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Japanische Kampfhörspiele - The golden anthropocene

Japanische Kampfhörspiele- The golden anthropocene

Unundeux / Cargo
VÖ: 02.09.2016

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Für die Hatz

Wie fein. Auch auf Studioalbum Nummer sieben zerfetzt das Deathgrind-Sextett Japanische Kampfhörspiele zuvorderst des Hörers Ohr. Zersetzt wütend das Hirn, zerlegt brachial den Magen. Hobelt vierzig Minuten kompromisslos aufs Instrumentarium ein, Atempausen Mangelware. Gitarren feuern Gewehrsalven ab, ein Schlagzeug verursacht Kanoneneinschläge. Grunzend und schnaubend wuchtet sich dazu die Growling Meute durch den tiefen dunklen Wald. Macht keine Gefangenen, nimmt keine Geiseln. Walzt platt.

Keine Frage: Japanische Kampfhörspiele verstehen es auch auf "The golden anthropocene“ vortrefflich, ihre Hörerschaft auf eine Treibjagd zu entführen. Ab ins menschliche Gestrüpp, mit Fanfare und Gebrüll hinein ins soziale Dickicht. Dorthin, wo Darwin noch Darwin sein kann, political correctness unbekannt ist. Die Bigotterie der ach so aufgeklärten westlichen Zivilgesellschaft ist es, die den Krefeldern derart den Schaum vor den Mund treibt.

Okay, so kennen und so mögen wir die Band. Und das seit nunmehr achtzehn Jahren. Doch halt: Wer ist hier, bei dieser neuerlichen Hatz, fies taktierender Reiter, wer zornig aufgehetzte Hundemeute? Und wer dem Untergang geweihter Fuchs? So klangmächtig sich die Band hier auch ihren Weg durchs Unterholz bahnt, eindimensional und simplifiziert ist hier gar nichts. Und plump mit dem Finger auf andere gezeigt wird schon einmal gar nicht.

Sei es in dem Stück "Planeten planieren“, in dem in unseren Breitengraden so pathetisch verklärten Begriffen wie Fortschritt, Demokratie, Toleranz und Freiheit die dicken Beine unterm speckigen Hinterteil weggezogen werden; sei es in "Posthumane Weltregierung“, in dem uns unser zu Rücksichtslosigkeit gewordener Hedonismus in beeindruckend wenigen Zeilen wieder und wieder quer durchs Hirn getrieben wird – oder aber sei es auch ein paar Bedeutungsstufen tiefer im vielleicht besten Song des Albums, "Der Untergrund“, in dem Japanische Kampfhörspiele die Frage stellen, ob nicht auch der künstlerische Underground längst zu einem riesengroßen Schwanzlutscherladen mutiert ist.

Brachial, doch durchgängig zeigefinger- und holzhammerlos verabreicht, führt uns die Band unseren eigenen so dekadent-heuchlerischen Lebensstil vor Augen. Dass narrativer Standpunkt und Rolle der Band dabei mitunter im Dunkeln gelassen werden, mag feige anmuten, ist jedoch exakt der Kniff, der "The golden anthropocene" auch für Anhänger weniger wüster Musikgenres zu einem mittleren Faszinosum werden lässt. Whistleblower oder Nestbeschmutzer, Verräter oder Märtyrer? Die zum Teil vorherrschende akustische Unverständlichkeit der Texte (werden allesamt im Booklet aufgeführt) nährt den Eindruck, einer konspirativen Angelegenheit beizuwohnen. Ob wir hier einem Systemsturz (von innen? von außen?) beiwohnen oder dessen Verteidigung, ob die wütende Jagd einmal mehr den Tätern oder doch eher den lemminghaft und kopflos agierenden Opfern gilt oder ob nicht längst einfach nur alles egal, alles zu spät ist, die Welt in einem eschatologischen Donnergetöse untergeht – Interpretationen sind hier einige möglich. Dass Japanische Kampfhörspiele für das große Um- und Neudenken stehen, muss nicht diskutiert werden. Es ist jedoch der große Trumpf dieses Albums, dass sie uns den typisch westlichen Widerspruch aus gutem Meinen und schlechtem Handeln so exemplarisch vor Ohren führen.

(David Wonschewski)

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Highlights

  • Weiss
  • Der Untergrund

Tracklist

  1. Verklappt
  2. Weiss
  3. Planeten planieren
  4. Antisein
  5. Ping
  6. Posthumane Weltregierung
  7. Reiz-Reaktion-Automat
  8. Der Untergrund
  9. Folter und gezieltes Töten
  10. Pimmel kneten
  11. Tellerand
  12. Mitmachdiktatur
  13. Burnout ausgesessen
  14. Absolution in spe
  15. Der Durchschnittsmensch
  16. Smart
  17. Weltorganismus
  18. Tag 1 nach den Menschen
  19. Aus dem Mark der Nebenniere
  20. Verpasst (Bonus)

Gesamtspielzeit: 40:08 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
jaka
2016-08-28 16:29:56 Uhr
gütes album, fjeden
#.
2016-08-28 13:11:15 Uhr
Hut ab - die vielleicht cleverste JaKa-Rezi ever!
Miss Thai Lingh
2016-08-25 04:42:42 Uhr
werde heute mal der platte lauschen

Mister X

Postings: 3401

Registriert seit 30.10.2013

2016-08-24 22:17:26 Uhr
dachte die sitzen in der psychatrie ?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26281

Registriert seit 08.01.2012

2016-08-24 20:51:57 Uhr
Frisch rezensiert.

Meinungen?
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