Kayo Dot - Plastic house on base of sky
The Flenser / H'Art
VÖ: 05.08.2016
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Völlig losgelöst
Toby Driver, Frontmann und einziges wirklich festes Mitglied von Kayo Dot, dürfte keine Ahnung von der Existenz Herbert Grönemeyers haben. Dessen Verse "Stillstand ist der Tod / Geh voran, bleibt alles anders" eignen sich dennoch hervorragend, um sich dem ausufernden Werk Kayo Dots zu nähern. Was 2003 als Metal mit Postrock-Einschlag begann, ist 2016 in gänzlich neuen Sphären angekommen. Bereits die letzten beiden Alben, "Hubardo" und "Coffins on Io" deuteten an, wohin die Reise gehen würde: Weg von den Gitarren der Frühzeit, hin zu flächigeren, elektronischen Arrangements. Kayo Dots neuntes Album "Plastic house on base of sky" geht nun den nächsten, den entscheidenden Schritt in diese Richtung.
Gitarren finden nur noch im Hintergrund statt. Tonangebend sind flirrende Synthesizerfiguren, die mal mehr, mal weniger strukturiert durch komplexe Rhythmen und Drivers klagenden Gesang kontrastiert werden. Dass die Musik der Bostoner nicht aus dem Bauch, sondern aus dem Kopf kommt, hört man jedem einzelnen der fünf Tracks an. Einzig das abschließende "Brittle urchin" weist so etwas wie eine herkömmliche Songstruktur auf und stellt einen versöhnlichen Kontrapunkt zu all dem kontrollierten Chaos der vorhergehenden Stücke dar.
Die diffusen Keyboardlinien können jedoch nicht völlig darüber hinwegtäuschen, wo die Wurzeln der Band liegen. Auch wenn sich die Klangästhetik radikal geändert hat, sind die Black- und Death-Metal-Ursprünge des Quartetts hörbar. Diese äußern sich vor allem in der Art und Weise, wie Spannungsbögen errichtet werden. Strophe-Refrain-Schemata sucht man vergebens, vielmehr werden die Kompositionen der Band durch Leitmotive und aufwändige harmonische Progressionen zusammengehalten. Obwohl sehr viel gleichzeitig passiert, verlieren Kayo Dot nie den Überblick über das Geschehen. Nur während des zehnminütigen "All the pain in all the wide world" überspannen sie den Bogen.
Viel fokussierter ist "Magnetism": Rastlose Arpeggios treffen auf Drivers wehklagenden Gesang – der Song klingt, als hätten Tangerine Dream Dave Gahan zu einer Jamsession eingeladen und das Ergebnis von New Order remixen lassen. Ebenfalls gelungen ist "Rings of earth", eine um sich selbst kreisende Meditation über das Schicksal von Weltraumschrott nach dem Ende der Zivilisation. Klingt deprimierend? Ist es auch. Form und Inhalt finden in eindrucksvoller Manier zusammen, eine Ewigkeit in schwarzer Leere wartet. "Always spinning." Auch nach dem Tod kennt das Universum keinen Stillstand.
Highlights
- Magnetism
- Rings of earth
Tracklist
- Amalia's theme
- All the pain in all the wide world
- Magnetism
- Rings of earth
- Brittle urchin
Gesamtspielzeit: 38:22 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Watchful_Eye User Postings: 2811 Registriert seit 13.06.2013 |
2018-12-09 00:20:52 Uhr
Es gehört zwar eigentlich in den allgemeinen Kayo Dot-Thread, aber ich wollte nur kurz auf das aktuelle Projekt namens "Piggy Black Cross". hinweisen.https://kayodot.bandcamp.com/album/always-just-out-of-r-e-a-c-h-robotic-eclosion-after-coming-hylozoic Es erinnert soundmäßig etwas in Richtung "Cocteau Twins" (also düster, wavig, weibliche Vocals, 80s), ist aber rhythmisch weitaus komplexer. |
KC |
2018-12-09 00:07:31 Uhr
Part the second von motW hat auch bewiesen wie wichtig Jason Byron für die Band ist, auf allen großen Alben von motW und Kayo Dot war er mit dabei, er scheint durch seinen input das ganze in die richtige Bahn zu lenken. Die ganz verrückten bzw. entrückten Sachen hat Driver entweder alleine oder mit seiner Mia gemacht. von der Hubardo gefällt mir bspw. The Second Operation am besten, für mich der Nachfolger von Wayfarer, einem weiteren persönlichen Favoriten. |
King Clutch |
2018-12-09 00:02:25 Uhr
soll das ein Witz sein? die Choirs ist easily das beste Werk vom Herrn Driver, das Album ist wie aus einem Guss, kann man von der ersten bis zur letzten Sekunde hören. Aber schon ab der Dowsing gings imho bergab, mit vereinzelten Highlights. Hätte Driver nie den Fokus verloren wie zu motW und Choirs Zeiten dann wären noch riesige Alben herausgekommen... Hubardo ist ganz gut geworden, aber eben kein Meisterwerk. Blue Lambency habe ich mittlerweile auch verbannt, dabei habe ich sie damals zur Blue Lambency in Frankfurt live gesehen und dabei das erste Soloalbum von Toby unterschreiben lassen. #neverforgetvon Coyote habe ich fast nichts übrig gelassen, aber Abyss Hinge 2 hat so einen genialen Spannungsbogen und Finale, habe ich bis heute nicht vergessen und das meine ich mit wenn Toby doch nur immer den Fokus finden würde. Ich sollte mal in plastic house reinhören. |
hos |
2016-08-25 14:35:26 Uhr
bei Kayo Dot haben mich immer nur einzelne Tracks auf den jeweiligen Alben in den Bann gezogen, auf Albumlänge kam Tobi mit Kayo imho nie an seine Veröffentlichungen mit Maudlin of the Well heran. |
zurueck_zum_beton Postings: 217 Registriert seit 07.07.2013 |
2016-08-25 11:33:47 Uhr
2x live gesehen in den letzten eineinhalb Jahren (Doom Over Leipzig 4/2015 und ganz frisch Amplifest, Porto) :::Jeweils faszinierende Präzision, die fast überbestimmt ist von T. Driver, der bei besonders rhythmisch komplexen Passagen per Kopf- und Gitarrenhalsnicken den Takt vorgibt. Fiel mir besonders bei "Gemini becoming the tripod" von "Dowsing anemone with copper tongue auf", welches sie am letzten Sonntag gespielt haben. Und dann war da noch so'n 15-Minüter, der soo hervorragend repetitiv mächtige Synthieflächen verwoben hat. Und einen emotional, fast rührselig werdend vor sich her getrieben hat. Finde hoffentlich noch heraus, wie das Stück heißt. Wurde auch auf dem Doom over Leipzig damals gespielt. |
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Referenzen
Maudlin Of The Well; Vaura; Intronaut; Ulver; Magma; Zu; John Zorn; Dødheimsgard; Tangerine Dream; Bark Psychosis; Iamthemorning; Asva; Crippled Black Phoenix; Mare; Cormorant; Fantômas; Jesu; A Silver Mt. Zion; Oceansize; Swans; Peccatum; Faust; Time Of Orchids; Giant Squid; Black Math Horseman; Tartar Lamb; Ancestors; Jodis; King Crimson; Kraftwerk; Joy Division; David Bowie; Devin Townshend
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