles nach intrinsischen Motiven. "Buoyancy" zeigt auf, wie das eigene Missverhältnis zu äußeren Begebenheiten klangkünstlerisch und melodisch vermittelt werden kann. Während die Verortung nicht zweifelsfrei geklärt wird, lässt sich eines ohne Zweifel benennen: Nils Petter Molvær hat mit seinen Kollaborateuren sein vielleicht feinfühligstes Album seit "Hamada" aus dem Jahre 2009 aufgenommen.
Highlights
- Ras Mohammed
- Puri Jati
- Amed
- Kingfish Castle
Tracklist
- Ras Mohammed
- Gilimanuk
- Moute Cave
- Jackson Reef
- Puri Jati
- Lamna Reef
- Amed
- Martoli Bridge
- Kingfish Castle
- Maddagala
Gesamtspielzeit: 45:27 min.
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2016-08-24 20:53:03 Uhr
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Referenzen
Jon Hassell; Eivind Aarset; Arve Henriksen; Jaga Jazzist; Madrugada; William Tyler; Calexico; Brightblack Morning Light; Food; Erik Truffaz; Skalpel; Portico Quartet; Wibutee; Håkon Kornstad; Moritz von Oswald; Laraaji; Miles Davis; Amon Tobin; Hidden Orchestra; Red Snapper; Jah Wobble; Michael Brook; Klaus Schulze; Brian Eno; David Sylvian; Yann Tiersen; Washington; DJ Shadow; Squarepusher; Clark
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- Nils Petter Molvær - Buoyancy (1 Beiträge / Letzter am 24.08.2016 - 20:53 Uhr)